Virtuelle Touristenklasse

Computerarbeit erhöht das Thromboserisiko

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Was bisher nur für Billigflüge und längere Autofahrten bewiesen war gilt auch für Computerarbeit: Sie erhöht das Thromboserisiko erheblich, wie Wissenschaftler am Medical Research Institute im neuseeländischen Wellington herausfanden.

Gesundheitsrisiko Computerarbeitsplatz

Ein „Thrombus“ ist ein Blutgerinnsel das sich in einer Vene bildet. Solche Thromben können dazu führen, dass die Venen verstopfen. Gefährlich wird es, wenn nicht nur oberflächliche, sondern „tiefe“ Venen betroffen sind - also solche, die direkt zum Herzen führen. Thrombosen entstehen meistens in Beinvenen. Das Bein schwillt an und erzeugt einen muskelkaterartigen Schmerz der ohne Behandlung immer stärker wird.

Gefährlich werden die Blutgerinnsel aber vor allem, wenn sie sich lösen: Dann können sie auf ihrer Wanderung durch den Körper Lungenembolien und Gehinschläge erzeugen, die häufig zum Tod führen. Diagnostiziert werden Thrombosen mittels Ultraschall, die schmerzhafte Phlebographie wird heute kaum mehr durchgeführt. Wichtig ist, dass die Behandlung möglichst sofort einsetzt, damit es zu keiner Lungenembolie kommt und die Vene eventuell gerettet werden kann.

Die Ursachen für Thrombosen sind verschieden: Eine wichtige Rolle spielt eine Punktmutation im Codon 1691 des Faktor V Gens (Faktor V Leiden). In Europa sind etwa 5% der Bevölkerung betroffen. Bei Menschen mit Faktor V Leiden ist das Thromboserisiko bis zu 100fach höher als bei Menschen ohne diese Mutation. Aber auch Personen mit einem geringeren Risikofaktor können an Thrombosen erkranken, wenn das Blut auf dem Weg von den Füßen zurück zum Herz an einer engen Biegung gestaut wird.

Bekannte Risiken sind längere Flugreisen und Autofahrten. Je weniger Beinfreiheit es auf solchen Reisen gibt, desto höher ist das Thromboserisiko. Thrombosen wurden deshalb auch als „Touristenklase-Syndrom“ bekannt. Durch regelmäßiges Aufstehen und kurze Spaziergänge lässt sich das Thromboserisiko vermindern, weil die Bewegung der Muskeln den Blutrückfluss fördert. Auch der bei Herzinfarktpatienten übliche Koagulationshemmer Marcumar verringert das Thromboserisiko, erfordert aber regelmäßige Bluttests und erhöht das Risiko eines hohen Blutverlusts bei Verkehrsunfällen erheblich. Rezeptfreie Venenmedikamente auf Rosskastanien-Basis sind dagegen wirkungslos. Risikoverstärker sind Kaffe und Alkohol, die den Körper entwässern und das Blut „dicker“ machen. Bei Frauen erhöhen auch Schwangerschaften und die Einnahme der Pille das Thromboserisiko.

Am Montag wurde bekannt, dass ein weiteres Thromboserisiko in einer Studie belegt wurde: Lang andauernde Arbeiten am Computer erhöhen das Thromboserisiko sogar noch mehr als Flugreisen. Prof. Richard Beasley vom Medical Research Institute of New Zealand, der bereits 2003 anhand eines einzelnen Falles die Möglichkeit von "E-Thrombosen" postuliert hatte, studierte in den letzten vier Jahren systematisch Thrombosepatienten unter 65 Jahren und stellte dabei fest, dass 34% von ihnen lange Arbeitstage in sitzender Position hinter sich hatten.

Betroffen waren nach Beasleys Studie vor allen Dingen Arbeitskräfte im IT-Bereich und in Callcentern. Der Krankenhausarzt zeigte sich überrascht, dass in diesen Bereichen teilweise 12-14 Stunden gearbeitet wird. Beasleys Studie, die nächsten Monat im New Zealand Medical Journal erscheint, könnte gravierende Auswirkungen auf die Rechtsprechung in Sachen Berufsunfähigkeit und anerkannte Berufskrankheiten bringen.