Auswege aus der Globalisierungsfalle

Florian Rötzer im Gespräch mit Harald Schumann über den Angriff auf Demokratie und Wohlstand, das Versagen der Politik und europäische Antworten auf die Globalisierungsprozesse.

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Sie haben zusammen mit Hans-Peter Martin das Buch Die Globalisierungsfalle (Rowohlt Verlag, 1996) geschrieben. Jeder spricht heute von den Chancen und Gefahren der Globalisierung, aber dadurch verwässert sich auch dieser Begriff und wird zu einem Totschlagargument. Was sind die wesentlichen Merkmale der Globalisierung, und was ist das Neue daran?

HARALD SCHUMANN: Das Phänomen besteht darin, daß durch technische und politische Entwicklungen Märkte, Unternehmen und Informationsflüsse sowie teilweise kulturelle Sphären grenzüberschreitend und völlig unabhängig von nationalen Widerständen weltweit verschmelzen. Am weitesten geht die Verschmelzung zwischen den klassischen Industrieländern, die in der OECD zusammengeschlossen sind. Hier entwickelt sich so etwas wie ein gemeinsamer OECD-Binnenmarkt auf allen Ebenen. Die materielle Produktion von Gütern und Dienstleistungen wird grenzüberschreitend vernetzt. Das bringt die einzelnen Ländern in eine dramatische Abhängigkeit voneinander. Wenn in Japan etwas im positiven oder negativen Sinn wirtschaftlich passiert, dann sind wir heute davon tatsächlich unmittelbar und viel direkter betroffen, als dies noch vor 10 oder 15 Jahren der Fall war.

Früher hat man als Schreckgespenst immer von der Zweidrittel-Gesellschaft gesprochen. In Ihrem Buch sagen Sie, daß wir auf eine 20:80-Gesellschaft zugehen, also daß 80% der Menschen wirtschaftlich von der Informationsgesellschaft und damit auch von der Teilhabe an deren Reichtum ausgeschlossen sind.

HARALD SCHUMANN: Diese These stammt aber nicht von uns. Sie wurde von einigen amerikanischen und asiatischen Konzernführern auf einer Tagung vertreten, auf der sie sich hinter verschlossenen Türen und ohne Zuhörer wähnten. Die Manager schauen auf ihre eigenen Unternehmen und stellen fest, daß sie im Grunde mit einem Bruchteil ihrer heutigen Belegschaften auskommen würden, wenn es im Kostenwettbewerb darauf ankäme. Das rechnen sie hoch auf die Gesellschaft, woraus folgt, daß man den gesamten produktiven Sektor mit einem Fünftel der Gesellschaft organisieren könnte. Das stimmt natürlich so nicht, weil die Manager und Ökonomen dazu tendieren, den politischen Kontext der wirtschaftlichen Entwicklung auszublenden. Die Ausgrenzung eines so großen Teils der Bevölkerung erzeugt zwangsläufig politisch instabile Verhältnisse.

Tatsache ist allerdings, daß in der Form, in der die Globalisierung heute geschieht, nur ein Fünftel der Bevölkerung von der an sich positiven Entwicklung steigender weltweiter Effizienz profitiert, während sich in der Regel drei Viertel bis vier Fünftel der Menschen in den Industrie-, aber auch in den Schwellenländern zu den Verlierern zählen müssen. Insofern findet derzeit eine solche Spaltung an der 20:80-Prozent-Grenze statt. Das kann man auch in Deutschland beobachten. Noch krasser ist das in den USA.

Unter der Metapher der Standortbewahrung versuchen die Regierungen auf der ganzen Welt gegenwärtig, in ihren Nationen die Grundlagen für neue Arbeitsplätze zu schaffen, um die gesellschaftliche Kluft nicht weiter wachsen zu lassen. Haben nationale Regierungen aber unter den Bedingungen der Globalisierung überhaupt eine Chance, noch in die Wirtschaftskreisläufe steuernd einzugreifen?

