E-Mail-Interview mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss

Ohne Datensicherheit mehr Kriminalität

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Christiane Schulzki-Haddouti führte ein E-Mail-Interview mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss, Vizevorsitzender der Enquete-Kommission "Zukunft der Medien" zum Thema Kryptoregulierung. Tauss zählt zu den schärfsten Kritikern nicht nur der Kryptoregulierung, sondern auch des Multimediagesetzes von Bund und Ländern.

Warum behaupten Sie, dass das geplante Krypto-Gesetz "populistische Symbolik" besässe?

Jörg Tauss:Egal ob Chaos Computer Club, Bundesverband der Banken, Industrie, Wissenschaft, Gesellschaft für Informatik: Wer was vom Thema versteht, ist gegen eine Krypto-Regulierung oder gar ein Krypto- Verbot. Wenn die Bundesregierung trotzdem daran arbeitet, geht es also offensichtlich nur darum, den Stammtischen vorzugaukeln, man wolle etwas gegen Kriminalität unternehmen. Das Gegenteil ist aber der Fall. Ohne Datensicherheit für Bürger und Wirtschaft mit Hilfe autonomer und harter kryptografischer Verfahren wird es in der "Informationsgesellschaft" mehr Kriminalität bis hin zum Datenterrorismus geben.

Wie erklären Sie sich, daß in der Argumentation der Regulierungsbefürworter Bürgerrechte mit keinem Wort erwähnt werden?

Jörg Tauss:Unter Freiheit verstehen die nur noch Gewerbefreiheit und auch das nur noch begrenzt.

Welches Interesse wird mit den Entwürfen verfolgt?

Jörg Tauss:Die Begründung ist so simpel wie falsch. Wenn der Staat Telefone abhören dürfe, müsse er eben auch den Datenverkehr überwachen können. Doch der Vergleich hinkt, weil Telefone nur individuell im Verdachtsfall überwacht werden. Eine Krypto- Regulierung beträfe aber alle. Man könnte analog dazu dann allen Hausbesitzern gesetzlich die Installation einheitlicher Schlösser vorschreiben, für die ein Schlüssel auch noch bei Behörden zu hinterlegen sei. Im realen Leben käme niemand auf solche abstrusen Ideen. Bei den Datennetzen besteht Gefahr, dass ein solcher Blödsinn sogar amtliche Regierungspolitik wird.

Was unterscheidet den Entwurf des Kryptogesetzes von dem des Großen Lauschangriffs?

Jörg Tauss:Schon über den Lauschangriff gab es ja heftige Dikussionen. Eine Kryptoregulierung ginge aber weit darüber hinaus. Aus diesem Grund wehren sich ja nicht nur Fachleute aus der Informatik und der Wirtschaft sondern auch alle Datenschützer vehement gegen Krypto-Regulierungen.

Herr Ministerialdirektor Rupprecht behauptet, durch die geplante Kryptoregulierung ergäbe sich keine größere Abhörtiefe. Was halten Sie von dieser Einschätzung?

Jörg Tauss:Sie ist falsch, weil alle Bürger betroffen sind.

Wie ist das Statement des Parlamentarischen Staatssekretärs Lintner zu verstehen, ein Genehmigungsvorbehalt für kryptographische Verfahren hätten keine wesentlichen Auswirkungen für Forschung und Lehre?

Jörg Tauss:Diese Behauptung ist völlig falsch. Die Bundesregierung hat offensichtlich noch nie mit Informatikern das Problem beredet.

Welche Kryptopolitik vertritt die SPD?

Jörg Tauss:Die SPD- Bundestagsfraktion hat unmissverständlich klar gesagt, dass die Möglichkeiten teilnehmerautonomer Verschlüsselung erhalten bleiben müssen. Restriktive Regelungen zum Einsatz kryptografischer Verfahren wären verfassungsrechtlich fragwürdig und wirtschaftspolitisch schädlich. So ist die einstimmige Beschlusslage. Nebenbei: Da ich selbst PGP verwende, wäre ich bei einer Kriminalisierung von Verschlüsselung, wie es die CSU will, selbst ein Fall für Immunitätsausschuss und Staatsanwaltschaft. Das kann ja aufregend werden.

Wie stehen sie in diesem Zusammenhang zum Signaturgesetz?

Jörg Tauss:Ich habe als zuständiger Berichterstatter der federführenden Arbeitsgruppe Forschung und Technologie grundsätzliche Zustimmung empfohlen. Allerdings bedarf es noch Nachbesserungen und vor allem der Nachhilfe für die Bundesregierung. Kürzlich habe ich gefragt, wie sie denn in diesem Zusammenhang das Problem mit der Einführung digitalen Geldes sieht. Der zuständige Staatssekretär hat mir daraufhin geantwortet, das eine hätte mit dem anderen nichts zu tun. Für Währungsfragen sei schliesslich die Bundesbank zuständig. Sie sehen: Die Diäten eines SPD-Abgeordneten sind gelegentlich reines Schmerzensgeld.

Auch die FDP votiert inzwischen gegen die Kryptopläne der Bundesregierung, Grund zur Hoffnung?

Jörg Tauss:Leider nein. Die FDP ist zu schwach. Im parlamentarischen Bereich hat sie sich noch nie zu Krypto geäußert. Im Zweifel knicken die Liberalen ein.

Was erwarten Sie von den OECD-Richtlinien?

Jörg Tauss:Wenn Deutschland nicht ein klares Signal setzt, leider herzlich wenig.

Weitere aktuelle Artikel in Telepolis zur Kryptothematik:
Kanthers Kurs auf das Kryptoverbot, Regierungsvarianten zur Kryptoregulierung, von Christiane Schulzki-Haddouti.

Jeder Bürger wird verdächtig..., Christiane Schulzki-Haddouti faßt Meinungen zur Kryptodebatte zusammen.

Weitere Quellen zur Kryptodebatte:
Krypto-Aktion der c't.

Seit fast zwei Jahren werden Sinn und Unsinn von Kryptoregulierungen in Online-Kreisen diskutiert.

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