Die Zukunft des Körpers

Ist der biologische Körper ein Auslaufmodell

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Im Zeitalter der Informations-, Neuro- und Biotechnologien wird der menschliche Körper umgestaltet und neu entworfen, um ihn an die neue Umwelt der Informationsgesellschaft anzupassen.

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Vor kurzem wurde eine Frankensteinähnliche Kreatur von Wissenschaftlern des M.I.T. und der University of Massachusetts geschaffen, deren Bild um die Welt ging: eine Maus, auf deren Rücken ein menschliches Ohr wächst. Die Maus ist ein Ergebnis der Ersatzteilchirurgie. Meist verpflanzt man dabei Gewebe oder "Ersatzteile" von anderen Menschen mit dem Risiko, daß diese abgestoßen werden. Jetzt geht es darum, wie man den Körper dazu überlisten kann, die fehlenden Teile selbst zu erzeugen. Im Falle des Ohrs ließ man menschliche Ohrzellen in einer Gewebekultur wachsen und verpflanzte diese dann unter die Haut einer Maus, die man ohne Immunsystem gezüchtet hatte, um die Abstoßung zu verhindern. Die Zellen vermehrten sich und nahmen die Gestalt eines menschlichen Ohrs an, das man wieder auf einen Menschen verpflanzen könnte. Nur wird der Empfänger trotz seines neuen Ohrs noch nichts hören können.

An diesem Punkt setzt dann der Schritt zur Neurotechnologie ein, also zum Versuch, fehlende oder beschädigte neuronale Funktionen durch Chips zu ersetzen, die man in die entsprechende Areale des Gehirns verpflanzt. Eine solche neuronale Hörprothese wird schon seit einiger Zeit mit Erfolg verpflanzt, an einer Sehprothese gearbeitet und über dauerhaft implantierbare Schnittstellen von Neuronen und Siliziumtransistoren geforscht, um Computersysteme und Gehirnareale direkt miteinander zu koppeln.

Hinter solchen einzelnen wissenschaftlichen oder technischen Erfolgen breitet sich ein neuer Umgang mit der Natur oder dem Körper vor, der längst begonnen hat, aber jetzt erst in seiner ganzen Breite erkennbar wird: Leben wird nicht nur ingenieursmäßig verstanden und behandelt, sondern auch ansatzweise bereits so produziert. Vergessen sollte man nicht, daß auch das Gehirn mit seinen Funktionen längst zu einem Organ unter anderen wurde, dessen Eroberung, Verbesserung und Ersetzung nun ansteht.