Gesetzliche Action gegen Killerspiele

Der im Bunsdesrat eingebrachte Gesetzesentwurf zum Verbot von Killerspielen weist viele Untiefen auf, ist womöglich verfassungswidrig und verbietet auch Gewaltsimulation in realen Spielen

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Die durch das Blutbad von Emsdetten erneut angestoßene Diskussion um das Verbot sog. Killerspiele ist nicht folgenlos geblieben. Seit dem 2. Februar 2007 liegt dem Bundesrat nämlich diesbezüglich ein vom Freistaat Bayern eingebrachter Gesetzesantrag vor. In dem Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Jugendschutzes geht es um das strafrechtliche Verbot des Verbreitens und öffentlichen Zugänglichmachens "virtueller" Killerspiele (neuer § 131a StGB), einen neuen Bußgeldtatbestand für "reale" menschenverachtender Spiele (neuer § 118a OwiG) und Mindestanforderungen, die eine Einrichtung der freien Selbstkontrolle im Bereich der Trägermedien zwingend zu erfüllen hat (neuer § 14a JuSchG).

Selbstkontrolle als bloße Auslagerung hoheitlicher Aufgaben

Durch den neuen § 14a JuSchG sollen die Anforderungen an die Einrichtungen der Selbstkontrolle verschärft werden. Sichergestellt werden sollen unter anderem Unabhängigkeit und Sachkunde der Prüfer, sachgerechte Ausstattung der Einrichtung, verstärkte Einflussnahme durch die obersten Landesjugendbehörden durch von ihnen benannte Sachverständige und die Einrichtung einer Beschwerdestelle. Zudem soll die Einrichtung der freiwilligen Selbstkontrolle von den obersten Landesjugendbehörden anerkannt werden müssen. Anders als im schon stark kritisierten Konzept der Regulierten Selbstregulierung im Jugendmedienschutzstaatsvertrag (JMStV), an dem sich die Vorgaben orientieren, erfolgt die Anerkennung hier aber nicht etwa durch eine staatsfern organisierte Aufsichtsbehörde, sondern durch die Obersten Landesjugendbehörden selbst.

Darüber hinaus ist mit der Entscheidung der Selbstkontrolleinrichtung anders als im JMStV keine Rechtssicherheit für den Hersteller verbunden. Im Gegenteil: Während Maßnahmen gegenüber Anbietern von Telemedien nur bei eklatanten und offensichtlichen Fehleinschätzungen der Selbstkontrolleichrichtungen möglich sind, soll nach dem Entwurf des § 14a Abs. 2 Nr. 16 JuSchG gewährleistet werden, dass die Obersten Landesjugendbehörden die Prüfungsentscheidung jederzeit in effektiver Weise und damit auch im Detail überprüfen und bei Zweifeln dagegen vorgehen können. Nur geringfügig verkürzt: Die Selbstkontrolle der Wirtschaft wird zu einer von der Wirtschaft zu finanzierenden staatlichen Kontrolle. Das Regelungssystem des JuSchG enthält für Computerspielhersteller damit nur noch einen Anreiz, Selbstkontrolleinrichtungen beizutreten - das erwartbar langwierige Kennzeichnungsverfahren (freigegeben ab 6, 12 Jahren etc.) durch die Landesbehörden selbst (§ 14 Abs. 2 JuSchG).

Verbot schmerzhafter Spielhandlungen in virtuellen Spielen

Obwohl die Auswirkungen dieses Teils des Gesetzgebungsantrages kaum zu überschätzen sind, steht die Frage des Verbotes von Killerspielen im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit. Bestraft und verboten werden soll die Verbreitung "von Spielprogrammen, die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen darstellen, und dem Spieler die Beteiligung an dargestellten Gewalttätigkeiten solcher Art ermöglichen". Ausweislich der Gesetzesbegründung sollen dazu alle Spielhandlungen zählen, die - fänden sie in der realen Welt statt - dem Objekt der Handlung Schmerzen oder Qualen erheblichen Ausmaßes zufügen würden. Anders als in § 131 StGB verzichtet der Gesetzentwurf darauf, dass die Spiele eine verherrlichende oder verharmlosende Zielrichtung haben müssen. Der bayerische Gesetzesantrag befürchtet, dass die Norm ansonsten neben § 131 StGB leer laufen könnte.

