Neues Entführervideo fordert erneut Abzug der Truppen aus Afghanistan

Was die irakischen Entführer und die GIMF außer Suche nach öffentlicher Aufmerksamkeit wirklich bezwecken, bleibt schleierhaft

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Pünktlich zum Abflug der deutschen Tornados nach Afghanistan, die nach wiederholter und deswegen nicht glaubhafterer Beteuerung von Verteidigungsminister Jung nur der Aufklärung dienen, aber nicht an Kampfeinsätzen beteiligtt sein wollen, haben die Entführer der beiden deutschen Geiseln im Irak wieder ein Video veröffentlicht. Zur Bundestagsdebatte über die Ausweitung des Irak-Kriegs war das erste Video von der Gruppe "Pfeile der Rechtschaffenheit" ins Netz gestellt worden. Einen Tag später wurde von der Globalen Islamischen Medienfront ein Video, angeblich produziert von der "Stimme des Kalifats", mit dem Titel "Eine Nachricht an die Regierungen von Deutschland und Österreich" veröffentlicht, in dem der Abzug der Truppen aus Afghanistan gefordert und mit Anschlägen in Deutschland oder Österreich gedroht wurde (Ist Deutschland im Krieg angekommen?).

Nun scheinen die GIMF, eine Gruppe, die man in Deutschland und/oder Österreich vermutet und die vornehmlich deutsche bzw. englische Übersetzungen von Videos islamistischer Terroristen herstellt und im Netz verbreitet, und die "Pfeile der Rechtschaffenheit" direkt zu kooperieren. "Der zweite Aufruf an die deutsche Regierung" wurde jedenfalls von der "Abteilung für Fremdsprachen" der GIMF, wie es großsprecherisch heißt, übersetzt. Die GIMF, möglicherweise nur ein Ein- oder Zwei-Mann-Betrieb, will sich im deutschsprachigen Raum damit weiter profilieren, was sie allmählich auch durch die Verbreitung ihrer "Publikationen" erreicht hat. Das mag tatsächlich auch dazu beitragen, dass der mediale und politische Erfolg – die reflexhaften Reaktionen der Sicherheitspolitiker kann man abwarten – zu einer Vergrößerung der Anhängerschaft führen könnte, die im "Krieg" gerne eine Rolle spielen und endlich auch für sich Aufmerksamkeit finden wollen.

In dem Video fleht wiederum Hannelore K. die Menschen in Deutschland auf deutsch an, ihnen zu helfen. Sie hätten nur noch kurze Zeit zu leben. "Bitte, macht was, helft uns", sagt sie wiederholt unter Weinen und schlägt vor, beispielsweise sich an Zeitungen zu wenden oder Protestmärsche zu organisieren. In der offenbar von den Entführern instruierten Ansprache der Entführten heißt es etwa, dass Deutschland und Österreich so lange sicher waren, bis sie sich mit den Amerikanern in eine "teuflische Koalition" eingereiht hätten. Die Kamera ist, während die Hannelore K. spricht, meist auf ihren Sohn gerichtet, der versucht, in diesem demütigenden und grausamen Schauspiel Haltung zu bewahren.

Während die Entführte vornehmlich an das Mitleid aufgrund des persönlichen Schicksals appelliert, enthält die von der GIMF übersetzte Botschaft der Entführer die Forderungen und stellt noch einmal den Bezug zu Österreich heraus, da die Frau eine "Leiterin der österreichischen Botschaft in Bagdad" gewesen sei. Es handelt sich offenbar um Sunniten, denn der Sohn wird als Verbrecher bezeichnet, weil er für das irakische Außenministerium unter der Maliki-Regierung gearbeitet hat. Weiter heißt es, die Entführer hätten die Frist für die deutsche Regierung noch einmal um 10 Tage verlängert – die erste Frist war allerdings erst einmal ohne weitere Reaktion um mehr als zwei Wochen überschritten worden -, da "sie gesehen haben, dass das deutsche Volk angefangen hat zu reagieren, und es fangt an zu verstehen, dass der Einsatz seiner Truppen in Afghanistan, ihm nur Katastrophen bringen wird." Da das Video aber keine Datierung enthält, könnte es schon älter sein. Die deutsche Übersetzung des Textes ist nicht besonders gut.

Gefordert wird wieder, die Soldaten aus Afghanistan abzuziehen. Das macht deutlich, dass es nun wohl sicher um einen politischen Einsatz und nicht um Lösegeld geht, aber auch nicht um einen realistisch erzielbaren Erfolg. Die Appelle von Bundespräsident Köhler und Außenminister Steinmeier sind verhallt und haben nicht zu einer Kontaktaufnahme geführt. Die Entführer dürften wissen, dass Deutschland, zumindest nicht in kurzer Zeit, seine Truppen wegen der beiden Geiseln zurückholen wird – und dies auch gar nicht könnte.

Wenn sie ein wenig Kenntnis von der Stimmung in Deutschland hätten, müsste ihnen auch klar sein, dass zwar die Kritik am Afghanistan-Einsatz mit der Entsendung der Tornados gestiegen ist, aber dass das Schicksal der Geiseln hier die Menschen offenbar nicht wirklich bewegt. Anders als in ähnlichen Fällen in Italien oder Großbritannien lässt sich in Deutschland (noch) nicht der Konflikt zwischen der Regierung und Kriegsgegnern mit Geiseln instrumentalisieren. Die von manchen unterstellte gute Kenntnis der politischen Lage in Deutschland scheint bei Entführern und GIMF daher nicht wirklich vorhanden zu sein. Würden sie sich gut in der deutschen Politik auskennen, wäre es wahrscheinlich in ihrem Sinne effektiver gewesen, die Beschwörungen der deutschen Regierung, dass die Tornados doch nur Aufklärungsarbeit leisten und nichts mit Kriegseinsätzen zu tun haben, aufzugreifen.

Was die Entführer wirklich bezwecken, ist weiterhin unbekannt. Das Spiel mit den Fristverlängerungen können sie nicht endlos fortsetzen. Meinen sie, sie könnten nach der terroristischen Logik Anhänger und Medienaufmerksamkeit gewinnen, wenn sie die Geiseln töten? Oder rechnen sie auf eine weitere Entwicklung, um in konkrete Verhandlungen einzureten? Seltsam ist auch, dass das Video erst veröffentlicht wurde, nachdem die Tornados bereits entsendet wurden. Hätten die Geiselnehmer das tatsächlich beeinflussen wollen, hätte dies früher geschehen müssen.