Erpresservideos als Marketingstrategie

Terrorexperte Tophoven zu ideologisch-religiösen Terrorismus / Sicherheits- Tagung in Tutzing

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Die „Symbiose zwischen „Laptop und Kalaschnikow“, zwischen „High-Tech und Mechanik“ und das Internet als Kommunikationsmittel und Universität, so beschreibt der Terrorismus-Experte Rolf Tophoven die Kennzeichen des heutigen „ideologisch-religiösen Terrorismus“. Anders als der inzwischen nicht mehr existente „sozialrevolutionäre Terrorismus“ der 1970er Jahre sei der heutige Terrorismus international und nicht mehr national begrenzt und der Name Al-Qaida auch zu einem medialen Markenzeichen geworden. Seit dem Verschwinden der Taliban-Elite aus Afghanistan hätten die Terroristen den Cyberspace erobert. Videobotschaften , die über das Internet und dem arabischen Fernsehsender Al-Dschasira verbreitet werden, seien mittlerweile eine Art Marketingstrategie.

Ziel des Terrorismus sei, wie das jüngste Erpressungsvideo aus dem Irak zeigt, Einfluss auf Entwicklungen zu nehmen (etwa den Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan zu fordern). Tophoven (vom privaten „Institut für Terrorismusforschung und Sicherheitspolitik“, Essen) hatte am vergangenen Wochenende an einer Tagung der Akademie für politische Bildung in Tutzing (Bayern) zum Thema „Sicherheit - ein deutsches Grundbedürfnis“ teilgenommen.

Tophoven, der den Krieg im Irak als „größten Brandbeschleuniger des Terrorismus“ kritisiert, zeigte höchste Bedenken, dass bei dem nun beschlossenen Einsatz von Tornado-Aufklärungsflugzeugen der Bundeswehr in Afghanistan es nur bei der Aufklärung bleiben werde. Wenn auch Zieldaten über die Taliban gesammelt würden, wäre dies klar ein Kampfeinsatz. Noch sei Deutschland keine bevorzugte Zielscheibe des internationalen Terrorismus, dies könne sich aber durch den Bundeswehreinsatz in Afghanistan und Libanon ändern, Anschläge seien nicht auszuschließen. Die Sicherheitsbehörden seien aber „gut aufgestellt“.

Die Bezeichnung „Krieg gegen den Terrorismus“ lehnte Tophoven dabei ab: Das sei eine unangemessene Aufwertung. Er spreche lieber von Einsätzen gegen den Terrorismus. Der Einsatz der Armee aber mache keinen Sinn, wie das Beispiel Libanon zeige. Die israelische Armee und ihre Luftwaffe habe die Hisbollah nicht besiegen können. Wichtig sei das Erkennen der Ursachen für den Terrorismus - zum Beispiel die schlechten Lebensbedingungen der Palästinenser - Armut allein aber sei nicht die Ursache.

Tophoven unterschied in seinem Vortrag zwischen der klassischen Guerilla und dem Terrorismus. Während es der Guerilla um die Besetzung des Raumes gehe (wie zum Beispiel in Vietnam), gehe es dem Terrorismus um die Besetzung des Denkens. Kennzeichen des Terrorismus sei die anhaltende Ausübung von Gewalt (es bleibt nicht bei einem Anschlag). Diese Gewalt ist geplant und nicht spontan, sie ist politisch motiviert. Ihr Ziel sei, die Handlungen des Gegners zu beeinflussen, nicht aber in allen Fällen sich an die Stelle des Gegners zu setzen. Wie kann man den Terrorismus bekämpfen? „Indem wir uns weigern, das zu tun, was sie verlangen“, so die Antwort des Terrorismus-Experten.

Eine Absage erteilte Tophoven der Gefährdung durch Atombomben in der Hand von Terroristen: „Das wird es nicht geben.“ Realisierbarer wäre die Sprengung einer „schmutzigen Bombe“, bei der radioaktive Strahlung freigesetzt würde. Aber dies sei unwahrscheinlich, der Effekt für die Täter nicht berechenbar (zum Beispiel die Windrichtung). Außerdem würde ein derartiger Anschlag nicht in das Schema der terroristischen Attentate passen: „Wenn Menschen dann in drei Jahren an Krebs sterben, ist das nicht medienwirksam.“

Der „ideologisch-sozialrevolutionäre Terrorismus“ zum Beispiel der RAF oder anderer national agierender Gruppen wie der „Action direct“ in Frankreich sei, so Tophoven, heute nur noch eine „Fußnote der Geschichte“ und nicht mehr existent. Dies auch weil die „Anlehnungsmacht“ UdSSR weggebrochen sei. Verglichen mit der heutigen Bedrohung, was Zerstörungspotenzial und internationale Vernetzung anbelange, sei der Terror damals wie „Peanuts“ gewesen.

In einem weiteren Beitrag zur Sicherheits-Tagung legte Kriminaldirektor Axel Brockmann vom Landeskriminalamt Niedersachsen in einer Skizze zur Sicherheitslage ebenfalls den Schwerpunkt auf die Bekämpfung des internationalen Terrorismus, Deutschland sei Teil eines „Gefahrenraumes“. Es gäbe Strukturen und Personen, die Anschläge durchführen könnten. Bei der Bekämpfung des Terrorismus habe die Bedeutung des Computers stark zugenommen, es gebe eine „Radikalisierung durch das Internet“. Brockmann begrüßte in diesem Zusammenhang die Klärung der Rechtslage bei so genannten „Online-Durchsuchungen“, also dem verdeckten Zugriff der Sicherheitsbehörden auf private Computer.

Beim Rechts - wie Linksterrorismus gebe es hingegen „keine Ansätze für terroristische Strukturen“. Allerdings wachse in der rechtsextremen Szene die Gewaltbereitschaft und es sei eine Zunahme der Gewaltdelikte zu verzeichnen. Im Mittelpunkt stehe die Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner.

In einem Diskussionsbeitrag warnte die Ex-Bundesjustizministerin und bayerische FDP-Vorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, es sei ein alarmierendes Zeichen, dass zunehmend das Bundesverfassungsgericht „als letzter Anker“ die Bürgerrechte schützen müsse. Die Privatheit sei ein wichtiges Gut und die Politik müsse sorgsam über den Spagat zwischen Sicherheitsbedürfnissen und Bürgerrechten wachen.