Patente als Wirtschaftswaffen

Justizministerium und Industrieverband trommeln für die Legalisierung von Software-Patenten

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Für Justizministerin Brigitte Zypries ist ein Patent ein Ausdruck von Innovation. Für BDI-Präsident Jürgen Thumann ist ein Patent ein Trumpf zum Ausgleich von Rohstoffmangel. Für beide ist ein gemeinsames europäisches Patentsystem ein gutes Blatt, um diesen Trumpf auszuspielen. Doch genau hier gibt es hitzige Reibereien.

Patente räumen auf eine begrenzte Zeit ein künstliches Monopol ein. Der Patentrechtsschutz erlaubt den Inhabern, andere bis zu 20 Jahre lang von der Vermarktung einer Erfindung auszuschliessen. Wenn man sich geschickt anstellt, sogar noch wesentlich länger. Im Unterschied zum Urheberrecht verbieten Patente nicht nur den Nachbau, sondern eigene konkurierende Entwicklungen. Die Bedingungen für die Lizenzierung legt der Patentinhaber fest. Aufgrund der Monopolrenditen werden auch die Streitwerte bei vermeintlichen Patentverletzungen exorbitant hoch angesetzt (vgl. Sind Patente ein Patentrezept?).

Als Jürgen Thumann in seiner Funktion als Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie gerade dabei war, die Teilnehmer der Patentrechtskonferenz in Berlin zu begrüßen, verteilten Mitarbeiter der Umweltschutzorganisation Greenpeace Denkzettel.

Darauf stand in Deutsch und Englisch, dass Greenpeace am 28. März beim Europäischen Patentamt ein Patent auf Politiker angemeldet habe (vgl. Mit Gen-Profiling sollen Politiker patentierbar werden). Es soll den genetischen Fingerabdruck von Politikern mit dem Genpool der Durchschnittsbevölkerung vergleichen, um die Attraktivität eines zu wählenden Politikers abzuschätzen. Da für eine Patenterteilung unter anderem die Neuigkeit der Erfindung Bedingung ist, definiert Greenpeace die Methode und den Politiker als neu.

Die Aktion mit einem hohen Verwechslungspotential mit herkömmlichen Aktionen des Satiremagazins Titanic begründet Greenpeace mit der Praxis des Europäischen Patentamtes, Patente sowohl auf genmanipulierte Organismen und ganze normale Pflanzen und Tiere zu erteilen. Am Ende des Greenpeace-Denkzettels fordert die Organisation „eine komplette Überarbeitung der europäischen Patentgesetze mit dem Ziel, Patente auf menschliche Gene, Tiere und Pflanzen“ zu verbieten.

Patentrechtsänderungen

Brigitte Zypries, Jürgen Thumann und EU-Binnenkommissar Charlie McCreevy sind sich einig, dass Europa unbedingt eine Harmonisierung des Patentrechtes braucht. Die nationalen Patentrechte sollen in einem europäischen Patentrecht aufgehen, so dass es ein europäisches Gemeinschaftspatent gibt.

Der Gedanke sei zwar nicht neu, müsse aber wieder aufgegriffen werden. Der Zeitpunkt sei mit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft günstig für Reformen. „Wo Reformen nötig sind, werden sie angegangen“, sagte Zypries. Reformiert werden müsse: erstens, was rechtlich machbar sei, zweitens, wofür man eine Mehrheit im europäischen Parlament bekäme und drittens, wo der Nutzen für die Patentanmeldungen klar würde. Derzeit sei ein EU-Patent etwa 11 mal so teuer wie ein US-amerikanisches Patent. Aus der Sicht der kleinen und mittelständischen Unternehmer sehe die Lage anders aus, beklagen der Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft und der Förderverein Freie Informationelle Infrastruktur (FFII).

Bauchschmerzen und Kontrollprobleme

Die Justizministerin und der BDI-Präsident haben nichts gegen die Umsetzung des europäischen Übereinkommens über Patentstreitigkeiten EPLA. Es ist umstritten, weil es womöglich gegen Gemeinschaftsrecht verstößt und zudem undemokratisch und unkontrollierbar sei.

Während Zypries und Thumann das Agreement unter dem Dach des Europäischen Patentamtes umsetzen wollen, bereitet der Binnenkommissar eine überarbeitete Version vor, die am kommenden Mittwoch der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll. Der Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft und der Förderverein Freie Informationelle Infrastruktur haben dabei Bauchschmerzen, weil durch dieses Abkommen auch die Patentierbarkeit von Software möglich wird.

Das würde ihrer Klientel, den kleinen und mittelständischen Unternehmen, erhebliche Wettbewerbsnachteile verschaffen. Denn im Bereich Software läßt sich kaum etwas herstellen, ohne potentielle Patente zu verletzen.

Noch ist es so, sagt Hartmut Pilch vom Förderverein FFII, dass ein Inhaber eines vom Europäischen Patentamt (EPA) erteilten Patentes sich im Falle von Streitigkeiten an ein nationales Patentgericht wenden müsse. Vor den nationalen Gerichten ist es derzeit noch möglich, zum Beispiel die Zulässigkeit von Patenten überprüfen zu lassen. Nationale Gerichte können unter Hinweis auf die Nicht-Patentierbarkeit von Software Klagen eines EPA-Software-Patentinhabers abweisen.

Wenn die Gerichtszuständigkeit aber unter dem Dach von EPLA liegt, ist die Kontrolle weg. Johannes Sommer vom Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft fürchtet, dass bei einer solchen Vereinigung der nationalen Gerichte „Richter und Prüfer ein-und dieselbe Person“ werden können. Personell und administrativ seien die Patentjuristen des EPLA sowieso schon mit dem Europäischen Patentamt verquickt. „Das ist undemokratisch und unkontrollierbar“, moniert Sommer.