Linz - Stadt mit Sonne im Herzen

Ein Bericht von der Ars Electronica 96

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Seit 17 Jahren findet die Ars Electronica als jährliches Festival für Kunst, Technologie und Gesellschaft in Linz statt. Doch dieses Jahr ist ein besonderes. Denn in diesem Jahr wurde das Ars Electronica Center eröffnet. Das 21.Jahrhundert erscheint nur mehr eine Nasenbreite entfernt zu sein. Und so zeigte sich Linz trotz häufiger Regenschauer und früherbstlicher Kühle als "Stadt mit Sonne im Herzen".

AEC, Foto AE

Weiterer Bericht zur AE 96: Interview mit Gerfried Stocker

Verzeihen Sie diesen Ausrutscher in die Banalität mit "Stadt mit der Sonne im Herzen". Es handelt sich um ein Zitat des Moderators, der am Samstag dem 7. September auf dem Linzer Hauptplatz den Österreichischen Bundespräsidenten Dr. Thomas Klestil bei strömendem Regen, Kälte und entsprechend kleiner ZuhörerInnenschar begrüßte. Dieses Volksfest hatte eigentlich mehr mit der "Klangwolke" zu tun, ein Ereignis zum Auftakt des Brucknerfestivals, das es genauso lange wie die Ars Electronica, nämlich seit 1979 gibt und das ursprünglich im selben Kontext stand. Nun kommt alles wieder zusammen, so scheint es. In einer kurzen spontanen Rede zeigte sich der Bundespräsident stolz, daß die Zürcher Zeitung in einem großaufgemachtem Artikel über die Eröffnung des AEC berichtet und Linz als Stadt beschrieben hatte, die fit fürs 3. Jahrtausend sei. Daraufhin fiel eben jene Formulierung des Moderators über die "Sonne im Herzen", welche die Linzer auch bei Regen und Kälte noch fröhlich erscheinen läßt.

Doch was hat das nun mit dem Thema zu tun, der Berichterstattung über die diesjährige Ars Electronica (AE)? Sehr viel und nichts. Denn das führt uns zu der Grundfrage, ob man ein Festival anhand des "Geräusches" beurteilen kann, das es erzeugt. Denn nach der zeitgenössischen Medientheorie werden die Medien ohnehin mehr und mehr auf ein Geräusch reduziert, ein stehendes Hintergrundgeräusch des modernen Lebens, das kaum bewußt wahrgenommen wird und dennoch alles durchdringt. Kann man die Ars Electronica also anhand des "Noise" (verwenden wir doch endlich das neudeutsche Wort) beurteilen, das sie erzeugt? Woraus besteht nun dieses Noise? Sind das wir, die Presse?

460 Journalisten ließen sich zur AE registrieren. Fleißig betätigten sie die Auslöser der Kameras, raschelten mit den Notizblöcken im Symposium und kippten den wirklich ausgezeichneten Kaffee in der Sky Media Loft im obersten Stockwerk des neueröffnten Ars Electronica Center (AEC). Und was kam dabei heraus?

Liquid Cities, Foto rubra/AE

Doris Krumpl in "Der Standard" (5.9.96) sieht die diesjährige AE als "heterogenen Mix", nennt das neueröffnete AEC eine "Spielhalle der Zukunft" und beklagt den Umstand, daß die Kunst in Gefahr gerät, verlängerter Arm von Politik und Wirtschaft zu sein. Auch sie hatte, so scheint es, nicht so wirklich Lust, sich vom Ereignis beeindrucken zu lassen und gefiel sich darin, ein wenig an den Oberflächen entlang zu polemisieren. Und Oberflächen bot das Festival zur Genüge, namentlich Benutzeroberflächen. Diese waren im AEC ausgestellt, aber auch in der Landesgalerie, im Design Center, im ORF Landesstudio, in der Galerie im Stifter Haus, im Offenen Kulturhaus. Im Parkbad gab es sogar eine Unterfläche, eine Unterwasserbenutzeroberfläche namens "Liquid Cities" genauer gesagt, die Musikreihe "Subtronic" fand u.a. unter einer Stadtautobahnbrücke statt und wie so oft wurde auch das Gelände der VOEST Stahlwerke benutzt. Bei soviel Interaktivität wunderte man sich schließlich, wenn etwas nicht interaktiv war. Das AEC zum Beispiel. Warum kann sich dieses Zentrum der Innovation nicht auf Wunsch eines Benutzers plötzlich in eine Kugel verwandeln oder eine Pyramide und einige Realaudio Files abspielen?

