Die Unterhaltungsindustrie als Rüstungssektor

Für eine Abrüstung der kriegsfreundlichen Massenkultur fühlt sich scheinbar niemand zuständig

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die UNO hat das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts zur „Dekade für eine Kultur der Gewaltfreiheit und des Friedens“ erklärt. Derweilen schreitet die kriegerische Aufrüstung der kommerziellen Kultur unverdrossen voran. In den Informationsmedien hat sich – allen gegenteiligen Bekundungen zum Trotz – der schönfärberische Sprachgebrauch des Militärs schon wieder sehr weitgehend etabliert. Die Unterhaltungsindustrie, deren Beitrag in der Friedensforschung vergleichsweise selten bedacht wird, bringt unaufhörlich Filmproduktionen und Computerspiele mit militärischen Inhalten auf den Markt.

Spartanerkönig Leonidas. Szene aus 300. Bild: Warner Bros.

Gerade in diesen Tagen sind unsere Städte wieder zuplakatiert mit Kinoankündigungen für das Historienspektakel 300 (USA 2006) von Zack Snyder. Die zentrale Botschaft lautet: „Ruhm werdet ihr ernten!“ Freilich kann man behaupten, dieser Blockbuster über ein aggressives Perserreich und die „Verteidigung der Demokratie“ ein halbes Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung komme rein zufällig zeitgleich zu laufenden US-Plänen für einen Krieg gegen den Iran auf den Markt. Zudem handelt es sich ja auch um einen geradezu klassischen Hollywood-Stoff, der schon zur Zeit des Kalten Krieges angesagt war.1 Vielleicht weiß eine der Hauptfiguren des neuen Films, der Spartanerkönig Leonidas, mehr zu berichten über die Absichten der Produzenten:

A new age has come, an age of freedom. And all will know that 300 Spartans gave their last breath to defend it.(…) We Spartans have descended from Hercules himself. Taught never to retreat, never to surrender. Taught that death in the battlefield is the greatest glory he could achieve in his life. Spartans: the finest soldiers the world has ever known.

Sparta, das prominenteste Modell des kriegerischen Männerbundes, als Vorbild für unsere Epoche? Man erinnert sich: Bereits 2001 hat Robert Kagan, US-Politikberater und Mitbegründer der neokonservativen Denkfabrik Project for the New American Century, im Untertitel seines Buches „Warrior Politics“ eine Antwort auf die Frage angekündigt, „warum Führung ein heidnisches Ethos braucht“.

Genres der militarisierten Massenkultur

Historische Schlachtengemälde der Antike haben uns seit Beginn des Irak-Krieges schon zwei große Filmproduktionen zum Imperial-Entertainment vorgeführt: Troy (2004) von Petersen und Alexander (2004) von Stone. Solche Titel haben in Kriegszeiten wie der unsrigen eine wichtige Funktion. Sie ermöglichen es, jenes kriegerische Heldenideal zu ästhetisieren, für das es auf den leibhaftigen Kriegsschauplätzen der Gegenwart kein geeignetes Anschauungsmaterial gibt. Geschützt durch den Rückgriff auf weit zurückliegende Ereignisse darf dabei auch das Tragische am so genannten Heldentum thematisiert werden, welches ansonsten die nationale Kampfkraft zersetzen würde.

Die in der akademischen Filmwissenschaft verbreitete Fixierung auf spezielle Genres ist bei der Sichtung der vielfältigen Produktpalette und Zusammenhänge im militarisierten Unterhaltungsangebot wenig hilfreich.2 Der klassische Kriegsfilm über Gefechte der Moderne ist nur ein Segment unter vielen. Die Kritik der militarisierten Filmproduktion fragt deshalb nicht vordringlich: „Was zeichnet ein ganz bestimmtes Genre besonders aus?“ Sie möchte vielmehr wissen: „Was ist dem 'politischen' Programm des Krieges in massenkultureller Hinsicht dienlich?“

Unter dieser Voraussetzung erklärt sich ihr umfassender Untersuchungsgegenstand. Zu diesem gehören neben Kriegs- und Militärfilmen z.B. das Fantasy-Kino, Mythen von Gut und Böse, Historienfilme aller Art, Outlaw-Sagas, Comicverfilmungen, Horrorstreifen, Science-Fiction, Raumfahrtabenteuer, Action-Spektakel, Terrorfilm, Fiktionen über andere Kulturkreise, Politthriller, Agentenfilm, Straßenkriege auf der Leinwand, Katastrophenkino und Weltuntergangsszenarien. Mit wachsendem Überblick drängt sich die Frage auf, in welchem geläufigen Hollywood-Genre eigentlich nicht kriegssubventionierend gearbeitet wird.

