Schimpanse von Gericht in Österreich nicht als Person anerkannt

Tierschützer und Primatologen hatten versucht, über einen Antrag auf eine Vormundschaft, für Schimpansen Grundrechte zu sichern, und wollen jetzt in Berufung gehen

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Noch in die Zukunft gerichtet sind Überlegungen, welche Freiheiten Roboter – "unsere nächsten Verwandten" (von Randow) erhalten sollen, wie eine Roboterethik formuliert werden könnte und ob dereinst autonomen intelligenten Robotern mit einer Persönlichkeit und Selbstbewusstsein auch gewisse Menschenrechte zugestanden werden müssten. Inzwischen sind unsere nächsten biologischen Verwandten, allen voran die Menschenaffen, vom Aussterben bedroht. Tierschützer und Wissenschaftler kämpfen darum, dass Schimpansen, Orang-Utans, Gorillas und Bonobos bestimmte Grundrechte erhalten sollen.

Allen voran setzt sich die internationale Organisation Great Ape Project, der u.a. Jane Goodall, Richard Dawkins und Peter Singer angehören, dafür ein, dass auch Menschenaffen fundamentaler moralischer und vor allem rechtlicher chutz gewährt werden müsste, da sie mit Menschen nicht nur genetisch nah verwandt sind, sondern ihm auch kognitiv sehr ähnlich sind, Bewusstsein und eine Persönlichkeit haben und über Kommunikation, Werkzeuggebrauch und Lernen selbst Kulturen entwickeln. Sie seien zumindest so intelligent wie Menschenkinder und müssten daher auch ähnlich behandelt werden. Das Great Ape Project versucht, die grundlegenden Rechte auf Leben, Freiheit und Unversehrtheit in einzelnen Ländern (Menschenrechte für Menschenaffen?) und auch auf der Ebene der Vereinten Nationen durchzusetzen.

In Neuseeland wurde 1999 erreicht, dass Menschenaffen die Rechte von "nichtmenschlichen Hominiden" zugesprochen wurden, wodurch sie vor Misshandlungen, Versklavung, Folter, Tötung und Ausrottung geschützt sind. Vor allem wurde damit die Möglichkeit, Menschenaffen für Forschungszwecke einzusetzen, stark begrenzt und ist nur erlaubt, wenn sie im Interesse des Hominiden oder seiner Art selbst ist. In den meisten europäischen Ländern werden Menschenaffen nicht mehr für die Forschung verwendet.

In Spanien versucht die Organisation ein Gesetz im Parlament durchzusetzen, das noch weiter geht. Danach würde nicht nur das Recht auf Leben und Freiheit den Menschenaffen gewährt, sie dürften auch nicht mehr als Besitz eines Menschen gelten und beispielsweise für Unterhaltungszwecke verwendet werden. Zudem müsste die spanische Regierung sich bemühen, eine internationale Konferenz zum Schutz der Menschenaffen einzuberufen. Das Parlament der Balearen hat dem Gesetzesvorschlag immerhin schon zugestimmt.

Ein anderer Fall hat gerade ein Gericht in Österreich beschäftigt. Dabei ging es nicht nur darum, einen Präzedenzfall zu schaffen, sondern interessanterweise auch noch um die rechtlichen Folgen einer Verschleppung und womöglich gar um einen Asylantrag für einen Schimpansen. Hiasl und Rosi wurden 1982 als Babys in Sierra Leone gefangen und mit weiteren Schimpansen nach Österreich geschmuggelt. Ziel war das Primatenforschungslabor der Pharma-Firma Immun in Orth, die seit 1999 dem US-Unternehmen Baxter gehört (das die Forschung an den dort vorhandenen 44 Schimpansen einstellte und diese im ehemaligen Safaripark Gänserndorf unterbrachte). Zollbeamte hatten die beiden Schimpansen ihren Kisten entdeckt und dem Wiener Tierschutzverein übergeben. Dort konnten sie nach einem Rechtsstreit mit der Pharma-Firma bis jetzt leben können und wurden seit 1999 von der in Wien lebenden Britin Paula Stibbe betreut.