Doch zurück zum Geräusch der Ars und seinem Wiederhall in den Medien. In der Mailing List Rhizom (Rhizom Digest 8.6.96) lästerte Niko Wäsche über die Eröffnungsperformance von La Fura dels Baus.

Although La Fura dels Baus is a very important catalyst for Catalan cultural production it was hard to figure out what the group was doing in the Ars in a rain-drenched Linz.

Niko Wäsche

Und auch er konnte nicht an Dingen vorübergehen, die gemeinhin zu den Nebensächlichkeiten gezählt werden: "Great for all ages from 9 to 99 were the immense quantities of free beer and Spanish jamon sandwiches that were handed out during the opening." Doch gelang es ihm immerhin, dem Symposium etwas abzugewinnen. Die Diskussion zwischen den beiden Richards aus England, Dawkins der eine, seines Zeichens Erfinder der Meme-Theorie, Barbrook der zweite und schärfster Kritiker dieser Theorie, empfand Wäsche als qualitätsvoll, um danach zum "Glasfieberkegeln" in die Stadtwerkstatt zu gehen.

R.Barbrook
R.Dawkins

Etwas weniger erbaut zeigte sich Boris Groendahl, ebenfalls via Rhizome Digest vom 8.9.96 zu uns gelangt. Er schrieb über die Eröffnung: "In front of a crowd of local hot shots who clearly did not understand a single word, the Austrian Minister of Finance bandied around cyberbuzzwords. A promo video featured corporate sponsors' cyberblurb underlayed by the "Mission Impossible" theme." Im Anschluß daran ging Groendahl auf die Geschichte von Linz ein, als eine Stadt, deren urbane Entwicklung durch den Nationalsozialismus enorm beschleunigt wurde und der Hitler, als die Stadt in der er seine Jugend verbracht hatte, eine besondere Rolle als Kulturhauptstadt zugedacht hatte. Gemeinerweise wollen das die "Ausländer" scheinbar nicht vergessen und so kommt die Vergangenheit immer wieder ins Spiel, wo doch, wenns nach den Linzern ginge, nur die Zukunft im Mittelpunkt stehen sollte. Auch Richard Barbrook flocht in seine Kritik an der Meme-Theorie die Anmerkung ein, die Stadt Linz solle besonders vorsichtig mit biologischen Metaphern sein.

Doch unbesehen dieser Haarspaltereien ausländischer Intellektueller weiß es die lokale Tagespresse besser. "Nabel der Digitalkunst" titelt die "Oberösterreichische Nachrichten" (7.9.96) und beschreibt, warum Linz nun von 460 Journalisten in der Weltpresse als solcher gepriesen werde müssen. Doch mit der zweiten Überschrift "Kunst erst auf den zweiten Blick" weiß auch Kulturredakteurin Silvia Kitzmantel kritische Töne anzubringen. Die Kunst komme im AEC wohl zu kurz und ein Mangel an lokalem Publikum wird beanstandet. Doch auch die Kronenzeitung, die in ihrem politischen Teil mehr und mehr wie das publizistische Organ von Jörg Haiders F-Partei wirkt, mahnt in der Kulturseite der Lokalausgabe vom 6.7. "mehr progressive Kunst" an.

Das Geräusch des Festivals beschränkte sich nicht auf das gedruckte Medienwort. Zeitgleich zur Ars Electronica tönten simultan 40 Radiostationen weltweit im Kontext des Rivers & Bridges Projektes. Hotwired war da und verstärkte das Geräusch mit einem Realaudiozirpen. Auf weltweiten Netzseiten findet in Schrift und Bild, manchmal auch 3D, adäquates Inhaltsmaterial adäquaten Ausdruck. Eine Webadresse hat hier sowieso alles, nicht nur die Cola-Automaten so scheints. Doch inmitten dieser babylonischen Stimmenvielfalt verschafften sich immer wieder die Stimmen zweier tragender Säulen des Festivals Gehör - Hannes Leopoldseder und Gerfried Stocker. Der eine, H.Leopoldseder, ORF-Landesintendant und Ars-Mitbegründer, ist die treibende Kraft hinter dem AEC, ohne ihn würde es das Zentrum (entschuldigung: Centrum) nicht geben. Der andere, G. Stocker, Datenkünstler und Komponist, nun Geschäftsführer der AEC Betriebsgesellschaft, immer präsent und im ärgsten Stress irgendwie noch ansprechbar und relaxed. Selbst unabhängig voneinander befragt, ergeben ihre Stimmen den Wohlklang zweier ineinander verflochtener Melodielinien. Leopoldseder beschreibt voller Engagement den langen und schwierigen Weg bis zur neuen Etappe im Lebenslauf der Ars, die mit dem AEC beginnt. Er verstand es, das Projekt bei Lokalpolitikern durchzudrücken, ihnen die nötigen 180 Millionen ATS aus dem Säckel zu locken (plus 50 Mill. ATS Privatsponsoring) und in der langen Planungsphase teure Fremdeinflüsse auszuschalten. Er sieht den Wert vor allem in der lokalen und überregionalen Ausstrahlung des Centers, so z.B. indem es von Schulklassen aufgesucht wird, die sich über das digitale Zeitalter informieren wollen, ebenso wie Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft, die ebenfalls diesen Ort willkommen heißen, der die Zukunft anschaubar und angreifbar macht.

