Eine (teure) Rufnummer für die Arbeitsagentur

Eine einheitliche Servicenummer soll für Arbeitssuchende den Kontakt zum nächsten regionalen Callcenter ermöglichen

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In den meisten Arbeits- und Sozialagenturen ist es nicht mehr möglich, ohne Termin zu einem Sachbearbeiter zu gelangen. Doch diese Termine sind spärlich gesät und da die Sachbearbeiter mit einer Vielzahl von Kunden (wie es im Servicebereich nun heißt) stets beschäftigt sind, übernimmt die Terminvereinbarung eine zentrale Stelle. Weitergehende Auskünfte, die nur der Sachbearbeiter leisten kann, sind schwer zu erhalten – meist ist mehr als eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter des Sachbearbeiters nicht möglich, um in direkten Kontakt mit seinem „Casemanager“ zu treten. Erreicht man diesen doch einmal direkt, lassen Akten- und Informationssuche den Anruf nicht selten zur halbstündigen Angelegenheit werden. Diese Problematik dürfte sich auch durch die ab März geltende einheitliche Rufnummer der Bundesagentur für Arbeit nicht lösen lassen, die Nummer schafft letztendlich mehr neue Probleme für die Arbeitssuchenden.

Mit der neuen 01801-Servicenummer folgt man seitens der Bundesagentur dem Weg, den man schon beim Thema Kindergeld beschritten hat. Doch hier konnte man sich noch über allgemeine Aspekte wie Auszahlungstermine zum Ortstarif informieren, individuelle Auskünfte kosteten aber 4,6 Cent pro Minute, sofern man von einem Festnetztelefon aus seine Auskunft wünschte. Vom Mobiltelefon aus war dies vom jeweiligen Provider abhängig. Bei der ab März geltenden Nummer für Arbeitssuchende gibt es dagegen auch für allgemeine Auskünfte wie Öffnungszeiten usw. keinen Ortstarif mehr, pro Minute sind vielmehr 3,6 Cent zu zahlen – ega, welcher Art die Anfrage ist.

Während der „verbesserte Service“, der durch ein intelligentes Netz den Fragenden gleich an das richtige Callcenter weiterleitet, für die Arbeitsagentur im Mittelpunkt steht, ist dieser Service gerade für diejenigen, die auf Arbeitslosengeld II (HartzIV) angewiesen sind, eine negative Entwicklung. Da des öfteren Anrufe notwendig sind, um z.B. einen ein- oder mehrtägigen Urlaub genehmigen zu lassen, nach der ausbleibenden Zahlung oder dem Eingang eines abgesandten Schreibens zu fragen oder andere Unstimmigkeiten zu klären, sind diese Anrufe nun ein weiterer Kostenfaktor geworden, die nicht mehr von der Telefonflatrate abgedeckt sind, welche viele auf Kostengründen in Anspruch nehmen.

Verzicht ist für die Arbeitssuchenden unumgänglich

Der Regelsatz in Höhe von 345 Euro enthält einen für (Tele)kommunikation angedachten Richtwert in Höhe von 22,36 Euro je Monat. Dieser dürfte normalerweise schon mit den vorgeschriebenen Kosten für Bewerbungen erschöpft sein, welche erst im Nachhinein erstattet werden (was schon einmal einige Monate dauern kann).

Doch auch ohne Bewerbungen reichen diese Kosten nicht einmal für die Telefonflatrate, von einem zusätzlichen Internetzugang ganz zu schweigen. Wer also sowohl auf Internet als auch auf das günstige Telefonangebot nicht verzichten will, sieht oft genug in einer kombinierten Flatrate eine ideale Möglichkeit – die mit zwischen 40 und 60 Euro im Monat zu Buche schlägt, so dass dann an einem anderen Posten des knapp bemessenen Regelsatzes gespart werden muss. Nun kommen also für den Betroffenen noch die Kosten für unumgängliche Gespräche mit der Arbeitsagentur hinzu – 3,6 Cent pro Minute mögen sich sehr gering anhören, sind angesichts der oft langen Wartezeiten und der Höhe des Regelsatzes im allgemeinen für den Betroffenen nicht wenig. Nicht selten ergibt der so nun verteuerte Anruf lediglich, dass z.B. bei Optionskommunen die auszahlende Stelle (Sozialamt) keine weiteren Auskünfte bieten kann, da alle anderen Informationen bei der Sozialagentur liegen.