HARALD SCHUMANN: Leider ist es ja so, daß die meisten Regierungen in den Industrieländern eben nicht versuchen, dieser Spaltung entgegenzutreten. Sie verschärfen sie ganz im Gegenteil fortwährend dadurch, daß sie dieser unseligen Standorttheorie anhängen und sich dadurch beispielsweise in einen Wettbewerb bei den Steuersystemen haben verstricken lassen. Anstatt gemeinsam dafür zu sorgen, daß die Steuerlast einigermaßen gerecht über die verschiedenen Einkommensgruppen verteilt ist, haben die westlichen Industrieländer es ermöglicht, daß Unternehmer und Vermögende eigentlich gar keine oder nur noch sehr wenig Steuern mehr zahlen müssen, während die abhängig Beschäftigten alles bezahlen. Die derzeit betriebene Politik, gerade hier in Deutschland, verschärft die soziale Spaltung und steuert ihr nicht entgegen.

Was kann die Politik tun? Am Wichtigsten wäre es wohl, sich mit der Erkenntnis anzufreunden, daß in der modernen, weltweit hoch integrierten Ökonomie die Arbeit am freien Markt in unseren Industrieländern nicht mehr das Medium sein kann, um den Wohlstand gerecht zu verteilen. Unsere Gesellschaft hat sich dramatisch zur kapitalintensiven Produktion von technischen Produkten und Dienstleistungen hin entwickelt. In diesem marktwirtschaftlichen Sektor wird es nie wieder genug Arbeit geben, weil dieser keine Vollbeschäftigung mehr im klassischen Sinn herstellen kann, es sei denn, wir würden wieder auf Wachstumsraten wie in den 60er Jahren kommen. Das wäre aber auch unter ökologischen Gesichtspunkten gar nicht wirklich anzustreben. Andererseits muß man erkennen, daß unser Land, Frankreich oder die USA in diesem Prozeß jedes Jahr reicher werden. Nur wird der Wohlstand sehr ungerecht verteilt, weil die Verteilung über Arbeit nicht mehr funktioniert.

Und genau hier setzt der politische Ansatz an, der sich fast aufzwingt. Die Politik muß intervenieren und dafür sorgen, daß diejenigen, die am Globalisierungsprozeß übermäßig verdienen, auch entsprechend hoch besteuert werden, um dem Staat die finanzielle Möglichkeit zu geben, die ungleiche Verteilung wieder aufzufangen, indem er in notwendige Arbeit investiert, also z.B. in den Aufbau eines umweltgerechten Verkehrssystems und vor allem die Modernisierung des Bildungssystems.

Aber kann das denn funktionieren? Wenn der Staat die Steuern erhöht, werden die Unternehmen oder Wohlhabenden sich doch dort noch mehr ansiedeln, wo die Besteuerung möglichst niedrig ist. Das ist doch heute gerade das Problem.

HARALD SCHUMANN: Ja, das ist ja die Falle, weil es besonders in diesem steuerlichen und Verteilungsbereich auf nationaler Ebene keine großen Spielräume und Handlungsmöglichkeiten mehr gibt. Wenn man den Handlungsraum auch nur auf den europäischen Raum ausdehnt, ist das aber schon ganz anders. Nehmen wir das Beispiel der Steueroasen. Die wichtigsten Steueroasen stehen unter dem Schutz der britischen Krone: die Kanalinseln, die Isle of Man, die Cayman Islands und noch ein paar andere. Dazu gehört auch die City von London, die im Grunde eine einzige große Steueroase ist. Es müssen Mittel und Wege gefunden werden, die britische Regierung in eine europäische Steuerdisziplin einzubinden, und den von ihr abhängigen Territorien muß das Recht entzogen werden, wie ein Staubsauger über die Kapitalmärkte zu gehen und das, was bei uns erwirtschaftet und angelegt wird, dort steuerfrei zu verbuchen. Die Souveränität dieser Steueroasen ist ohnehin nur eine geliehene. Das sind alles Zwergstaaten, die von Gnaden der großen Regierungen ihren Steuerzauber veranstalten können. Der erste Schritt also wäre, die Heuchelei in der Steuerpolitik aufzugeben und aufzuhören, darüber zu jammern, daß uns die Reichen mit ihrem Vermögen weglaufen. Tatsache ist, daß die Politik sie weglaufen läßt.