Dieser Befürchtung wurde mit dem Gesetzentwurf in der Tat der Boden entzogen. Konsequent angewandt könnte diese Regelung nicht nur das Ende weniger, besonders grausamer Ego-Shooter, sondern sogar der meisten Action-Spiele nach sich ziehen. Grausam und unmenschlich ist die Gewaltanwendung nach der Rechtsprechung zu § 131 StGB nämlich etwa dann, wenn das "Maß notwendiger Gewalt" überschritten wird. Die Rechtsprechung müsste in Zukunft herausarbeiten, wann z.B. das Töten in Computerspielen notwendig und damit nicht grausam ist. Denkbare Folge: Die Spieldesigner konstruieren Notwehrsituationen (z.B. die Befreiung von Geiseln, die Abwehr von Terrorakten) und pflegen nur abgestuft zur Verfügung stehende Waffenarsenale in ihre Spiele ein.

Zurück zum Rechtlichen: Auch in der nunmehr veröffentlichten Fassung begegnet das Gesetz nachhaltigen verfassungsrechtlichen Bedenken. Es soll expressis verbis dem Jugendschutz dienen, verbietet die Spiele aber auch Erwachsenen. Der verfassungsrechtliche Schutz der Medienfreiheiten wird in dem Antrag noch nicht einmal erwähnt, obwohl sich allein das Wort Medien 48 Mal findet. Dies verwundert jedenfalls vor dem Hintergrund, dass das Bundesverfassungsgericht stets hervorgehoben hat, dass Erwachsenen der Zugang zu jugendgefährdenden Inhalten nicht vollständig versagt werden dürfe.

Verbot der Gewaltsimulation in realen Spielen

Zeit für eine verfassungsrechtliche Überprüfung hatten die Initiatoren des Gesetzentwurfes in dem aktionistische Züge tragenden Entwurf auch an anderer Stelle nicht. Verboten werden nunmehr auch menschenverachtende Spiele, "die geeignet sind, die Mitspieler in ihrer Menschenwürde herabzusetzen, indem ihre Tötung oder Verletzung unter Einsatz von Schusswaffen oder diesen nachgebildeten Gegenständen als Haupt- oder Nebeninhalt simuliert wird".

Nun ist mittlerweile allgemein anerkannt, dass zur Menschenwürde auch das Recht zählt, ihren Umfang jedenfalls in Grenzen selbst zu konkretisieren. Von daher dürfte höchst zweifelhaft sein, ob in der einverständlichen Gewaltsimulation zu Spielzwecken in Laserdromes, Gotcha- und Paintballspielen ein Angriff auf die Menschenwürde zu sehen ist. Jedenfalls geht es hier nicht um Ausnahmesituationen, in denen Einzelne Beeinträchtigungen ihrer Würde ggf. auch aus einer persönlichen Zwangsituation vermarkten (Zwergenweitwurf).

Gesellschaftlich anerkannte Spiele sollen von dem Verbot nach dem Gesetzentwurf übrigens nicht erfasst sein: Beim Fechten stünde die körperliche Ertüchtigung im Vordergrund, zum Boxen äußert man sich sicherheitshalber nicht, auch für das in Bayern beliebte Fingerhakeln müsste es eigentlich knapp werden. Anders als bei Killerspielen und Paintball-Veranstaltungen werden Verletzungen bei letzteren aber auch nicht simuliert.

Uwe Jürgens ist Rechtsanwalt der internationalen Anwalts-Sozietät Lovells.