Aufs Handy umgestiegen? Pech gehabt!

Wer, um Kosten zu sparen, auf Handy umgestiegen ist und sich den Festnetzanschluss erspart, der ist dank des neuen Services finanziell noch stärker betroffen. O2-Kunden beispielsweise, die bisher die Homezone des Genion S Tarifes nutzten, um ihre Gespräche mit der Arbeitsagentur zu führen, können sich dank der jüngsten Preiserhöhung für Sonderrufnummern auf eine Erhöhung von 66 Cent pro Minute einrichten (vorher 3 Cent, ab März 69 Cent). Eine Übersicht der Seite teltarif.de zeigt (Stand 11/2006) die Kosten, die bei den verschiedenen Providern für die Inanspruchnahme von Sonderrufnummern entstehen.

Ob der verbesserte Service tatsächlich eine Qualitätssteigerung (kürzere Wartezeiten, schnellere Information, bessere Erreichbarkeit der Sachbearbeiter usw.) mit sich bringt, kann erst ab März bewertet werden. Inwiefern sich aber nur durch das „intelligente Netz“ eine solche Qualitätssteigerung überhaupt erwirken lässt wird, bisher von der Bundesagentur für Arbeit nicht beantwortet. Fest steht, dass gerade jene, die seit der Einführung des Arbeitslosengeldes II, welches noch unterhalb des in Deutschland geltenden Existenzminimums liegt, nunmehr für alle offenen Fragen rund um ihre Sozialleistungen noch einmal zur Kasse gebeten werden. Doch gerade diese offenen Fragen mehren sich - und dank fehlerhafter Software und verzögerten Zahlungen ist die Frage nach dem voraussichtlichen Eingang der Zahlung für viele Betroffene bereits zur leidigen Routine geworden.

Hier zeigt sich einmal öfter der Zynismus einer Arbeitslosenverwaltung, die kaum Arbeit anbieten kann, welche einen angemessenen Lebensunterhalt ermöglicht (Zitat: Aber „700 Euro brutto sind doch gutes Geld für einen Vollzeitarbeitsplatz“), jedoch jederzeit die ohnehin zu knapp bemessene Leistung kürzen kann und dann dem ohnehin am Rande der Armutsgrenze lebendem Betroffenen Information und Hilfe nur noch gegen Geld anbietet. Aber natürlich, heißt es von der Seite der Arbeitslosengeld II-Befürworter, kann der Arbeitssuchende ja auch zu Fuß oder per Fahrrad die Arbeitsagentur aufsuchen – Zeit genug hat er ja. Und so spart er dann auch das Geld für die öffentlichen Verkehrsmittel, denn hierfür bietet der Regelsatz als Richtwert ebenfalls ca. 20 Euro an (worin übrigens die Anschaffungs- und Reparaturkosten für das Fahrrad enthalten sind).

Für die Arbeitsagenturen würde sich insofern dann jede weitere Verschlimmbesserung der ohnehin schon kaum mehr zu verstehenden Richtlinien rund um die ALGII-Gesetzgebung zumindest finanziell auszahlen. Vielleicht nimmt man sich ja auch ein Beispiel an den Finanzämtern und gibt verbindliche Auskünfte demnächst auch nur noch gegen eine Mindestzahlung ab. Die ohnehin stets überlasteten Sachbearbeiter würden sich sicherlich freuen, wenn sie weniger Arbeit durch anfragende Kunden hätten. Und die Betroffenen, dies kann man an den wenigen Reaktionen auf diese „Servicenummer“ sehen, haben sich oft längst mit ihrem Schicksal abgefunden und würden selbst eine solche Gesetzesänderung nur noch mit einem „Das wundert mich nicht, aber was kann man tun?“ kommentieren. „Einem Nackten kann man nicht in die Tasche greifen“, heißt es im Volksmund. Es scheint als seien Arbeitslosengeld II-Bezieher noch nicht nackt oder gläsern genug, denn für den Griff in die Tasche reicht es noch.