Themen des kriegssubventionierenden Films

Zu Beginn des Afghanistan-Krieges 2001 und kurz danach waren es allerdings wirklich klassische Kriegsfilme, die dem Publikum – äußerst passend zum Auftakt von „Enduring Freedom“ – als relativ neue oder aktuelle Titel präsentiert werden konnten. Fast durchgehend handelte es sich um pentagongeförderte Titel. Im Vordergrund standen das Recycling des Zweiten Weltkrieges als einer zweifellos guten Sache (Band of Brothers), die Rache für Pearl Harbor, die „humanitäre“ Somalia-Mission der USA von 1993 (Black Hawk Down), „Nazi-Jagd“ auf dem Balkan im Jahr 1995 (Behind Enemy Lines) und ein ultimativ revisionistischer Vietnamfilm (We were Soldiers).

Noch vor dem Irak-Krieg ließ man dann im Kino eine „schmutzige Bombe“ losgehen (The Sum of All Fears). Der Schauplatz „Irak“ selbst tauchte dann vor allem verschlüsselt in einer Reihe von Filmen auf, die ich in meinem neuen Buch Bildermaschine für den Krieg unter der Überschrift „US-amerikanische Identitätsfindung in der Wüste“ behandle. Im Remake The Alamo (USA 2004) kämpfen z.B. texanische „Freiheitskämpfer“ gegen den mexikanischen General Santa Anna. Jörn Glasenapp vermerkt3, dass dieser im Film „eine erstaunliche Ähnlichkeit mit Saddam Hussein aufweist“.

Stellvertretend für das aktuelle Geschehen thematisierte das US-Kino anschließend auch vermehrt den Golfkrieg 1991, allerdings durchweg ohne Militärassistenz. Für das US-Fernsehen wurde der HBO-Film Live from Baghdad (2002) produziert. Die CNN-Pioniere der Echtzeit-Kriegsberichterstattung von 1991 dürfen darin – gemäß authentischer Buchvorlage – ausgiebig ihren journalistischen Narzissmus ausleben.

Kinder erreicht das kriegsfreundliche Hollywood zu Beginn des dritten Jahrtausends z.B. mit dem Märchen The Chronicles of Narnia (USA 2005). Der Weihnachtsmann bringt darin Waffen für die große Schlacht gegen das Böse. Für die militärtechnologische Revolution und ein gutes Image der Rüstungsindustrie ist das Science-Fiction-Genre (Batmans Rüstungsfabrik) zuständig. Wer moralische Bedenken hinsichtlich einer neuen Generation von unbemannten Kampfflugzeugen mit elektronischen „Entscheidungskompetenzen“ hegt, findet Beruhigung im pentagongeförderten Luftkriegsfilm Stealth (USA 2005).

Das Afrika-Kino inszeniert „humanitäre Katastrophen“ und setzt auf die Entrüstung des Publikums. Dass die reichen Weltzentren sich auf dem afrikanischen Kontinent anders benehmen müssten und statt der zahlreichen Militärplanungen zivile humanitäre Programme im großen Stil dem Frieden dienlich sein könnten, gehört nur im Einzelfall zu den Botschaften. Selbst im 60. Jahr der Hiroshima-Bombe gab es keinen Gedenkbeitrag des Kinos. Nuklearwaffen sind in Blockbustern entweder Mittel der zivilen Katastrophenabwehr oder liegen in Schurkenhänden, was natürlich eine Intervention der zum Atomwaffenbesitz befugten Guten nach sich zieht (Geistige Gesundheit im Atomic Café).

Filme über „islamistischen“ oder arabischen Terror haben eine jahrzehntelange Tradition. Besonders auch Fernsehproduktionen bleiben gegenwärtig am Ball. US-Rekruten im Irak haben sich bezüglich eigener Folterpraktiken ausdrücklich auf die TV-Serie „24“ berufen. Bezeichnend ist, dass man bei fiktionalen Darstellungen von theokratischer Grausamkeit das Königreich Saudi Arabien oder andere willige sunnitische Regimes gerne umgeht und sich lieber dem Iran zuwendet.

Angesichts der Kinowelle zu „Nine Eleven“, die im Fall von United 93 auch eine Beteiligung der Pentagon-Filmbüros aufweist und in diesem Jahr fortgesetzt werden soll, fragt man sich, ob die Häufung entsprechender Produktionen für 2006/2007 der Bush-Administration nicht vielleicht sehr gelegen kommt. Eine Militarisierung der Energiefrage gilt nunmehr auch im Politthriller als ausgemachte Sache. Diese Wurzel der gegenwärtigen Kriegsepoche wird dabei wie ein Naturgesetz akzeptiert.

Eine der zahlreichen Flugszenen aus dem vom Pentagon unterstützten Film „Stealth“ (USA 2005). Das hier gezeigte Trio erhält bald einen unbemannten „Kollegen“ mit elektronischem Superhirn. Bild: Columbia Pictues