Trendwechsel bei Pl@net

Die Dinge ändern sich. Manchmal geht man es falsch an und am falschen Ort. Manchmal dauert etwas vielleicht länger. Und Europa ist nicht USA. Wie also kam es zum schnellen Sterben der einzigen nicht primär technikorientierten Internet-Zeitschrift in Deutschland?

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Giesbert Damaschke

Giesbert Damaschke, demnächst 36, Studium der Germanistik und Philosophie in Bonn, Promotion über Wilhelm Raabe, den Arno Schmidt des 19. Jahrhunderts (mein Beitrag zu Büchern, die die Welt nicht braucht). Da ein Titel keine Mittel schafft, muß ich halt anschaffen: derzeit als freier Computer-Journalist in München. Kontakt
Es war einmal ...

Sie haben die Zeitschrift pl@net mit aufgebaut. Im Editorial des letzten Heftes schreibt der neue Chefredakteur, daß die "kreative Aufbruchsstimmung" und das "wilde Treiben" ums Internet vorbei seien, daß alles in geordnete Bahnen übergehe und deswegen auch die netzpolitische Ära vom Geschäft und der puren Praxis abgelöst werden müsse. Glauben Sie denn auch an diesen propagierten Trendwechsel?

Giesbert Damaschke: Wenn ich das so sehen würde, wäre ich sicher noch beim Ziff-Davis-Verlag. Ich glaube, daß dieser Wechsel ein großer Fehler ist. Es ist eine Fehleinschätzung dessen, was im Netz passiert. Aber ich akzeptiere diese Entscheidung des Verlages, der damit wieder zu seinen Themen zurückgeht. Die heißen halt Technik und Test von Computer-Produkten. Die Frage, warum jemand etwas macht, also warum jemand beispielsweise im Netz präsent bleiben will, ist dabei nicht wichtig. Der Verlag geht davon aus, daß die Leute ins Netz wollen und daß wir ihnen sagen, was sie dazu brauchen.

Warum ist diese Einengung, auch unabhängig von Ziff-Davis, eine Fehleinschätzung?

Giesbert Damaschke: Pl@net ist von uns aus einem Impuls heraus gemacht worden, daß aus dem Online-Bereich eine große gesellschaftliche, kulturelle und politische Umwälzung entsteht. In Deutschland gibt es kein Medium, daß diesen Umbruch begleitet, wo man darüber etwas lesen und Anregungen bekommen kann. Weil es so etwas nicht gibt, haben wir beschlossen, es selbst zu machen.

Sollte pl@net eine Art deutsches Wired sein? War Wired Vorbild?

Giesbert Damaschke: Ich selbst mag Wired gar nicht so gerne. Wired war einmal sehr spannend, und sie ist natürlich größtenteils exzellent gemacht, aber sie war für uns nicht entscheidend. Wir wollten uns nur aufs Internet konzentrieren. Erst im Laufe der Zeit hat sich dann gezeigt, daß das nicht geht. Man muß das Spektrum zumindest auf Online-Medien erweitern, wobei eigentlich alle digitalen Medien eine Rolle spielen. Dadurch gerät man natürlich in die Wired-Ecke, aber die Grundhaltung war bei uns eher immer skeptisch. Es ist spannend, faszinierend und im Großen und Ganzen gut, was da passiert, aber wir sahen das nicht so überschwenglich positiv wie Wired.

Das ist vielleicht auch der Unterschied zwischen der Neuen Welt und der Alten Welt.

Giesbert Damaschke: Ich würde nicht so weit gehen wie die Kritik an der "kalifornischen Ideologie", aber es stört mich schon, wenn bei Wired im Impressum steht: "Wired is designed and produced digitally." Das "Being digital" als Wert an sich, kann ich nicht teilen.

Wie kam denn pl@net überhaupt an? Stieß die über das Technische hinausgehende Orientierung auf Interesse?

Giesbert Damaschke: Pl@net kam hervorragend an. Wir bekamen nur Jubelleserbriefe. Das war schon manchmal peinlich. Man kann das natürlich so erklären, daß die Leute, die pl@net ablehnen, am Kiosk erst gar nicht danach greifen und auch keine Leserbriefe schreiben. Aber es kam deshalb so gut an, weil wir gerade im November 1995 in eine Lücke stießen. Es gab einen riesigen Informationsbedarf. Und der wird noch stärker werden. Das Internet ist, was vor einem Jahr noch undenkbar war, zum Schlagzeilenthema für die Bild-Zeitung geworden. Bild kann also voraussetzen, daß die Leser mit diesem Begriff etwas anfangen können - was auch immer. Es gibt einen riesigen Informationsbedarf, der weit über die Fragen hinausgeht, welchen PC oder welche Software man braucht.

Auffällig war, daß es in pl@net wenig Werbung gab. Davon leben ja die Zeitschriften vor allem. Hatte das mit der Ausrichtung etwas zu tun? Ist das für die Werbeabteilungen noch ein unbekanntes Feld?

Giesbert Damaschke: Das war ein Strukturproblem bei Ziff-Davis. Die Zeitschriften des Verlages sind vollständig produktorientiert. Dadurch hat das PC-Magazine in den USA immerhin alle 14 Tage auch ca. 1,4 Millionen Auflage. Das Magazin ist als Test-Magazin wirklich gut. PC-Magazine ist die cash-cow, auf die alle Strukturen des Verlages ausgerichtet sind. Die Kontakte, die Ziff-Davis zu Anzeigenkunden besitzt, sind Kontakte mit Firmen, die Computer-Produkte herstellen. Die aber sind für pl@net wiederum nicht interessant, weil die Leser das gar nicht wissen wollen und deswegen auch keine Kaufentscheidungen für diese Produkte treffen. Bekommen hätten wir sicher langsam die sogenannten Markenartikler, die die Trends setzen. Von diesen Konzernen gab es auch sehr starkes Interesse. Sie wollten eine Kooperation mit pl@net und Projekte sponsorn, obgleich wir so klein waren. Wir sind da plötzlich ohne jede Vorbereitung von der Kreisliga in die Bundesliga gestolpert - mit zweieinhalb Leuten und praktisch keinem Geld. Ich bin mir sicher, daß ein Magazin, das vielleicht nicht ganz so akademisch wie pl@net ausgerichtet ist, guten Erfolg haben könte.

Pl@net hat, obwohl es ein Internet-Magazin war, auf dem Netz nur sehr dünn vertreten. War das Absicht?

Giesbert Damaschke: Ich hätte das gerne anders gemacht, aber wir hatten dafür nicht genug Mitarbeiter. Andererseits haben wir uns erst einmal auf den Printbereich konzentriert, weil wir daher kommen und uns auskennen. Man kann auch nicht einfach das, was man im Printmedium macht, einfach online reinklatschen. Wir hatten anfänglich schon einiges vor, aber das ist dann doch am Aufwand gescheitert.