Erdwärme auf Eis

In Basel wurde wegen mehrerer Beben ein Geothermie-Projekt vorerst gestoppt, auch bei der Gas-, Öl- und Kohle-Förderung kommt es zu Erdbeben

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Am 23. Januar teilte der Basler Regierungsrat mit, dass das dortige Geothermie-Projekt vorerst gestoppt wird. Die Projektleiter hatten vermutlich nichts anderes erwartet, denn der Bohrturm war bereits nach dem ersten Beben im Dezember abgebaut und das Personal entlassen worden. Ob das Projekt jemals wieder läuft, so die Basler Regierung, hänge von der weiteren Analyse der Befunde ab - die immer noch nicht öffentlich zugänglich sind.

Immerhin will Basel ein noch zu erstellendes Gutachten bis Jahresfrist der Öffentlichkeit präsentieren. Im Grunde hat sich Basel weder für noch gegen die Geothermie entschieden; man möchte mehr Bedenkzeit und vor allem eine tiefergehende Analyse. So meinte die Basler Regierungsrätin Barbara Schneider:

Eine präzise Aussage darüber, wie hoch dieses Risiko sein wird, ist heute noch nicht möglich. Einig sind sich die Experten lediglich darüber, dass dieses Risiko sehr klein ist und dass aufgrund der bisherigen Erfahrungen weltweit nicht mit Schäden zu rechnen ist.

Die Erdwärme-Zeitung kommentierte lapidar (aber richtig) dazu: "Ob diese 'kleinen' nur ein größeres Beben verhindert haben, wird wohl nie geklärt werden können." Auf jeden Fall bedeutet dieser Beschluß eine mindestens 3- bis 4-jährige Pause für das Projekt, so Swissinfo.org, die auch noch einen Experten aus dem Schweizer Erdbebendienst (SED) dahingehend zitiert, dass seine Kollegen nicht von den Beben überrascht worden sind, denn Basel stehe auf Granit, nicht auf weichem Boden wie bei vielen Gas- und Ölbohrungen. Mit den Bohrungen bei Basel betrete man also Neuland. Diese Aussage ist deshalb so brisant, weil es bisher immer hieß, die Experten seien von den Beben dieser Stärke überrascht worden, der SED war aber bei diesem Projekt offenbar nicht vorab konsultiert worden.

Basel ist jedoch nicht nur eine geologische Ausnahme, sondern auch eine politische: Andernorts in der Schweiz fehlte schlicht der politische Rückhalt für solche Projekte. Nun droht das Basler Projekt die Geothermie insgesamt (und zu Unrecht) in Verruf zu bringen. Auf der deutschen Seite des Rheins unmittelbar gegenüber Basel, so ein Redakteur einer Lokalzeitung im Gespräch mit Telepolis, ist die südbadische Bevölkerung auch noch sauer, weil die Schweizer "schon wieder" in Grenznähe rumexperimentiert hätten, nachdem ja so viel von der Schweizer Chemieindustrie flussabwärts von Basel auf einem kleinen Streifen einen Steinwurf entfernt von Frankreich und Deutschland stehe. So droht die Geothermie nicht nur mit Erdbeben, sondern - zumindest in Südbaden - mit Chauvinismus in Verbundung gebracht zu werden.

Zu Unrecht entstünden diese Assoziationen, weil de facto nichts in Basel schiefgegangen ist, sieht man davon ab, dass die Prognosen gegen ein spürbares Erdbeben falsch lagen. Auch wenn einmal von 450 nicht weiter differenzierten Schäden die Rede gewesen ist, wird sonst überall nur berichtet, dass kaum Schäden entstanden seien. Bei Telepolis sind jedoch Berichte über die Erdbeben eingegangen, über die selten berichtet wird: bei Kohlebergwerken.

Erdbeben gehören zur Tagesordnung bei der Kohle-, Öl- und Gasförderung

Die Beben in Basel führen tatsächlich dazu, dass man häufiger über "menschengemachte Beben" redet. Die Zeit listete nach dem letzten großen Beben andere Ereignisse auf wie die Beben in einem Gasfördergebiet bei Hamburg in den Jahren 2004-2005 sowie ein Beben im Jahre 1989 in Newcastle/Australien - dort sollen die Schäden die gesamten Einnahmen aus der Kohlemine überstiegen haben.

In der Tat gehören Erdbeben zur Tagesordnung bei der Öl- und Gasförderung, und die Erde sinkt auch bei Kohleminen ab. Bis vor kurzem war aber der Zusammenhang zwischen Energieprojekten und Erdbeben schwer zu beweisen; die Firmen sprachen oft konsequent von "natürlichen Beben". So auch auf Java, wo seit 8 Monaten ein Schlammvulkan an einer Bohrstelle fließt. Bedeckt ist bis heute eine 4 Kilometer breite Fläche . Der Schlamm könnte noch Jahre fließen. Heute schon sind mehr als 11.000 Menschen betroffen.

Die Geschäftsleute sprachen auch dort von einem natürlichen Ereignis, doch letzte Woche berichtete ein britisches Forschungsteam über einen nachgewiesenen Zusammenhang zwischen den Bohrungen und dem Schlamm. Da die Bohrungen nach Gas, Öl und nun Erdwärme immer tiefer werden und die unterirdische Felder immer leerer, dürften sich solche Ereignisse jedenfalls nicht seltener werden.

Demnächst soll ein Deep Heat Mining-Projekt bei Berlin starten. Die Stadt ist nicht für tektonische Labilität bekannt. Der Projektleiter beschwichtigt die Berliner: "Wir gehen dahin, wo kein Erdbeben möglich ist."