Vielleicht kann man ja europaweit die Löcher schließen, aber werden sich nicht neue Oasen irgendwo auf der Welt eröffnen?

HARALD SCHUMANN: Aber was sind diese Steueroasen letztlich? Letztlich sind es exterritoriale Gebiete auf den Festplattenspeichern der großen Zentralrechner der Banken. Wenn es eine politische Entschlossenheit, und sei es nur im europäischen Raum, gibt, daß man der Steuerflucht ein Ende machen will, dann wäre schon viel bewegt. In den Unternehmensvorständen sitzen ja keine Kriminellen. Das sind Manager, die das machen, was die Politik und die Staaten ihnen erlauben. Wenn die Politik auf europäischer Ebene gemeinsam ein klares Signal setzt, daß es damit jetzt Schluß ist, weil es die Gesellschaften und die Steuerbasis unterhöhlt, dann wäre es relativ einfach, auch die Chefs der großen internationalen Banken davon zu überzeugen, daß sie dabei mitmachen müssen.

Man kann sagen, das sei voluntaristisch. Aber was ist die Alternative? Die Politik verliert jetzt fortwährend an Initiative und Glaubwürdigkeit - und am Ende auch das demokratische Prinzip. Als Folge kommen die Autoritären aus ihren Löchern und werden auch entsprechend Wählerstimmen einsammeln. Das ist in den meisten europäischen Ländern schon voll im Gang, wenn man sich etwa die Wahlerfolge von Haider, LePen oder Fini ansieht.

Der springende Punkt ist, daß wir die Frage nach einem internationalen Rahmen für die Märkte endlich ernst nehmen müssen. Wir dürfen es nicht den Diplomaten im Auswärtigen Amt und den führenden Ministerialbeamten in den einzelnen Hauptstädten überlassen, hinter verschlossenen Türen gemeinsame Regeln zu finden. Die europäische Politik muß endlich zum wichtigsten Tagesordnungspunkt im Deutschen Bundestag und in der politischen Auseinandersetzung innerhalb der EU-Länder sowie natürlich auch über deren Grenzen hinweg werden. Bislang haben wir in Deutschland das Problem, daß es nur einen wichtigen Europapolitiker gibt - und der heißt Helmut Kohl. Darum hat das Technokraten-Europa der Handlungsunfähigkeit bisher gesiegt.

Aber warum ist eigentlich diese große Apathie gegenüber Europa in Deutschland und den anderen Ländern vorhanden? Europa findet keine Resonanz mehr, es geht nur noch um Selbstbehauptung bis hin zum Nationalismus, von dem Sie vorhin sprachen. Ist das nur ein Vermittlungs- oder Aufklärungsproblem?

HARALD SCHUMANN: Vor kurzem haben die Arbeiter von Renault bewiesen, daß sie durchaus fähig sind, europäisch zu denken. Sie haben gemeinsam in Frankreich, Spanien und Belgien gegen die Schließung eines Werkes in Belgien gestreikt. Wenn einem die Probleme richtig auf die Pelle rücken, dann wird der europäische Gedanke sehr konkret. Aber es stimmt natürlich - und das ist das Drama der europäischen Integration -, daß die öffentliche Vermittlung der europäischen Politik in den 70er Jahren hängengeblieben ist. In den Medien wird über Europa nur berichtet, wie es der Bundesregierung gelingen könnte, das nationale Interesse in Brüssel zu sichern. In Brüssel gibt es aber kein nationales Interesse, sondern es gibt Interessen von Arbeitnehmern, Unternehmern oder Vermögensbesitzern, also genau die Interessen, die es auch auf nationaler Ebene gibt.

Die Apathie ist vermutlich deshalb so groß, weil die existierende europäische Verfassung eine Fehlkonstruktion ist. Sie ist technokratisch und schließt die Bürger faktisch vom Entscheidungsprozeß aus. Das wird sich entweder über kurz oder lang ändern müssen oder die Europäische Union wird wieder auseinanderbrechen. Dann kommen wir in das Szenario der 20er Jahre, wenn die europäischen Staaten beginnen, sich mit Währungskriegen und protektionistischen Maßnahmen abzuschotten. Die Folge werden gigantische Wohlstandsverluste sein. Wenn die Integration zurückgeschraubt wird, kann das nur schiefgehen. Die ökonomische Integration über die Grenzen hinweg ist eigentlich eine Einbahnstraße.

