Pogo im Heiligen Land

Deutsche Bischöfe in Israel: Punk ist nicht tot, er zieht sich nur komisch an

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Sid Vicious von den Sex Pistols hat es seinerzeit vorgemacht: Wenn nichts mehr geht, bringen rechte Symbole und Sprüche immer noch passable Aufmerksamkeitswerte. Christlich orientierte Punx greifen die Tradition auf.

So zum Beispiel die außergewöhnliche Punk-Bigband Deutsche Bischofskonkferenz, die immer wieder nicht nur durch ihre Größe (über 70 Mitglieder!) und ihre seltsame Kleiderordnung auffällt, sondern auch durch die politischen Äußerungen ihrer Mitglieder. Eine handverlesene Abordnung der Combo (der sog. "Ständige Rat"), ließ es bei seiner jüngsten Israeltour so richtig krachen. Nach einigen Gigs in Yad Vashem und im Westjordanland liefen Mitglieder des "Ständigen Rats" zu ganz großer Riot-Form auf. Besonders der Sperrzaun, mit dem Israel die Grenze zum Westjordanland sichern will, hatte es dem "Ständigen Rat" angetan. Den Anfang machte Leadgitarrist Gregor Maria Hanke, der seine Homebase sonst in Eichstätt hat:

Morgens in Yad Vashem die Fotos vom unmenschlichen Warschauer Ghetto, abends fahren wir ins Ghetto in Ramallah. Da geht einem doch der Deckel hoch.

Bassmann Joachim Meisner, nie um flotte Sprüche und historische Vergleiche verlegen, schlug in die gleiche Kerbe:

Dass ich so was in meinem Leben noch mal sehen muss, das hätte ich nicht gedacht. (...) Diese Mauer wird fallen wie die Berliner Mauer auch.

Schlagzeuger Walter Mixa, der neulich erst mit ein paar trockenen Bemerkungen gegen die Politik der Familienministerin von der Leyen am Start war (vgl. Kampf der Krokodile), scheint Gefallen am Medienrummel gefunden zu haben und war in Israel jetzt um street credibility bemüht. Er unterstützte seinen Leadgitarristen: Die Palästinenser im Westjordanland lebten in einer "ghettoartigen Situation", das "sei schon fast Rassismus".

Dazu kann man nur sagen: Respekt! Die Deutsche Bischofskonferenz gehört zur Musikabteilung einer Organisation, die angesichts ihres Verhaltens während der Nazizeit noch Einiges aufzuarbeiten hätte. Wer denkt in diesem Zusammenhang nicht an das Reichskonkordat, die aktive Teilnahme in Kroatien, die Unterdrückung von Leuten aus den eigenen Reihen, die nicht mitmachen wollten (vgl. Ein Mann der Kirche), oder die Begünstigung der Täter im Nachhinein?

Unter diesen Voraussetzungen dem israelischen Staat vorzuwerfen, seine Verteidigungsmaßnahmen seien mit dem Warschauer Ghetto zu vergleichen, zeugt von einer Frechheit, die nur echte Hardcore-Punx aufbringen. Das Kennzeichen solcher Frechheiten ist ja immer, dass den Adressaten zunächst die Luft wegbleibt, bevor sie zu schreien anfangen, um an der eigenen Wut nicht zu ersticken. Unter diesem Aspekt war die Israeltour der deutschen Punk-Bischöfe ein voller Erfolg. Was jetzt nicht so gut kommt, sind irgendwelche Entschuldigungen, die keiner glaubt und die niemanden interessieren.

Rock'n Roller entschuldigen sich nicht, sie drehen die Anlage auf. Die Bischöfe müssen vielleicht an anderer Stelle vorsichtig sein: Wie das bei echten Punkrockern immer der Fall ist, verfügen sie nur über ein kleines Repertoire. Wenn sie weiter in dem Tempo ihr Pulver verschießen, kann es sein, dass sie bald schon ihre allerletzte Zugabe anspielen müssen, um das Pogo-Publikum bei Laune zu halten: den christlich-antisemitischen Evergreen von den Juden, die ja Jesus ans Kreuz gebracht haben.