Spaniens Handynutzer im Streik

Protest gegen gleichzeitige Preiserhöhung der Anbieter, die einen Sieg der Konsumenten gegen das lukrative Aufrunden mehr als zunichte machen sollen

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Die drei großen Mobilfunkanbieter in Spanien haben gleichzeitig heute die Preise erhöht, um Gewinnausfälle auszugleichen. Denn nun ist das bisher übliche lukrative Aufrunden verboten. So wurden heute die Preise für den Gesprächsaufbau um 25 % angehoben. Erstaunlich ist, wie die Regierung zuschaut, wenn die die drei großen Anbieter gemeinsam ein neues Gesetz aushebeln, das auf Druck der Konsumenten erlassen wurde.

"Das angerufene Handy ist derzeit nicht erreichbar." Diese Nachricht wurde heute in Spanien von den drei großen Mobilfunkanbietern so oft wie nie zuvor Anrufern durchgesagt. Grund ist ein Handystreik, zu dem Konsumentenvereinigungen, Gewerkschaften und Vereinigungen von Netizen aufgerufen haben. "Apaga" (Schalte ab), heißt es auf der offiziellen Webseite der Boykotteure, die auch diesen zweiten Streiktag angeregt haben.

Viele Menschen haben ihr Handy nicht eingeschaltet, andere benutzen es nur in dringenden Fällen. Der Protest richtet sich gegen die großen Mobilfunkanbieter Movistar, Vodafone und Orange, die zeitgleich die Gebühren angehoben haben. Die Gebühr für den Gesprächsaufbau, die es in Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern nicht gibt, wurde heute gleichzeitig um 25 % von 12 auf 15 Cent angehoben. Die Preise für die Gespräche steigen zusätzlich zwischen 12-17 Prozent, je nach Anbieter und Vertrag.

Der Grund dafür ist, dass die Mobilfunkanbieter die Gewinnausfälle neutralisieren wollen, die ihnen das "Gesetz zur Verbesserung des Konsumentenschutzes", dass am 21. Dezember vom Parlament beschlossen wurde, bescheren sollte. Mit dem Gesetz wurde das lukrative Aufrunden der Gespräche ab dem 1. März verboten. Denn neben der Gebühr für den Gesprächsaufbau haben die Mobilfunkbetreiber auch viel Geld über das Aufrunden gescheffelt. Die Telefonica Moviles, mit 21 Millionen Kunden größter Anbieter, rechnete bisher im Takt von 30 Sekunden ab. Orange rechnete zwar sekundengenau ab, aber erst nach der ersten Minute, auf die stets aufgerundet wurde.

Nach dem neuen Gesetz müssen nun alle Gespräche sekundengenau, von der ersten Sekunde an, abgerechnet werden. Da die Firmen nur ungern auf Einnahmen verzichten, hoben sie in trauter Einigkeit ihre Gebühren an. Das sei eine abgesprochene Aktion, die gegen das Kartellrecht verstoße, klagen deshalb Konsumentenschützer. Nach deren Einschätzungen wird der Ausfall wohl sogar mehr als kompensiert. Die Ausbanc hat errechnet, dass die Erhöhung den Firmen nun insgesamt 770 Millionen Euro mehr in die Kassen spülen wird.

Die sozialistische Regierung schaut zu, wie ihr Gesetz auf derart dreiste Art und Weise ausgehebelt wird. Der Industrieminister Joan Clos erklärte noch letzte Woche, es sei nicht die Aufgabe der Regierung, dagegen vorzugehen. Angesichts des gesellschaftlichen Drucks hat sich Clos aber heute sogar dem Streik angeschlossen. Er will das Handy so wenig wie möglich nutzen und nun Berichte der Regulierungsbehörde abwarten. Der zweite Streiktag wurde wesentlich stärker befolgt als der erste am 6. Februar. Die Telefonfirmen behaupten, der erste Streik sei praktisch nicht feststellbar gewesen, weshalb sie dem neuen Protest gelassen entgegen sehen.

Dabei haben es die Telefonfirmen alles andere als nötig, diese Einbußen zu neutralisieren. Der ehemalige Staatsmonopolist Telefonica hat seinen Gewinn im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 40 % auf 6,2 Milliarden Euro gesteigert. Das gab die Firma ausgerechnet an dem Tag bekannt, an dem sie von ihrer Kunden angegriffen wird. Seine quasi Monopolstellung hat die Firma mit Duldung der Regierung auch jahrelang eingesetzt, um die Internetnutzer zu schröpfen (Spanien verliert bei Internetnutzung weiter an Boden).