In Ihrem Buch sagen Sie, daß nicht nur eine politische Handlungsfähigkeit wieder geschaffen werden müßte, sondern daß auch die Grundlagen einer "sozialen Solidarität" wieder hergestellt werden sollten. Eine bessere Umverteilung des Vermögens ist ein Schritt. Aber der setzt auch bereits ein neues Weltbild voraus. Im Augenblick dominiert die neo-liberale Ideologie als Heilsversprechen, der fast alle Regierungen in Europa folgen. Die Veränderung wird vermutlich nicht von den Regierungen kommen, sie muß von den Bürgern kommen. Sehen Sie dafür Ansatzpunkte?

HARALD SCHUMANN: Am Wichtigsten ist, daß jeder an dem Ort, an dem er sich befindet, dem derzeitigen wirtschaftspolitischen Diskurs offensiv entgegentritt. Die Argumente, mit denen gearbeitet wird, um den Sozialstaat abzubauen, die Löhne zu senken oder die Gewerkschaften auseinander zu treiben, sind zum größten Teil reine Propagandalügen. Allenthalben ist in Deutschland von der Kostenexplosion im Sozialstaat die Rede. Man kann sicher über die Reformbedürftigkeit einzelner Regelungen sprechen, aber eine Kostenexplosion im Sozialstaat hat nicht stattgefunden. Der Anteil, den die Sozialtransfers am Bruttoinlandsprodukt einnehmen, ist heute genauso hoch wie 1975. Wir haben eine Finanzierungskrise des Sozialstaates, die auf die steigende Arbeitslosigkeit zurückgeht, weil die Finanzierung bislang letztlich an die Arbeitsplätze gebunden ist. Deshalb muß man das System zunehmend auf eine Steuerfinanzierung umstellen. Die Dänen haben dies beispielsweise längst gemacht, deswegen gibt es in Dänemark auch keine Krise des Wohlfahrtsstaates. Sie haben einen starken Wohlfahrtssaat aufgebaut, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Und das gelingt ihnen sehr erfolgreich, weil sie dabei zusätzlich noch gute Wachstumsraten und eine sinkende Staatsverschuldung erzielen.

Man muß auch unbedingt der Propaganda entgegentreten, daß an der Misere bei uns die neuen Schwellenländer im Osten und im Süden Schuld hätten. Das ist glatt gelogen. Mit diesen Ländern, die uns angeblich unseren Wohlstand wegnehmen, erzielen wir jedes Jahr Handelsüberschüsse. Unser Problem ist nicht, daß uns die Armen etwas wegnehmen - ein Argument, das auch Wasser auf die Mühlen der Ausländerfeinde lenkt -, sondern daß sich unsere Ökonomie so in Richtung Kapitalintensivität entwickelt hat, daß über Arbeit allein die Verteilung des Wohlstands nicht mehr möglich ist. Das kann man leicht beweisen. Jeder kann an seinem Arbeitsplatz diesen Propagandalügen entgegentreten und sagen, daß wir Gerechtigkeit durch staatliche Intervention brauchen. Damit wäre schon eine Menge bewirkt.

Der ökonomische Diskurs des Neo-Liberalismus, auf den Sie verwiesen haben, kippt gerade in den meisten Industrieländern. In den USA ist gegenwärtig eine große Debatte im Gange, ob nicht die soziale Spaltung viel zu weit gegangen ist, und ob nicht sogar das, was die Amerikaner gemacht haben, letztlich volkswirtschaftlich ineffizient war. Nicht zufällig sind den USA so viele Märkte weggebrochen, nicht zufällig ist Amerika das größte Schuldnerland der Welt mit dem größten Handels- und Leistungsbilanzdefizit. In Großbritannien ist die Flexibilisierung, wie man es euphemistisch nennt, so weit gegangen, daß inzwischen zwei Drittel der Jugend keine ordentliche Ausbildung mehr erhält. Wenn uns die neo-liberalen Ökonomen Großbritannien als Vorbild entgegenhalten, dann kann man ihnen nur empfehlen, daß sie eine vierwöchige Reise durch das Land machen und die dortige Infrastruktur testen sollen. Der Rückzug des Staates ist hier so weit gegangen, daß alles schon verfällt. Die Reichen in Großbritannien haben, so konnte man unlängst in der Financial Times lesen, inzwischen zu drei Viertel Angst, daß die Einkommensunterschiede in ihrem Land zu groß geworden sind.