Und Stocker? Durch zahlreiche Interviewer scheinbar schon auf unangenehme Fragen eingestellt läßt er keine Gelegenheit aus, die geographische und inhaltliche Ge/Zer/streutheit des Festivals als Teil des Konzepts darzustellen. Angriffe vermutend, wo meine Fragen doch gar keine sein sollten, geht er bereitwillig auf die Defizite der Medienkunst ein und will auch nichts beschönigen, was das Verhältnis von Kunst und Wirtschaft betrifft. Er weiß nur zu gut, daß erst die Zukunft zeigen wird, ob das AEC auch im künstlerischen Sinn seine hohe Mission erfüllen kann. Gerfried Stocker, so scheints, ist nicht nur Festivaldirektor sondern auch dessen schärfster Kritiker. Oder anders gesagt: Immer da, wo Leopoldseder ungeschützte Flanken zeigen würde, ist Stocker, wie beim Gleichnis vom Hasen und Igel, längst da und zeigt auf die Fragen des Journalisten hin seine stachligen Seiten. Soviel also zum Duett Stocker/Leopoldseder.

Etoy, Foto ruba/AE

Sie, liebe fiktive LeserInnen vor Augen habend, merke ich schon, wie Sie nun langsam ungeduldig werden. Ich sollte nun doch wohl endlich zum Kern der Sache kommen, zum Symposium und zur Kunst und sagen, wie es war. Doch irgendetwas sperrt sich in mir. "Lustig wars", könnte ich auf gut österreichisch sagen, aber auch nicht viel mehr. Da sind die Jungs von Etoy durch die Gegend gerannt, ganze 7 an der Zahl mit Overalls (bestickt mit eigenem Logo natürlich) und kahlköpfig wie die Neonazijugend, was ihnen auch prompt von alternden Computervisionären (also Leuten über 30) vorgeworfen wurde. Etoy jedenfalls haben den Prix Ars Electronica für WWW gewonnen und waren farbig und laut.

Noch lauter war zweifellos das Glasfaserkegeln, veranstaltet von der Stadtwerkstatt im ersten Stock des Gebäudes. Dort war ein Set-up wie bei einer ländlichen Kegelbahn aufgebaut, dies jedoch schwerstens mediatisiert durch Videoübertragung, künstliche Anfeuerungsrufe aus dem Lautsprecher und Bekanntgabe der Ergebnisse auf der WebSite. Dazu das ebenfalls verstärkte Splittern der zerkegelten Glasflaschen, was insgesamt einen diabolischen Eindruck erzeugte. Als Zuschauer fühlte ich mich zeitweilig wie ein Eindringling bei einem seltsamen Stammesritual, das mir durch den Einsatz von Medien wiederum eigenartig vertraut erschien.

