Wachsendes Sicherheitsrisiko für Israel und die USA

Die Hisbollah im Libanon hat sich aufgerüstet und baut neue Stellungen und Bunker aus

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In den vergangenen Februar kam es an der Grenze zwischen Israel und Libanon mehrfach zu bewaffneten Zwischenfällen. Es waren jedoch nicht Hisbollah-Kämpfer, sondern reguläre libanesische Truppen, die auf israelische Kampfjets und Bulldozer schossen, die libanesisches Hoheitsgebiet verletzt hatten. In der Pufferzone zwischen Israel und dem Libanon zeigt Hisbollah kaum Präsenz. Die schiitische Guerilla-Bewegung rüstet militärisch außerhalb des von UN-Truppen und libanesischer Armee kontrollierten Gebiets auf und bereitet der israelischen Führung sowie der USA neue Kopfschmerzen.

Hisbollah-Anhänger in Beirut. Bild: A. Hackensberger

Im Januar hatte bereits John Negroponte in seinem Bericht über die globalen Bedrohungen der Hisbollah als „wachsende Gefahr“ bezeichnet. Nun bestätigte auch sein Nachfolger, Michael McConnell, diese Einschätzung. Der Ex-Vizeadmiral, der erst seit einer Woche Director für National Intelligence ist, stufte die libanesische Organisation als Sicherheitsrisiko ein. Sollte sich Hisbollah in ihrer Existenz bedroht fühlen oder ein Angriff auf ihren Verbündeten Iran stattfinden, könnte es gut möglich sein, dass „Attacken auf die Interessen der USA durchgeführt werden“. Im Irak sei dies schon der Fall, so McConnell. „Wir glauben, dass Hisbollah am Training von Extremisten beteiligt ist.“

Mitte Februar hatte das US-Finanzministerium bereits beschlossen, alle Konten von Jihad al-Bina, einer libanesische Baufirma einzufrieren und alle Kontakte mit US-Partnern zu verbieten. Das Unternehmen ist am Wiederaufbau vorwiegend im Südlibanon beteiligt. „Jihad al-Bina erhält finanzielle Mittel direkt aus dem Iran, wird von Hisbollah-Mitgliedern geführt und vom Hisbollah-Schura-Rat, dem Generalsekretär Hassen Nasrallah vorsteht, überwacht“, hieß es in einer Mitteilung des US-Ministeriums.

Hisbollah ist stärker als vor dem Krieg

In Israel kümmert man sich wenig um Baufirmen im Libanon, die im zivilen Sektor tätig sind. Politiker und Geheimdienstler sind über den militärischen Wiederaufbau von Hisbollah besorgt. In den letzten zwei Monaten hatten israelische Militärpatrouillen im Grenzgebiet zum Libanon mehrfach Waffen gefunden. Darunter fünf im Boden versteckte Bomben, wie sie gegen Militärfahrzeuge eingesetzt werden. Premierminister Ehud Olmert hielt deswegen Anfang Februar eine Sondersitzung ab, an der Verteidigungsminister Amir Peretz, Vertreter der Armee und Geheimdienstes teilnahmen.

Wenige Tage nach dem Treffen erklärte Amir Peretz, Israel habe das Recht mit Gewalt gegen die Aufrüstung Hisbollahs und die Waffenlieferungen aus Syrien vorzugehen. Auch der neue Armeechef Gabi Ashkenazi ist der Überzeugung, dass Israel Hisbollah daran hindern müsse, ihre Kapazitäten auszubauen. Am Rande eines Manövers in den Golan Höhen erklärte Ashkenazi, dass man den Waffenschmuggel sorgfältig beobachte und darauf natürlich reagieren müsse. Eine verständliche Haltung aus der Sicht eines israelischen Militärs. Nur ein gewaltsames Eingreifen dürfte nicht so einfach sein. Wie der Chef des militärischen Geheimdienstes Yossi Beidatz dem Verteidigungskomitee des israelischen Parlaments mitteilte, „ist Hisbollah heute stärker, als vor dem Krieg“.

Die Waffenfunde im Grenzgebiet dürften der israelischen Armee und dem Geheimdienst weniger Kopfzerbrechen bereiten. Viele Bunker wurden von den stationierten UN-Truppen entdeckt und von der Libanesischen Armee zerstört. „In diesem Gebiet gab es bisher keinen Waffenschmuggel“, sagt Milos Strugar, Chef-Berater der 12.000 Mann starken UNIFIL-Truppen. Sicherlich existieren noch einige wenige, unentdeckte Stellungen und Waffenlager, auch neue Bunker werden ungeachtet der UN-Soldaten in schiitischen Dörfern entlang der Grenze gebaut.

Hisbollah jedoch arbeitet an einer zweiten, wesentlich stärkeren Verteidigungs- und Angriffslinie, die für Israel wesentlich bedrohlicher sein dürfte. Im Norden des Litani-Flusses, der die Grenze der von UN-Soldaten kontrollierten Pufferzone markiert, sei der Bau neuer Anlagen längst im vollen Gange. In einem Gebiet, in dem vermutlich bereits während des Krieges Raketen Richtung Israel abgeschossen wurden.