Aber dem Verein drohte aufgrund wachsender Verschuldung die Schließung (die zwar vor kurzem vorerst abgewendet wurde). Weil dann die Schimpansen womöglich abgeschoben und doch wieder in einem Labor landen könnten, ist Martin Balluch mit dem Verein gegen Tierfabriken (VGT) und mit Unterstützung von Primatologen wie Jane Goodall und Volker Sommer oder Rechtsexperten wie Stephen Wise im Februar beim zuständigen Gericht einen Antrag auf Vormundschaft für den 26jährigen Hiasl gestellt. Der vom Gericht bestellte Vormund würde dann als dessen gesetzlicher Vertreter fungieren. Als Betreuerin (österreichisch: Sachwalterin) wurde Paula Stibbe genannt. Da nach dem Gesetz nur Menschen unter Vormundschaft gestellt werden können, wäre eine Bewilligung gleichzeitig die Anerkennung des Schimpansen als Person, wenn auch als unmündige, gewesen.

Die bekannteste Schimpansenexpertin, Dr. Jane Goodall, wurde als Zeugin aufgerufen. International anerkannte Anthropologen und Primatologen bestätigen in dem Gericht vorgelegten Gutachten, dass Hiasl biologisch gesehen der Gattung Mensch („homo“) zugerechnet werden muss. Laut Gesetz sind aber alle biologischen Menschen Personen.

Die Vormundschaft sei, so argumentierten die Tierschützer, die einzige Möglichkeit, das Überleben von Hiasl wirksam zu schützen, ihn davor zu bewahren, abgeschoben zu werden und gerichtlich gegen die vorzugehen, die ihn illegal verschleppt haben, um Unterhaltungszahlungen einzufordern. Zudem hatte Hiasl eine Geldspende in Höhe von 5.000 Euro erhalten. Der Spender hatte verlangt, um einen juristischen Kniff zu ermöglichen, dass ein Zugriff auf das Geld nur möglich ist, wenn der Beschenkte einen Vormund hat. Bei einem Sieg vor Gericht hätte man dann auch die Möglichkeit gehabt, für Resi ähnliche Rechte einzuklagen, sowie ein Sprungbrett für andere Länder geschaffen.

Ein Schimpanse, mit 99,4% genetischer Übereinstimmung mit uns, ist ganz offensichtlich keine Sache. Dann kann er aber nur eine Person sein, weil unser Gesetz sieht keine andere Möglichkeit vor.

Martin Balluch

Die Richterin Barbara Bartl vom Bezirksgericht Mödling war offenbar überfordert, ob sie das Anliegen, das weltweite Medienaufmerksamkeit fand, mittragen soll. Zunächst hatte sie Dokumente gefordert, die seine Identität belegen können, um so einen formalen Grund zu haben, das Verfahren einzustellen. Natürlich hat Hiasl keinen Pass oder Geburtsausweis, allerdings konnte seine Identität durch die Aussagen von Pflegern und Vertrauten, die ihn schon lange kennen, bestätigt werden. Die Richterin scheute allerdings davor zurück, wie Nature berichtet, den Schimpansen unter Vormundschaft zu stellen. Er sei nicht unmündig oder geistig behindert, ihm drohe aber auch keine unmittelbare Gefahr.

Balluch schreibt, die Richterin würde zwar nicht bezweifeln, dass man Hiasl als Person bezeichnen müsse, sie habe aber keinen Vormund für ihn berufen wollen, weil sonst möglicherweise Menschen, die einen Vormund haben, in der Öffentlichkeit zu Tieren degradiert werden könnten. Offiziell begründete sie die Ablehnung pragmatisch:

Ich meine, dass das Sachwalterrecht für die Verbesserung der rechtlichen Situation von Menschenaffen nichts bringen kann. Anzustreben wären eigene gesetzliche Regelungen, für deren Zustandekommen das Bezirksgericht Mödling jedoch nicht zuständig ist.

Damit ist Hiasl – und dem Anliegen seiner Helfer – allerdings nicht geholfen. Der Anwalt von VGT hat angekündigt, gegen die Ablehnung Berufung einzulegen:

Hiasl ist durch die Entführung im Kindesalter und den langen Aufenthalt in Gefangenschaft traumatisiert. Er kann auch nicht mehr in Afrika in der Wildnis leben. Abgesehen davon droht ihm durch den finanziellen Engpass des WTV die Abschiebung ins Ausland mit unkalkulierbaren Risiken für sein Wohlergehen und sein Leben. Richterin Dr. Bart hat im Gespräch als Beispiel für eine Person, der ein Sachwalter zur Seite gestellt werden sollte, einen traumatisierten Flüchtling angeführt, dem die Abschiebung droht und der seine Rechte selbst nicht wahrnehmen kann. Das aber ist genau Hiasls Situation.