Die Stahlstadt und die Zukunft

Contained, Foto rubra/ars

Kurzzeitig am wohlsten fühlte ich mich, trotz Nässe und Kälte, nächtens am Schrottplatz der VOEST, wo die Gruppe Contained ihr Containerdorf aufgeschlagen und eine Gruppe von Freunden zum Maschinenbastlerfestival eingeladen hatte. Das Ganze erinnerte stark an einen hochkarätigen Technologieslum. Denn neben echten Unbekannten wie Chip Flynn und Brett Goldstone, die mit überaus interessanten Arbeiten ihr Europa-Debut gaben, mühten sich auch Stars wie Jim Whiting durchs Schrott und Schlamm-massel. Doch nicht die Brutalität und Kraft der Maschinen stand im Vordergrund, so wie noch 1991, als sich die AE "Out of Control" gab (noch unter dem damaligen Leiter Gottfried Hattinger, der mit verschmitztem Lächeln im Contained Publikum weilte). Das Sammelsurium seltsamer Maschinen (und noch seltsamerer Erfinder-Künstler, welche sie bauen und betreuen) machte den Eindruck eines magischen Wanderzirkus, verspielt und leicht melancholisch. Ob das nun aber mehr Kunst ist als die glatten Computeroberflächen in den klimatisierten Innenräumen, mag ich nicht behaupten. Es wirkte immerhin menschlich sympathischer.

Auch spätnachts ließen die Stahlwerke dem Ars-Publikum keine Ruhe. Da hatte Fadi Dorninger zu einer Rundfahrt mit der Stahlwerksbahn geladen, in verglasten Aussichtskabinen und von elektronischen Ambient-Klängen beschallt. Überwältigt von der Schönheit der glühenden Schlacke, wozu der satte, kitschige Sound sein Übriges tat, überkam mich bald die Müdigkeit. Während des Einschlafens fiel mir noch ein, daß die Ars Electronica auch in der Vergangenheit immer wieder Rückgriff auf die ästhetischen Qualitäten des Stahlwerks genommen hatte (Stahlsinfonie, 1980). Mir fiel ein, daß ein ausländischer Besucher mir erzählt hatte, daß diese Werke als "Hermann Göhring Werke" gegründet worden waren. Seltsam, davon war in meiner Schulzeit in Österreich nie die Rede gewesen. Die VOEST, das war die verstaatlichte Österreichische Stahlindustrie, die in die Schlagzeilen kam, weil Manager Millionen bei Auslandsgeschäften verschleuderten zu einer Zeit, als viele tausende Arbeitsplätze abgebaut werden mußten. Dieser "Wandel vom Industrie- zum Informationszeitalter" kündigte sich in Linz schon in den siebziger Jahren an und wurde, was die VOEST betrifft, in den achtziger Jahren vollzogen. Mit dem AEC wurde nun endlich ein sichtbares Zeichen für die digitale Zukunft von Linz geschaffen. Die digitale Revolution verspricht neue Arbeitsplätze in einer Region, die insgesamt durch den beschönigend "Strukturwandel" genannten Prozeß bisher haupzsächlich verloren hat. So tun die Bewohner der "Stahlstadt" Linz wirklich gut daran, die Sonne im Herzen zu tragen, denn die Schatten der Vergangenheit lauern nicht nur am VOEST Gelände. In den achtziger Jahren kam die Stadt immer wieder ins Gerede wegen Übergriffen von Skinheads gegen Ausländer und linke Studenten. In dieser Hinsicht konkurrierte die Stadt im negativen Sinn mit dem wenige Kilometer entfernt liegenden Wels. Gegenkräfte, die der Jugend sinnstiftende Beschäftigungen anbieten können, wie z.B. die Stadtwerkstatt, sind immer wieder vom Untergang bedroht. So kann die Stadtwerkstatt auf eine ebenso lange Geschichte wie die Ars Electronica verweisen, doch ist ihr Budget unvergleichlich bescheidener und muß Jahr für Jahr neu verhandelt werden. Ein Künstler wie Thomas Lehner, der mit "Stadtwerkstatt TV" dem Linzer Lokalprojekt ein internationales Ansehen in Medienkunstkreisen verschafft hat, blickt vorläufig skeptisch auf das AEC. Dieses nimmt der Stadtwerkstatt nämlich die Nachmittagssonne weg. Auch von den tollen Glasfaserkabel-Internet-Connections des AEC konnte die StWST noch nicht profitieren, so nutzt man für den eigenen Server eine ganz normale Telfonleitung und einen kommerziellen Provider. Trotzdem schien der Internetzugang der StWSTT vergleichsweise stabiler und schneller als jener des AEC zu laufen. Dies ist auch als Hintergrundinformation zum Projekt "Glasfieber" der StWSTT aufzufassen. Ganz wörtlich tritt also eine gewachsene Initiative wie die Stadtwerkstatt in den Schatten der von oben herab eingefädelten Initiative AEC.

