Der Urknall-Detektiv

Der Physik-Nobelpreisträger George F. Smoot fand die Falten im Raum-Zeit-Gewebe des Kosmos

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Anno domini 2006, 13,7 Milliarden Jahre nach dem Urknall, wurde Prof. Dr. George F. Smoot (61) von der Berkeley- Universität in Kalifornien (USA) zusammen mit John Mather in Stockholm mit dem Physik-Nobelpreis geehrt. Ihre im Rahmen des COBE-Experiments durchgeführten Messungen der kosmischen Hintergrundstrahlung haben die Theorie vom Urknall, mit dem unser Universum zu existieren begann, eindrucksvoll bestätigt.

George F. Smoot. Bild: Berkeley/Smoot

„Das Big-Bang-Modell ist das beste Konzept, das wir derzeit haben, um den Anfang der Welt zu erklären.“ George F. Smoot, Professor für Physik an der Berkeley-Universität in Kalifornien, weiß aus eigener Erfahrung, wovon er spricht.

Schließlich reiste der heute 61-jährige Amerikaner selbst bis ans Ende der irdischen Welt, um den Anfang der kosmischen zu verstehen. Rund um den Globus ließ er Messballone aufsteigen, die Strahlung aus dem Weltall auffingen. Auch wenn ein Ende seiner Reise noch nicht in Sicht ist, da Smoot auch an dem COBE- und WMAP-Nachfolger, dem Forschungssatelliten Planck (vorgesehener Starttermin: 2008) der Europäischen Raumfahrtagentur ESA, beteiligt ist, erklomm er inzwischen immerhin den höchsten Gipfel der Wissenschaft. Am 10. Dezember 2006 erhielt er zusammen mit Prof. John Mather (60) vom Goddard Space Flight Center (GSFC) der Nasa in Greenbelt (Maryland) für die Untersuchung der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung in Stockholm den Nobelpreis für Physik.

Diese 1964 von den US-Radioastronomen Robert Wilson und Arno Penzias zufällig entdeckte Strahlung gilt heute als stärkstes Indiz für die Richtigkeit des Urknall-Modells. Diesem zufolge entsprang vor ungefähr 13,7 Milliarden Jahren in einer gewaltigen „Explosion“ hochintensive Strahlung. Binnen einer Quintillionstel (Zahl mit 30 Nullen) Sekunde blähte sich der Raum aus einem undefinierbaren, unendlich kleinen Punkt („Singularität“) von unvorstellbar hoher Energiedichte und Temperatur mit unglaublicher „Geschwindigkeit“ auf. Dabei entstand Materie. Zeitgleich formte sich der Raum und der Zeitpfeil ging auf seine Reise.

Schwankungen und minimal Temperaturunterschiede

Als 400.000 Jahre nach dem Big Bang die Ur-Suppe noch bei einer Temperatur von etwa 2700 Grad Celsius kochte, war dies gleichwohl kühl genug, damit Protonen und Elektronen zu den ersten Atomen zusammenfinden konnten. Das Licht des Universums erblickte erstmals das Licht der Welt. Charakteristisch für das kosmo-archaische Echo ist seine extrem kurzwellige Strahlung im Mikrowellenbereich. Sie liegt etwa bei 2,72 Kelvin (minus 273 Grad Celsius) über dem absoluten Nullpunkt.

Anfangs glaubte die Mehrheit der Astronomen noch, die 3K-Strahlung würde absolut gleichförmig aus allen Himmelsrichtungen emittieren. Smoot und Mather bewiesen das Gegenteil. Ihre Forschungssonde COBE (Cosmic Background Explorer) entdeckte in der Hintergrundstrahlung winzige Schwankungen und minimale Temperaturunterschiede. Je nach Blickrichtung erschienen diese stärker oder schwächer. Ein Phänomen, das Experten Anisotropie nennen und welches Schlüsse auf den Urzustand des Alls zulässt.

Die Entdeckung und Messung der Hintergrundstrahlung im Bild. Bild: NASA/WMAP

Smoots Weg zum Ruhm war steinig. 18 Jahre sezierte er die Hintergrundstrahlung mit detektivischer Akribie. Er forschte in zahlreichen Labors, tüftelte an hochsensiblen Detektoren, wertete Papierberge von Computerausdrücken aus, überprüfte die Daten kontinuierlich, durchforstete den brasilianischen Regenwald und fror am Südpol. Von diesen entlegenen Orten sandten Smoot und sein Team (mehr als 1200 Forscher beteiligten sich an dem COBE-Experiment) Forschungsballons in die Atmosphäre, die mit speziellen Messinstrumenten bestückt waren.

360-Grad-Karte

Aufbauend auf diesen Erfahrungswerten, entwickelte Smoot den Detektor DMR (Differentielles Mikrowellenradiometer) der COBE-Sonde. Dank der Sensibilität dieser Apparatur konnte der Kosmo-Ermittler Smoot das Urknallecho genauestens unter die Lupe nehmen und dabei eine 360-Grad-Karte des Mikrowellenhintergrunds erstellen. Damit diese 360-Grad-Karte von den Falten im Raum-Zeit-Gewebe des Kosmos an Konturen gewinnen konnte, musste COBE die Hintergrundstrahlung vier Jahre lang sezieren.

George F. Smoot auf der Pressekonferenz vom 23. April 1992, auf der er die Ergebnisse der COBE-Messungen betreffend der detektierten anisotropen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung vorstellte. Bild: LBL/Smoot

COBE steht als Abkürzung für die Forschungssonde Cosmic Background Explorer. Diese diente zur Erforschung der kosmischen Hintergrundstrahlung, von der Smoot und sein 1200-köpfiges Team eine 360-Grad-Karte anfertigten.

Damit diese 360° Karte von den Falten im Raum-Zeit-Gewebe des Kosmos an Konturen gewinnen konnte, musste COBE die Hintergrundstrahlung vier Jahre lang sezieren Bild: DMR, COBE, NASA

Ausgerüstet mit drei Instrumenten (DIRBE, DMR, FIRAS), operierte der NASA-Satellit von 1989 bis 1993 in einer Höhe von 900 Kilometern auf einer polaren Umlaufbahn. COBE wurde am 18. November 1989 mit einer Delta- 5920-Trägerrakete ins All gehievt. Ursprünglich sollte COBE mit einer Raumfähre (Space Shuttle) in den Orbit transportiert werden, doch das Challenger-Unglück von 1986 durchkreuzte die Pläne des COBE-Teams.

Unendliche Weiten in einem unendlich endlichen Kosmos, dessen Existenz die unglaubliche Folge unglaublicher Zufälle sein könnte. Oder war alles intendiert? Bild: NASA, ESA, J. Blakeslee and H. Ford (Johns Hopkins University)

Doch dank geschickter Überzeugungsarbeit gelang es John Mather, besagte Delta-Rakete zu besorgen. Bereits nach nur neun Minuten Beobachtungszeit lieferte COBE die ersten Resultate, obgleich seine Winkelauflösung recht grob war. COBE konnte nur Strukturen sehen, die am Himmel mehr als sieben Grad groß waren .

In dem von Harald Zaun herausgegebenen neuen Telepolis-Special Kosmologie - Jenseits von Zeit und Raum geht Smoot während eines Exklusiv-Interviews auf viele wissenschaftlich ungeklärte Fragen ein. Hier finden Sie auch mehr zum Urknall, vor allem aber zu den Themen, die den gängigen astrophysikalischen Modellen à la „Big Bang“ oder „Big Crunch“ Paroli bieten wollen .