NSA-Programm für die Internetüberwachung kommt nicht voran

Der größte Geheimdienst der USA kommt aus den Schwierigkeiten nicht heraus und scheint mit der digitalen Datenflut nicht zurechtzukommen

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Seit Jahren steckt der wohl größte und am besten ausgestatte Geheimdienst, die National Security Agency, in einer Krise. In den neunziger Jahren wurden nach der Hochzeit der Geheimdienste im Kalten Krieg die Budgets zurückgefahren, während sich gleichzeitig das Glasfaserkabel, Internet und Handys durchsetzen. Allein die anschwellende Kommunikation sorgte für einen enormen Datenstrom, der weltweit explosiv zunahm und weiter wächst. Er ließ, so warnte man schon Ende der neunziger Jahre, die Überwachungskapazitäten der NSA, was Sammlung, Speicherung, Analyse und Entschlüsselung betrifft, ins Hintertreffen geraten (NSA wird von der Telekommunikationsrevolution überrollt). Schon 2000 kam es zu einem mehrtägigen Computerausfall).

Zwar floss nach dem 11.9. wieder viel Geld in die Geheimdieste – mittlerweile soll die NSA ihr Budget gegenüber 2001 auf 8 Milliarden US-Dollar verdoppelt haben -, aber von dem einst allwissenden Nimbus scheint man weit weg zu sein. Die Computerausstattung wurde aufgerüstet, aber die Stromversorgung reicht nicht aus, um weiter aufzustocken. Neue Supercomputer müssen schon ruhen und die Klimaanlagen heruntergefahren werden, um das Netz nicht zu stark zu belasten. Und wenn auch mehr Daten abgefangen und gespeichert werden können, so scheinen die Bemühungen, neue Data-Mining-Programme zu entwickeln, um die Daten zu durchsuchen und wichtige Informationen herauszufischen und zu verbinden, trotz großen Investitionen und Outsourcing nicht voranzukommen. Eingestellt wurde nach der Investition von mehreren hundert Millionen US-Dollar das Programm Trailblazer, mit dem digitale Datenflut überwacht werden sollte (Geheimdienste in der Datenflut). Auch das Modernisierungs- und Outsourcing-Programm Groundbreaker scheint in Schwierigkeiten zu stecken.

Nun berichtet die Baltimore Sun, dass ein weiteres Programm mit dem Namen "Turbulence", das 2005 gestartet wurde, ebenfalls in Schwierigkeiten steckt. Informanten aus dem Geheimdienst hätten über das geheime Projekt unter der Bedingung der Anonymität berichtet, unter anderem aus der Sorge, dass das Programm trotz aller Probleme überbewertet wird. Der seit 2005 im Amt befindliche NSA-Direktor Keith Alexander räumt dem Programm angeblich höchste Priorität ein. Nach ihm wird der "Kampf um den Cyberspace" bald beginnen und stehe die NSA an der Spitze der Bekämpfung von Terroristen im Internet.

Mit dem Programm, das jährlich die stolze Summe von bis zu 500 Millionen US-Dollar verschlingt und auf mindestens zwei Milliarden veranschlagt wird, sollte kontinuierlich das Internet nach verdächtigen Informationen durchsucht und Hinweise auf mögliche Bedrohungen an Analysten weitergegeben werden, um Gegenmaßnahmen einzuleiten. Das Programm sei so geheim behandelt worden, dass bislang nichts davon an die Öffentlichkeit gedrungen ist. Die nun mit ihrer Kongressmehrheit auch den Vorsitz der Geheimdienstausschüsse einnehmenden Demokraten schauen den von der Bush-Regierung kaum kontrollierten, aber gut mit Geld ausgestatteten Geheimdiensten genauer auf die Finger. Die Finanzierung von Turbulence taucht offenbar nirgendwo im NSA-Budget auf. Vermutlich hat man im Geheindienst getrickst, Gelder von alten Programmen, die abgestellt wurden, in das neue Programm gesteckt, das zudem auf kleinere Projekte aufgeteilt wurde, um die Kontrolle durch den Kongress zu erschweren.

Man werde die Finanzierung überprüfen, behalte aber, so John Rockefeller, der demokratische Vorsitzende des Geheindienstausschusses des Senats, die Modernisierungsprobleme im Auge. Turbulence gilt bei NSA-Mitarbeitern als eines der wichtigsten Modernisierungsprogramme, um das Internet überwachen zu können. Die globale Überwachung der digitalen Information wird nicht nur wegen der schieren Menge, sondern vor allem auch dadurch erschwert, dass diese in Datenpaketen über verschiedene Routen verschickt wird. Mittlerweile gibt es mehr als eine Milliarde Internetnutzer, die nach Schätzungen täglich mehr als 90 Milliarden E-Mails verschicken und mehr als 500 Petabytes an Internetverkehr generieren. Nach einem internen NSA-Bericht wird davor gewarnt, dass technisch versierte Gegner zunehmend die Überwachung durch den Geheimdienst verhindern können: "Wir lernen, aber andere lernen schneller."

Der NSA-Sprecher Ken White wollte Einzelheiten über die Modernisierungsinitiativen aber aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht mitteilen. Nach Informationen der Baltimore Sun soll Turbulence durch die Überwachung bestimmter Netzwerkrouten aufgrund der Erkennung bestimmter Eigenschaften verdächtige Datenpakete herausfischen oder deren Übermittlung verhindern. Teilprogramme wie Turmoil oder Traffic Thief sollen soziale Netzwerke identifizieren, in Netzwerken Programme installieren, um Daten sammeln zu können, oder Datenbanken nach Mustern durchsuchen. Das eingestellte Programm Trailblazer hatte einen anderen Ansatz verfolgt: Es sollte zunächst alle Daten aus dem Internet sammeln und sie dann durchsuchen.