Gericht: Die Überprüfung von Millionen Kredikarten war rechtmäßig und keine Rasterfahndung

Das Amtsgericht wies die Beschwerde von Rechtsanwalt Udo Vetter zurück, der im Telepolis-Gespräch erklärt, weitere Rechtsmittel einlegen zu wollen

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Das Amtsgericht Halle hat die vom Rechtsanwalt Udo Vetter eingereichte Beschwerde gegen die umstrittene Kreditkartenüberprüfung (Generalverdacht gegen alle Kreditkartenbesitzer) im Rahmen der Suche nach Kunden einer Website mit kinderpornografischem Material zurückgewiesen. Damit ist für den Rechtsanwalt die Sache aber keineswegs erledigt, vielmehr sind weitere Rechtsmittel bereits angedacht. Was bei der Angelegenheit verwirrt: Auch Udo Vetter erfuhr von der Zurückweisung erst durch die Medien. Erst heute wurde ihm – nach dem Gespräch mit Telepolis - der Beschluss über die Rechtmäßigkeit des Ermittlungsverfahrens „Mikado“ mitgeteilt. Diese sei verhältnismäßig gewesen, es habe sich um keine Rasterfahndung gehandelt und es sei ein Anfangsverdacht vorgelegen, wenn auch auf biedrigster Verdachtstufe.

Das Amtsgericht Halle hat die von Ihnen eingereichte Beschwerde gegen die Überprüfung von Kreditkartennutzern zurückgewiesen. Der MDR hatte zunächst darüber berichtet, dann wurde die Nachricht beispielsweise auch von Heise Online aufgegriffen. Sie selbst haben laut Ihrem Blog erst nach der Presse von der Entscheidung erfahren.

Udo Vetter: Es gehört zu den Grundsätzen des fairen Verfahrens, dass Betroffene den Inhalt von Beschlüssen vor der Presse erfahren. Zumindest sind sie zeitgleich zu unterrichten. In mehr als zwölf Jahren Tätigkeit als Strafverteidiger habe ich es auch noch nicht erlebt, dass gegen diese an sich selbstverständliche Gepflogenheit verstoßen wurde. Sollte dies im vorliegenden Fall bewusst anders gehandhabt worden sein, muss man das zur Kenntnis nehmen und seine Schlüsse ziehen. Aber in erster Linie geht es um die Sache, nicht um die Auffassung einzelner Richter vom Umgang mit Recht suchenden Bürgern. Ich will die Angelegenheit also nicht überbewerten.

Liegt Ihnen die Begründung des Urteils denn mittlerweile vor?

Udo Vetter: Nein, auch einen Tag nach dem Bericht über den Beschluss gibt es kein Lebenszeichen aus Halle. Ich habe noch am Montagnachmittag ein Fax geschickt und darum gebeten, mir den Beschluss zu übersenden. Am heutigen Dienstag haben ich und andere Antragsteller versucht nachzufragen. Weder die Geschäftsstelle des Gerichts noch der Richter selbst waren erreichbar.

Bei einer der auf die Kreditkartendurchsuchung folgenden Hausdurchsuchungen war ein Kamerateam dabei und verfolgte die Durchsuchung live, gefundene Bilder wurden demonstrativ in die Kamera gehalten.

Udo Vetter: Es gab von Dritten eine Strafanzeige gegen das Fernsehteam sowie gegen die Ermittlungsbeamten. Ihnen wurde vorgeworfen, durch das Abfilmen der Bilder selbst Kinderpornografie zu verbreiten. Die Staatsanwaltschaft Halle hat das Verfahren wegen fehlenden Anfangsverdachts eingestellt. Angeblich sollen die Bilder bereits bei der Aufnahme an Ort und Stelle verpixelt worden sein. Ob das zutrifft, weiß ich nicht.

Sicherlich kann man es bedenklich finden, dass ein Boulevardsender nicht nur Ermittlungen anstößt, sondern diese dann auch noch "exklusiv" begleiten darf. Aber letztlich entscheidet jede Behörde selbst, welche PR für sie zuträglich ist. Ich möchte mich lieber mit den Sachfragen befassen, die Mikado aufwirft.

Viele sehen den Begriff Rasterfahndung für die Maßnahme als falsch an da man ja nicht ein Raster verwendet habe sondern an Hand eines klaren Profils nach Tätern gesucht habe. Oft taucht der Vergleich mit einem PKW auf, der zum Banküberfall genutzt wurde, und den man nun mittels einer Abfrage von Zulassungsdaten zu ermitteln versucht.

Udo Vetter: Eine Rasterfahndung im Sinne des § 98a Strafprozessordnung liegt vor, wenn personenbezogene Merkmale (hier der Umstand, Kreditkartenbesitzer zu sein) mit anderen Daten abgeglichen werden, die auf den Täter wahrscheinlich zutreffen (Zahlungsbetrag, Weiterleitung des Geldes an eine bestimmte Verrechnungsstelle). Nichts anderes ist hier geschehen. Deshalb hätte ein Richter gefragt werden müssen. Und dieser hätte die Fahndung nicht genehmigt, weil die Voraussetzungen einer Straftat von erheblichem Gewicht nicht vorlag und die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt war.

Wer die Rasterfahndung verneint, liest Dinge ins Gesetz, die dort so nicht stehen. Er verkennt auch, dass bei Mikado noch nicht einmal ein konkreter Tatverdacht gegen bestimmte Personen vorlag. Es gab lediglich die Spekulation, es könnten auch Deutsche dieses Internetangebot nutzen. Beim Beispiel mit dem Pkw gibt es eine Straftat. Die Zulassungsdaten werden auch gerade zu dem Zweck gesammelt, um derartige Ermittlungen zu ermöglichen. Überweisungen gehören dagegen zum privaten Lebensbereich. Für mich macht es schon einen Unterschied, ob auf öffentliche Register oder auf höchstpersönliche Daten zugegriffen wird.

Unabhängig von der noch ausstehenden Begründung: Werden Sie nach der Zurückweisung der Beschwerde weitere Rechtsmittel einlegen oder ist die Angelegenheit damit für Sie erledigt?

Udo Vetter: In meinem Fax vom gestrigen Tag habe ich gegen den mir bislang unbekannten Beschluss Beschwerde eingelegt. Über diese Beschwerde wird das Landgericht entscheiden. Sollten wir auch dort kein Recht bekommen, bleibt eine Verfassungsbeschwerde. Neben mir sind auch weitere Antragsteller entschlossen, die Sache höchstrichterlich klären zu lassen.