Tödliche Koalition

Wie ein Ölgigant und das American Enterprise Institute Stimmung gegen den UN-Klimabericht machen

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Der Klimawandel sei "eindeutig vom Menschen verursacht", so die neue Studie des UN-Klimarates (IPCC), die heute weltweit für Schlagzeilen sorgt. "Der Bericht verheißt Schlechtes", das weiß nicht nur die BusinessNews, die den Leiter des UN-Umweltprogramms Achim Steiner mit den Worten zitiert: "Wer nun noch untätig bleibt, wird als verantwortungslos in die Geschichte eingehen" - Formulierungen, die zwar noch zu nichts Konkretem verpflichten, aber manche fürchten: So soll der berühmte amerikanische ThinkTank, das American Enterprise Institute, versucht haben, mit größeren Summen Wissenschaftler dafür zu gewinnen, den heute veröffentlichten Bericht zu "unterminieren".

In Briefen an Wissenschaftler, Ökonomen und politische Experten soll das AEI nach Informationen des Guardian, 10.000 Dollar plus Reisekosten und zusätzliche Zahlungen angeboten haben, damit diese in Artikeln für eine "unabhängige Zeitschrift" den IPPC-Bericht auseinandernehmen.

Auch wenn Kenneth Green, der derzeit beim AEI als Gastgelehrter ("visiting scholar") in Sachen Umweltschutz tätig ist, dem Guardian gegenüber nur bestätigen wollte, dass Wissenschaftler und andere Experten angeschrieben worden seinen, um in künftigen Artikeln die "Stärken und Schwächen" des UN-Klimaberichts herauszuheben, geben Auszüge aus den Briefen dennoch deutlich ein wesentlich parteiischeres Interesse zu erkennen.

Wie die englische Zeitung berichtet, wird das IPPC in den Schreiben als "unempfänglich für vernünftige Kritik, mit einer Tendenz zu zusammenfassenden Schlüssen, die nur schwach durch analytische Arbeit gestützt werden" bezeichnet. Die von den Wissenschaftlern gewünschten Essays sollten "gedankenreich die Grenzen der Klimamodell-Erkenntnisse auskundschaften".

Was man genauer darunter verstehen soll, läßt sich in Greens Polemik Clouds of Global-Warming Hysteria leicht erkennen: Alles, was in Richtung Emissionsbegrenzung geht, zeigt eine "begrenzte Vernunft" und dient den Interessen einer mächtigen "tödlichen Koalition" von Leuten, "die fossile Energien hassen, Autos, große Häuser, urbane Ausweitung, Autobahnen, reiche Leute, dicke Menschen, Industrie, Flugzeuge, Fleischkonsum, nicht recyclebares Papier und alles andere, was jemanden Freude bereitet, sehen in der Beschränkung des Energieverbrauchs via Kontrolle der Treibhausgase die Antwort auf ihre Gebete":

I call it a lethal coalition because, for nearly 20 years, this coalition has killed off any attempt to look at climate change through a rational lens, and to look at climate policy in a pragmatic way. Environmentalists, who have long espoused a version of humankind as an energy-powered cancer on the Earth, see greenhouse-gas controls as a way to starve out the tumor of humanity. Many scientists, unable to look beyond linear thinking, can't get past the idea that the only answer to change is to impose stability. Temperance fiends of all stripes - who've hated fossil fuels, cars, large houses, urban sprawl, highways, rich people, fat people, industrial economies, airplanes, meat consumption, non-recycled paper, and just about everything else that might make someone smile - see energy rationing via greenhouse-gas controls as the answer to their prayers. One-worlders and other socialist sorts have seen the potential for finally giving the U.N. control over all the commanding heights of the world by giving them control of a key driver of development.

Als bemerkenswerten Hintergrund zur Briefaktion des American Enterprise Institute fügt der Guardian an, dass der Think Tank von ExxonMobile mit größeren Summen gefördert wird - 1,6 Millionen Dollar werden genannt - und 20 seiner Mitglieder als Berater in der Bush-Regierung (vgl. Die Prätorianer-Garde des Imperiums) gearbeitet haben, Vizepräsident des "AEI Board of Trustees" sei der ehemalige ExxonMobil-Chef Lee Raymond.

Schon 2002 waren sich ExxonMobile und US-Regierung in ihrer Haltung gegenüber Verfechtern von Emissions-Beschränkungen einig. Damals hatte ExxonMobil ein Memo an das Weiße Haus geschickt, in dem man sich neben vielen anderen konkreten Vorschlägen dafür einsetzte, den damaligen Vorsitzenden des IPCC, Robert Watson, zu ersetzen. Watson hatte die Ablehnung des Kyoto-Abkommens seitens der USA kritisiert, unter seiner Leitung stellte das IPCC 2001 erstmals fest, dass es nicht nur die Klimaerwärmung gibt, sondern dass sie zu einem großem Teil durch menschliche Aktivitäten, vor allem durch Treibhausgase, verursacht wird. Er wurde nicht mehr nominiert (vgl. Ein kleiner Coup in Sachen Energiepolitik).