Streit um Pkw-Emissionen

Während EU-weit der Treibhausgas-Ausstoß des Straßenverkehrs weiter zunimmt, versucht die deutsche Automobilindustrie, Zeit zu schinden

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Mit rund 18 Prozent hat der Straßenverkehr in Deutschland einen nicht gerade kleinen Anteil am Ausstoß von Kohlendioxid (CO2), dem mit großem Abstand wichtigsten Treibhausgas. Daher ist der Streit über Abgasnormen für PKW, den Wirtschaftsminister Michael Glos und Umweltminister Sigmar Gabriel lautstark miteinander ausfechten, nicht gerade ein Nebenkriegschauplatz.

Worum geht es? Alles fing damit an, dass EU-Umweltkommissar Stavros Dimas Anfang des Jahres den Entwurf einer Mitteilung an die EU-Kommission vorlegte, in dem er über die „Ergebnisse der Überprüfung der Strategie der Gemeinschaft zur Minderung der CO2-Emissionen von Personenkraftwagen“ berichtet. Die EU hat sich vorgenommen, bis 2012 den durchschnittlichen CO2-Ausstoß der Neuwagen auf 120 Gramm CO2 pro Kilometer (gCO2/km) zu drücken. Der Verband der Europäischen Automobilindustrie hatte sich daraufhin, weil er einer gesetzlichen Regelung aus dem Weg gehen wollte, gegenüber der EU-Kommission verpflichtet, bis zum Jahr 2008 die spezifischen Emissionen auf 140 gCO2/km zu. Die deutschen Pkw-Hersteller haben dieser Entscheidung nicht nur zugestimmt, sondern waren aktiv an ihr beteiligt.

Seit einem knappen Jahr zeichnet sich allerdings ab (Spritschleudern auf der Überholspur), dass die Selbstverpflichtung nicht eingehalten wird. 2005 gaben neu zugelassen Fahrzeuge in der EU etwa 160 gCO2/km an die Umwelt ab und offensichtlich ist der Straßenverkehr auf dem besten Wege dahin, das sehr moderate Klimaschutzziel der EU zu gefährden. Um acht Prozent muss die EU bis spätestens 2012 ihre Treibhausgasemissionen reduzieren, hat sie mit der Unterzeichnung des Kyoto-Protokolls zugesagt. Klimaforscher fordern hingegen seit Jahren, dass die Industriestaaten ihre Emissionen langfristig um 80 Prozent gegenüber dem Bezugsjahr 1990 senken müssen, wenn eine Klimakatastrophe aufgehalten werden soll.

Die Emissionen aus dem Straßenverkehr wachsen hingegen munter weiter. Zwischen 1990 und 2004 sind sie um 26 Prozent gestiegen, geht aus dem Dimas-Bericht hervor. In Deutschland stagnieren diese Zahlen seit Beginn des Jahrtausends, allerdings auf hohem Niveau. Der Umweltkommissar kommt daher zu folgendem Schluss: „Ohne wirksame Gegenmaßnahmen werden die Emissionen aus dem Personenverkehr auf der Straße in den kommenden Jahren weiter zunehmen.“ Die spezifischen Emissionen haben zwar abgenommen, aber nicht schnell genug. Das liegt unter anderem auch daran, dass der Trend zu größeren und leistungsstärkeren Wagen geht. Das Wenige, was dennoch an Einsparungen pro Kilometer erzielt wurde, hat der wachsende Verkehr mehr als wett gemacht.

An dieser Stelle kommen die deutschen Hersteller ins Spiel, deren besondere Domain die schweren Hochleistungswagen sind. Deutschland ist das einzige Land in der EU und eines der wenigen weltweit, in dem es kein Tempolimit auf den Autobahnen gibt. Mit dem Ergebnis, dass es Straßenfahrzeuge gibt, die wegen zu starker Motoren für die Formel 1 nicht zugelassen wären, meint Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). VW habe zum Beispiel mehrere Wagen im Angebot, die über 300 Kilometer pro Stunde fahren könnten.

Insbesondere DaimlerChrysler mit der Marke Mercedes Benz und Volkswagen mit seiner Premium-Marke Audi haben offensichtlich nicht die Zeichen der Zeit erkannt und erklären dem Weltklima mit ihrer Modellpolitik den Krieg.

Jürgen Resch

Die DUH fordert daher unter anderem die Einführung verbindlicher Grenzwerte für alle Neuwagen, Geschwindigkeitsbegrenzungen, eine verbraucherfreundlichere Kennzeichnung des Verbrauchs, Schluss mit der Trickserei bei der Bestimmung der Verbrauchswerte und eine CO2-abhängige Kfz-Steuer. Beim Verband der Deutschen Automobilindustrie zeigt man sich jedoch uneinsichtig:

Premium-Hersteller können nicht mit der Kleinwagen-Elle gemessen werden. Schließlich kann auch ein Einfamilienhaus nicht den gleichen Energieverbrauch haben wie ein 1-Zimmer-Appartement.

Der EU-Umwelt-Kommissar kann sich hingegen mit verbindlichen Grenzwerten anfreunden und auch Gabriel fordert gesetzliche Regelungen. Mittwoch letzter Woche hätte der Dimas seinen Bericht der Kommission vorlegen sollen und damit vermutlich eine entsprechende Diskussion angestoßen. Doch Industrieminister Günter Verheugen, in diesem Falle ganz der Mann der deutschen Automobilindustrie, wusste das zu verhindern. Sein offensichtlicher Hintergedanke: So lange Dimas seinen Bericht nicht vorlegen kann, wird auch nicht über etwaige Maßnahmen gesprochen, das heißt, solange können keine entsprechenden Weisungen der Kommission oder Empfehlungen an den Ministerrat vorbereitet werden. Bisher hat die Kommission keinen neuen Termin benannt.

Der Klimawandel wird allerdings nicht warten. Am Montag stellte das Umweltbundesamt (UBA) neue Simulationen mit einem regionalen Klimamodell vor. Demnach ist damit zu rechnen, dass in Deutschland zum Ende des Jahrhunderts die mittlere Jahrestemperatur je nach Emissions-Szenario um 1,8 bis 2,3 Grad steigen wird. Norddeutschland muss mit einer Abnahme der Niederschläge um bis zu 50 Prozent rechnen. Das UBA hält es daher für dringend notwendig, dass eine Diskussion über die Anpassung an diese Veränderungen geführt wird.