Clinton als Härtetest für das Internet

Die Video-Aussage des Präsidenten im Fall Lewinsky wird veröffentlicht

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Siehe auch: Das Internet als Pranger. Eine deutsche Kampagne gegen den politischen Mißbrauch des Internet.

Der Rechtsausschuß des amerikanischen Abgeordnetenhauses hat nun doch beschlossen, die Video-Aufzeichnung der Aussage von Bill Clinton im Lewinsky-Fall sowie weitere 2800 Seiten aus dem Beweismaterial des Sonderermittlers Starr zu veröffentlichen. CNN hat bereits angekündigt, daß das Video ab Montag vormittag im Internet angeboten wird.

Überdies hat der Richter im Paula Jones Fall beschlossen, die Videoaufzeichnung der Aussage von Clinton im Januar zu veröffentlichen, in der der Präsident abstritt, sexuelle Beziehungen mit Lewinsky eingegangen zu sein.

Der Vorsitzende des Rechtsausschusses, der Republikaner Henry Hyde, sagte, daß mehr als 120 Abschnitte der Dokumente, die explizit sexuelle Informationen enthalten, "zum Schutz unschuldiger Menschen" nicht gezeigt werden. Offenbar hatten sich Demokraten und Republikaner über das Ausmaß der Zensur in die Haare gekriegt, denn die Republikaner wollten nicht so viele Abschnitte zensieren. Doch schon bei der Veröffentlichung des Starr-Berichts ist es ironischerweise zu einem Konflikt mit den Bestrebungen vor allem republikanischer Abgeordneten gekommen, Minderjährige gesetzlich vor pornographischen Inhalten im Netz zu schützen, und gleichzeitig zu verlangen, daß die von Lewinsky berichteten sexuellen Handlungen im Interesse der Öffentlichkeit unzensiert bleiben sollten. Filterprogramme, wie sie etwa von Ernest Istooks Gesetzentwurf gefordert werden, hätten jedenfalls den Zugang zum Starr-Report in Schulen und Büchereien unmöglich gemacht. Auch wenn viele Passagen herausgeschnitten werden, so bleiben doch in der Video-Aufzeichnung sexuell explizite Aussagen übrig, die das Problem erneut stellen und eine strategische Doppelzüngigkeit offenbaren.

Zwar haben jüngste Umfragen ergeben, daß 70 Prozent der Amerikaner das Video nicht veröffentlicht sehen wollen, aber die große Nachfrage nach dem Starr-Report, den an die 25 Millionen Menschen im Netz - mit Spitzen von 1,4 Millionen Besuchern bei ABC alleine am Freitag oder über 27 Millionen über das Wochenende bei CNN - aufgerufen haben, läßt vermutlich dann doch die Neugier durchschlagen. Mit dem Heranrücken der Veröffentlichung scheint sich auch die öffentliche Meinung zu ändern. Solange Clinton nicht gesehen werden konnte, fand man eine solche Premiere einer Veröffentlichung des Intimen nicht passend für die Politik, jetzt sprechen sich schon 46 Prozent der Amerikaner dafür aus, daß Clinton sich aus der Politik zurückziehen sollte.

Wenn jetzt große Teile oder gar die gesamte 4-stündige Aufnahme im Internet gezeigt werden, dann könnte dies das das Netz lahmlegen oder gar zusammenbrechen lassen. Auch diejenigen, die nicht mal eben Clinton zuschauen und zuhören wollen, wie er ärgerlich wird, wenn es um Zigarren und weibliche Geschlechtsteile geht, werden darunter leiden, wenn das Netz in Folge weltweit zur Schnecken-Autobahn wird.

Große Sender wie Fox, CNN, ABC oder BBC haben angekündigt, das Video live und on demand zur Verfügung zu stellen, sobald sie es haben. Man erwartet, daß Datenmengen, so groß wie noch niemals zuvor, über das Internet fließen, so daß es zu einem Härtetest für dessen Infrastruktur kommen wird. Da die Veröffentlichung am Montag Morgen geschieht, steht zu erwarten, daß viele Menschen in ihrem Büro das Video aufrufen werden, während abends eher Fernsehen vorgezogen werden würde. Benutzt werden RealVideo und Microsofts MediaPlayer zur Übertragung. Auch für diese Techniken wird Clinton zur Herausforderung, Microsoft sieht den Montag gar als "Showdown" zwischen seiner Technik und der von RealNetworks.

Frage ist nur, wer sich vier Stunden vor den Computermonitor setzen oder das Video herunterladen wird. Wo das Internet im Hinblick auf Text noch echte Vorteile bietet, könnte es sich derzeitig bei solchen Bandbreite verschlingenden Datenströmen eher als ungeeignet erweisen. Das könnte zeigen, wie wichtig das Bandbreitenproblem im Internet ist, wenn es denn ein Massenmedium in Konkurrenz zum fernsehen werden will. Auf jeden Fall wird Clinton nicht nur in die politische Geschichte, sondern unfreiwillig auch in die Geschichte des Internet eingehen.