Bewohner und UN-Soldaten bestätigten, dass dort neue Stellungen gebaut werden und ein reger LKW-Verkehr herrscht. Ganz offiziell wollte der Sprecher der UNIFIL-Truppen dies allerdings nicht sagen. Hisbollah soll ebenfalls große Landflächen in diesem Gebiet aufkaufen. „Mehr als zwei Millionen Quadratmeter“ habe ein Strohmann der Miliz von ansässigen Christen und Drusen gekauft.

Hisbollah-Chef Nasrallah ist im Libanon einflussreich. Bild: A. Hackensberger

Für eine veränderte Taktik werden neue Sicherheitsanlagen gebaut

Der Aufbau einer zweiten oder sogar einer dritten Befestigungslinie wäre kein Wunder. Für einen weiteren bewaffneten Konflikt braucht Hisbollah eine größere Flexibilität, aber auch sicherere Stellungen für ihre Raketen. Normale Katyuscha-Raketen werden für Israel bald keine Bedrohung mehr sein.

Für das Jahr 2008 ist die Inbetriebnahme eines neuen Raketenabwehrsystems geplant, das Katyuscha-Raketen, selbst in großen Mengen abgeschossen, unschädlich machen soll. Das Zauberwort ist „Mobile Tactical High Energy Laser“ (MTHEL, der im Auftrag des israelischen Verteidigungsministerium und des „Space and Missile Defense Command“ der USA produziert wird. 1996 hatten die ersten Arbeiten begonnen, im Jahr 2000 gab es die ersten erfolgreichen Tests (Fortschritte bei Laserwaffe). Israelische Truppen sollen davon mobile Stellungen, die pro Stück 25 Millionen Dollar kosten, im nächsten Jahr erhalten. Das Problem dabei ist nur, dass MTHEL nur gegen Katyuscha-Raketen wirklich nützlich ist. Langstreckenraketen vom Typ Fajr-5 mit einer Reichweite von 70 Kilometern, die Hisbollah während des letzten Kriegs im Sommer 2006 einsetzte, kann das neue israelische Waffensystem nicht abfangen. (Raketenabwehr und Riesendrohne) Ganz zu schweigen von Fateh-110 oder Zelzal-2, Raketentypen von iranischer Bauart mit über 200 Kilometern Reichweite.

Nach dem überraschendem Einsatz verschiedener neuer Raketen während des Krieges mit Israel hält niemand mehr die Aussage von Hisbollahs Generalsekretär Hassan Nasrallah für Propagandafloskeln. „Wir haben Waffen aller Art und Quantitäten. So viele ihr nur wollt. Wir bekämpfen unseren Feind nicht mit Holzschwertern.“ Nasrallah sagte dies, nachdem die Libanesische Armee vor etwa drei Wochen einen Lastwagen voll Waffen, die in den Süden transportiert werden sollten, beschlagnahmte. Er bot der Armee gleichzeitig an, sie mit Waffen aller erdenklichen Art auszustatten.

Hisbollah scheint der israelischen Armee erneut einen Schritt voraus zu sein. Beim Manöver in den Golan Höhen wurden Szenarien von den vergangenen Auseinandersetzungen mit Hisbollah nachgestellt. Es soll aus den Fehlern gelernt werden. Für Amir Peretz, dem Verteidigungsminister, waren dies die bedeutendsten militärischen Übungen der letzten fünf Jahre.

Ob sie tatsächlich so bedeutungsvoll sind, wird sich erst in einem neuen Konflikt mit Hisbollah beweisen. Man kann aber jetzt schon sicher sein, dass sich die schiitische Miliz auf ein ähnliches Guerilla-Szenario wie im letzten Sommer so nicht mehr einlassen wird. Der Bau neuer Verteidigungslinien lässt darauf schließen. Mit neuen unterirdischen Bunkersystemen wird versucht, den Einsatz ihrer Langstreckenraketen auch im Kriegsfall unter schwerem flächendeckendem Bombardement zu gewährleisten. Raketen auf Israel, unter Umständen bis nach Tel Aviv, wie Hassan Nasrallah bereits letzten Sommer angedroht hatte, sind Hisbollahs wichtigste Trumpfkarte. Die Miliz wird alles nur Erdenkliche tun, um sich diesen Vorteil nicht nehmen zu lassen. Schließlich kann davon ihre Existenz abhängen.

Michael McConnery, der Direktor des nationalen US-Geheimdienstes hatte ganz richtig Hisbollah als Gefahr amerikanischer Interessen bezeichnet. In einer Auseinandersetzung mit dem Iran oder einem erneuten Angriff gegen Hisbollah ist die libanesisch-israelische Grenze eine Sicherheitslücke. Sheik Naim Quassem, der Vize-Generalsekretär von Hisbollah, versicherte allerdings in einem Interview, dass man bei einem Angriff auf den Iran nicht reagieren würde. Sollte Israel allerdings die Situation ausnützen wollen und erneut Hisbollah angreifen, werde man „definitiv“ antworten. „Der Widerstand unternimmt alle notwenigen Schritte um einsatzbereit zu sein“. Man habe aus dem Krieg Lehren gezogen und passe sie den Gegebenheiten der neuen Realität an.