Das sind alles Zeichen dafür, daß der neo-liberale Diskurs am Ende ist. Diese Ideologen versprechen uns unentwegt Dinge, die nicht eintreten. Man sagt, daß die Unternehmensgewinne steigen müssen, damit die Investitionen steigen. Seit Antritt der Regierung Kohl steigen die Unternehmensgewinne, wenn man einmal von den beiden Rezessionsjahren absieht. Aber die Investitionsrate ist gesunken. Diese ganzen Propagandalügen sind leicht zu widerlegen. Und das ist es, was wir zuerst tun müssen.

Die Globalisierung ist zum Teil auch auf die technischen Bedingungen zurückzuführen, was Sie ganz zu Anfang auch angesprochen haben. Dazu gehören die Telekommunikationsmittel, die die Vernetzung und Dezentralisierung der Unternehmen im großen Stil erst ermöglichen. Es gibt allerdings auch die Hoffnung, daß durch die Kommunikationsmöglichkeiten besonders der Computernetze auch eine neue politische Öffentlichkeit erwachsen könnte, die ebenso wie die globale Ökonomie international und nicht mehr an territoriale Grenzen gebunden ist. Bietet etwa das Internet eine Chance, der globalen Ökonomie eine globale Bürgerbewegung entgegen zu setzen?

HARALD SCHUMANN: Ja, da gibt es ein Potential, aber ich sehe auch eine gegenläufige Entwicklung. Die Auswirkung der Vernetzung auf die politische Kultur ist sehr widersprüchlich. Für die, die damit umgehen können, gibt es natürlich einen ungleich besseren und billigeren Informationszugang auf allen Ebenen als noch vor wenigen Jahren. Teilweise ist dies auch im besten demokratischen Sinne umgesetzt worden, wenn man an die hervorragende Netzarbeit denkt, die Nicht-Regierungs-Organisationen im Umfeld von IWF- und UNO-Konferenzen gemacht haben. Dadurch konnte tatsächliche eine weltweite Debatte über die jeweiligen Themen stattfinden, wie sie sonst nicht möglich gewesen wäre. Darüber habe ich seiner Zeit auch ganz euphorisch geschrieben.

Aber andererseits kann man auch feststellen, daß große Teile der Bevölkerung vom damit einhergehenden dramatischen Wandel der Technik völlig abgehängt werden. Wer tagtäglich mit dem Computer und mit den sich dauernd veränderden Programmen umgeht, bekommt das nicht so mit. Aber Otto Normalverbraucher und damit die Mehrheit der Bevölkerung sind davon völlig ausgeschlossen. Ich kann das am eigenen Umfeld beobachten. Auch vor denen, die eine akademische Bildung besitzen, macht dieser Ausschluß nicht halt. Die weltweite Vernetzung und der weltweite Informationsaustausch sind ein sehr elitäres und ein sehr männliches Phänomen. Ich sehe nicht, daß dadurch die Bevölkerung massenhaft in demokratische Prozesse einbezogen wird. Ich sehe eher, daß immer mehr Menschen abgehängt werden, die lernen müßten, damit umzugehen, das aber nicht machen, weil sie vom Gefühl und auch von der Zeit her überfordert sind. Ich selbst beispielsweise habe ein hohes Interesse daran, aber ich kann es mit meinem Job nicht vereinbaren, mir alle paar Monate neue Programme anzueignen. Ich habe auch noch Familie und Kinder, ich muß Beiträge schreiben und recherchieren. Die Netz-Euphoriker werden sich hierzu noch etwas einfallen lassen müssen.