Es war einmal ...

Die Internet-Zeitschrift Pl@net und der "Trendwechsel".

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Gespräch mit Giesbert Damaschke, dem früheren Chefredakteur von Pl@net.

Früher war man wild, voll der Hoffnung, im Aufbruch und kreativ. Jetzt kehrt wenigstens im Internet, so meint Ziff-Davis, wieder Ordnung, Profitstreben und Nutzen ein. Also wird Pl@net eingestampft, denn der neue Trend heißt Technik.

Es war einmal eine Zeit, als das World Wide Web nicht mehr ganz jung war, aber als man noch glaubte, daß die Menschen, die sich hier tummeln, nicht nur wissen wollen, wie man etwas macht, wo man neue Software oder Spiele erhält und welche technische Neuheiten es gibt.. Im und hinter dem Cyberspace stecken Ideen und eine neue Lebenswelt, die sich nicht darauf beschränken, welche Protokolle oder Browser es gibt, wie man seine Homepage ins Netz stellt, was Java ist oder wie man das Web im wirklichen Leben auf das Niveau einer Programmzeitschrift wie Hörzu bringt. All das ist wichtig und interessant, aber darin erschöpft sich das Internet nicht. Die Computernetze ändern unser Leben, die Gesellschaft, die Politik, die Weise, wie wir in der Welt und an Orten sind, wie wir mit anderen verkehren, arbeiten oder uns unterhalten.

Immerhin entstanden auch in den USA nicht nur die üblichen Internet-Zeitschriften, sondern auch das nicht direkt technikorientierte Wired setzte sich mit großem Erfolg als Organ einer neuen, vielfältigen, technik- und wissenschaftsinteressierten, aber nicht unpolitischen Szene durch. Über die Inhalte oder Einseitigkeiten läßt sich sicher streiten, doch Wired, das sich der "digitalen Revolution" und dem aus ihr entspringenden Markt verschrieben hat, zeigte eindrucksvoll, daß die Computerwelt aus der "How-to-Welt" herausgewachsen ist.

Wireds Erfolg brachte wohl auch das deutsche Pl@net, eines der wenigen anspruchsvolleren Internet-Zeitschriften, hervor. Obwohl im Internet nur Häppchen anbietend, hat Ziff-Davis immerhin elf Hefte durchgehalten, um ein deutsches Wired zu etablieren, das Szene und Netzpolitik, Kritik und weiterreichende Visionen behandelte. Jetzt aber, kurz vor der CeBIT, ist damit - wahrscheinlich voreilig - wieder Schluß. Es fiel ja auf, daß Pl@net praktisch keine Werbung enthielt, also wenig Einnahmen, abgesehen von den Käufern und Abonnenten, erzielte, aber es war doch ein erfreulicher Zuwachs in der Printlandschaft, die ansonsten recht einförmig, wenn es um Computer geht, fast nur aufs Technische setzt. Fröhlich lächelnd verkündet Chefredakteur Alfons Schräder in der März-Ausgabe, daß es jetzt Schluß sei mit dem "Hype ums Internet", mit der "kreativen Aufbruchsstimmung", mit dem "wilden Treiben". Die Zeit des Experimentierens und Erkundens, des "kreativen Chaos" sei vorbei: man zieht jetzt seine Kreise in "geordneten Bahnen" - und "Surfen ist Mega-out". Daher verkündet Schräder, daß die "netzpolitische Ära von Pl@net" leider abgelaufen sei. Man müsse sich dem neuen Trend anpassen - und der sei "blanker Nutzen", d.h. Geschäft oder was man dafür hält.

"Weitreichende" Umfragen nämlich hätten ergeben, daß die meisten Leser im "Internet-Business" tätig seien. Und daher, so die Unterstellung, könne es nur noch um Tips, Design und Marketing, um "Nutzwert" für vermeintliche Profis gehen, während das übrige Geschwafel nicht mehr interessiert. Sind die Internetnutzer denn tatsächlich alle so auf den Kopf gefallen und laufen mit Scheuklappen durch die Gegend? Und was soll Pl@net denn wirklich bringen, was woanders nicht auch schon berichtet wird? Daß der Verlag nun endlich Geld sehen will, läßt sich ja verstehen, aber daß der fröhlich grinsende Wenderedakteur allen Ernstes den Lesern den "Trendwechsel des Internet" - "pl@net wird technisch" - als etwas Neues verkaufen will, ist doch etwas absurd. Schließlich werden auch die neu-alten Business-Yuppies sich irgendwie um einen Inhalt bemühen müssen, um aus ihrer Tätigkeit Kapital zu schlagen.

Deutschland wächst erst langsam in den Cyberspace hinein. Noch gibt es nur relativ wenige Nutzer und alles, was aus dem Angloamerikanischen Sprachraum kommt, dominiert. Es steht zu vermuten, daß die Nutzer, die mehr und mehr eben nicht mehr dem "Internet-Business" angehören, zwar weiterhin am Technischen interessiert sind - und dies auch sein müssen, aber daß sie mehr haben wollen. Es gibt eben auch Zeitschriften, die nur ein kleines, sehr spezifisches Segment abdecken. Daß eine Internet-Zeitschrift ausschließlich Technik und Marketing behandeln muß wäre genauso absurd, als würden Radio, Fernsehen oder Buchdruck nur über ihre eigene Technik und die neuen Entwicklungen informieren. Sind Computernetze einmal ein Massenmedium, dann wird es auch um die Inhalte gehen, die nach der Anfangsphase durchaus den engen Bereich der Selbstbespiegelung auch überschreiten. Sicher, das schnelle Geld wird sich mit einer politisch und kulturell ausgerichteten Zeitschrift ums Internet nicht verdienen lassen.

Der Erfolg von Wired kann nicht ohne weiteres auf Deutschland übertragen und wiederholt werden. Die Welt der Computernetze ist hierzulande weniger eine Entdeckung als etwas, daß den Menschen in einer Zeit von außen aufgezwungen wird, in der sich die Auswirkungen eben dieser Technik in einer radikalen Veränderung der Gesellschaft und Arbeitswelt zeigen, die durchaus bedrohliche Züge hat. Der Aufbruch in eine unbekannte Welt ist bei den in doppeltem Sinne in der Alten Welt Zurückgebliebenen nicht nur ein Versprechen, eine Weiterführung der Tradition der amerikanischen Frontier und des amerikanischen Traums. Er wird von oben nach unten im Bewußtsein des Nach- und Einholens pflichteifrig als Anpassungsleistung an etwas ausgeführt, das eigentlich schon vorhanden ist. Eben das macht es hierzulande schwieriger für eine lebendige Szene, die das Neue aufgreift, neugierig ist, aber durchaus auch nachdenklich bleibt, ohne in pessimistische Exerzitien eines kulturellen Untergangs zu verfallen.

Natürlich werden, wie bei allen Massenmedien, die Angebote der Art xxx besser profitieren, die auf Unterhaltung und Konsum ausgerichtet sind. Natürlich war wahrscheinlich Pl@net auch zu früh und mit zu großem Aufwand ins Rennen gegangen, weil die Zeit noch nicht reif war. Aber es ist töricht und kurzsichtig, daraus einen "Trendwechsel" abzuleiten, der nur Zurück in die Vergangenheit führt. Derartige Kurzatmigkeit zahlt sich vermutlich nicht lange aus - und Pl@net wird jetzt nur eine unter vielen anderen direkt auf ein vermeintlich spezifisches Publikum zugeschnittene graue, aber wenigstens in "ordentlichen Bahnen" stapfende Zeitschrift. Mal schauen, wie lange Herr Schräder noch lächelt.