Doch ist es an sich nicht verwerflich, daß Linz um eine Zukunft jenseits der Stahlindustrie kämpft und dafür auch ein sichtbares bauliches Zeichen schafft. Was eher bedenklich stimmt, ist der inflationäre Gebrauch des Wörtchens Kunst in diesem Kontext. Als Gerfried Stocker noch selbst hauptberuflich Künstler war, hat er sich von Kunst in Form von Museumskunst gerne distanziert. Nun ist er Geschäftsführer eines "Museums der Zukunft". Dieser Untertitel des AEC ist wohl in einem etwas unreflektiertem Moment entstanden, als die Schöpfer nicht so sehr von der Muse geküßt waren. Denn wer möchte schon die Zukunft in ein Museum sperren? Sie muß ja erst erlebt, erkämpft, erlitten werden. Doch in der "digitalen Zeit" wird alles möglich und wir holen die Zukunft ins Jetzt. Die Zukunft wird rhetorisch in die Gegenwart gezwungen, wird zu einer unerläßlichen Beigabe des Heute, ohne welche das Heute nicht mehr attraktiv genug erscheint. Umgekehrt wird damit aber auch das Jetzt völlig unflexibel, da es in eine virtuelle Ewigkeit gestreckt wird. Die Zukunft ist aber keine Erfindung der neunziger Jahre. Sie erlebte ihre rhetorische Blüte in der Zeit der nun klassisch genannten Moderne um 1910 und etwas später, u.a. im Futurismus, der sich offen zum Faschismus bekannte. Industrielle Produktion, Fortschritt und Zukunftsglaube sind große symbolische Zahnräder in ein und demselben Paradigma, dem der Moderne. Sie sind ebenso gewaltig wie inhaltlich ausgehölt. Ähnlich erscheint es mit der "Kunst" und den "digitalen Medien". Die Kunst wurde zum beinahe selbstverständlichen Beiwort der "digitalen Revolution". Das Wesen dieser Revolution ist jedoch nicht die soziale Veränderung sondern die Unterordnung des Humanen in ein maschinenhaftes Dasein. Das "Maschinenhafte" ist aber nicht so eindimensional wie die Ausbeutung des Arbeiters am Fließband, sondern tritt so subtil auf wie das Handy, das alle freiwillig mit sich tragen, obwohl es sie im Prinzip nur für die Wertschöpfung der Informationsgesellschaft permanent verfügbar macht. Denn darum geht es bei dieser Revolution, um die Verfügbarkeit des Menschen in jeder Hinsicht und zu jeder Zeit. Die Kunst wurde dazu auserkoren, das menschliche Gesicht der Techno-Revolution darzustellen.

Masaki Fujihata, Foto rubra/AE

Gerade in einer Konstellation wie derjenigen der Ars Electronica erscheint wirklich interessante Kunst wie die Ausnahme, welche die Regel bestätigt. Ein "Global Interior Project" von Masaki Fujihata (Gewinner Prix Ars Electronica für Interaktive Kunst) wird da Seite an Seite mit "Toy Story" hingestellt (Gewinner Prix Ars Electronica Computeranimation). Das Projekt der Ars Electronica erreicht mit dem neuen Haus, dem AEC einen kritischen Höhepunkt. Es ist klar, daß es hier um Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung geht. Zugleich wird oft so getan, als wäre die AE auch eine Art Hacker-Kunstfestival. Ehrlicher wäre es, auf den Kunstanspruch zu verzichten (was aber nicht nur für Linz gilt). Sogar die Tageszeitungen haben das schon verstanden. Doch der Name des Festivals bleibt weiterhin "Ars Electronica" und wird nicht etwa in "Festival für digitales Mediendesign" umbenannt. So landen wir wieder im Festival-Noise, bei dem wir begonnen haben. Da sind all die coolen Leute, die auf ihren Servern rumhacken. Und da ist das bunte Zeugs, das sich auf den Monitoren bewegt und Kunst genannt wird. Der Linzer Bürgermeister freut sich. Denn dutzende Bürgermeister von Städten vergleichbarer Größenordnung blicken voller Neid nach Linz. Linz hat jetzt die Publicity, Linz hat Sonne im Herzen. Da wäre es doch ungeschickt, jetzt wo die Digitalkunst vielleicht neue Arbeitsplätze bringt, auf den Begriff Kunst zu verzichten? Also Volldampf mit Kunst und Gigabyte ins Dritte Jahrtausend auf der mit Technik vollgestopften Museumsarche des AEC.