Der YouTube-Channel des Pentagon

Das Pentagon versucht, mit Videos im Medienkrieg gegen die Gegner im Irak anzutreten, während "friendly information" wie Blogs und E-Mails der US-Soldaten stärker kontrolliert werden

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Seit einiger Zeit schlägt das Pentagon zurück. Nicht direkt mit Waffen, sondern mit Videos, die zeigen, was amerikanische und andere Koalitionssoldaten im Irak machen. Der ehemalige Verteidigungsminister Rumsfeld hatte oft und ausführlich dargelegt, dass das US-Militär den Medienkrieg verliert, während die Gegner über das Internet und mit den selbst fabrizierten Videos die öffentliche Meinung manipulieren könnten, was das Pentagon nicht darf. Ansätze wie die Einrichtung der Abteilung für strategische Kommunikation gab es natürlich ebenso wie andere Mittel, die richtigen Nachrichten beispielsweise über Honorierung von Journalisten und Medien zu lancieren.

Seit kurzem hat das Pentagon, das sich allerdings hinter den Koalitionstruppen im Irak und der Operation Iraq Freedom versteckt, das Videoportal YouTube für sich entdeckt und versucht dort, gewissermaßen unter der Hand und irgendwie viral, Videos zu verbreiten, die man wohl angemessen findet und die der eigenen Sache dienen sollen (gegenwärtig ist der Channel von MNF IRAQ nicht zugänglich, wohl aber noch einzelne Videos wie dieses). So eben, wie das die Gegner auch machen, wenn sie Videos von ihren Aktionen zeigen.

Den Blogs hatte sich das Pentagon schon länger gewidmet, aber irgendwie keinen rechten Fuß in die Szene setzen können. Während man YouTube für sich nutzen will, versucht man aber gleichzeitig, die Blogger und Poster in den eigenen Reihen noch besser unter Kontrolle zu bringen, als dies bisher geschehen ist. Alles natürlich nur, um die Sicherheit zu wahren, damit der Feind nicht die falschen Informationen erhält. Die neue Anordnung zur Operation Security richtet sich vornehmlich gegen Informationen, die über Blogs, Websites und E-Mails von Militärangehörigen verbreitet werden.

Daher geht es auch um die Limitierung von "friendly information", wie es so schön heißt. Und natürlich sollen auch Bilder und Videos nicht unkontrolliert verbreitet werden, die irgendwie für den Feind wichtig sein könnten:

Do not publicly disseminate, or publish photographs displaying critical or sensitive information. Examples include but are not limited to Improvised Explosive Device (IED) strikes, battle scenes, casualties, destroyed or damaged equipment, personnel killed in action (KIA), both friendly and adversary, and the protective measures of military facilities.

Befohlen wird, dem Vorgesetzten zu zeigen, was man verschicken oder posten will:

This includes, but is not limited to letters, resumes, articles for publication, electronic mail (e-mail), Web site postings, web log (blog) postings, discussion in Internet information forums, discussion in Internet message boards or other forms of dissemination or documentation.

Was dem gemeinen Army-Soldaten verboten ist, kann aber die Medienabteilung durchaus in YouTube stellen. Man will zwar Niederlagen und Opfer auf der eigenen Seite nicht zeigen, wohl aber unterhaltsame Einsätze, bei denen der Gegner unterliegt. Vielversprechend heißt es denn auch auf YouTube, dass der geneigte Zuschauer in den kommenden Monaten Folgendes zu sehen bekommt:

  1. Kampfszenen
  2. Interessante, die Aufmerksamkeit erregende Aufnahmen
  3. Interaktion zwischen Koalitionstruppen und der irakischen Bevölkerung
  4. Teamarbeit zwischen Koalitionstruppen und irakischen Soldaten im Kampf gegen den Terror

Spannend soll es schon sein, aber eben auch – eigentlich schon sehr bescheiden zu nennen -, dass es auch Begegnungen gibt, die nicht in Gewalt ausarten, oder Zusammenarbeit. Klar wird aber auch gesagt, was das Pentagon als moralische Instanz nicht auf seinem YouTube-Kanal zeigen will: "Vulgäres, Sexuelles, übermäßig grafisch verstörende oder anstößige Bilder, Videos, die sich über die Koalitionstruppen, die irakischen Sicherheitskräfte oder die irakischen Bürger lustig machen".

Kurz und gut, es gibt also Propaganda für die gute Sache, gemixt mit einem Schuss an Action, weil man weiß, dass die Aktionen der Gutmenschen bei der Völkerverständigung den möglichen Zuschauern, die sich durch die Medien zappen und das Internet durchsurfen, einfach zu langweilig wäre. So also gibt es gegen das gegnerische Reality TV Videos zu sehen, wie der Feind angegriffen wird, wie man Razzien durchführt, auf mögliche Gegner schießt, eine Stellung ausbombt oder eine Geisel befreit. Deutlich aber wird auch hier, wie sehr sich die Soldaten, oft junge, kaum erwachsene Männer, mit ihren Helmen und Schutzpanzern wie moderne Ritter wirkend, als Fremdkörper im Feindesland bewegen, wie jeder Iraker prinzipiell als Gegner wahrgenommen wird, wie surreal die Operation Iraqi Freedom geworden ist und wie verzweifelt eine Regierung sein muss, gegen den wachsenden Widerstand im eigenen Land die Soldaten permanent zu filmen, um eventuell Bilder zu erhalten, die beweisen sollen, wie mutig und heldenhaft in dieser feindlichen Region die amerikanischen Soldaten kämpfen, um eben jene zu befreien, in deren Häuser man gleichzeitig höchst unfreundlich eindringt und gegen die man ein Ego-Shooter-Spiel spielt.

"I think these clips humanize the war for a lot of people who only see statistics. You see troops talking to each other. You hear the foot crunches. You see they are ordinary, everyday Americans.

Brent Walker, ein ehemaliger Marine, der den YouTube-Channel für das Pentagon betreibt

Die Asymmetrie des Konflikts findet nicht nur auf der Ebene der militärischen Mittel statt, sondern auch auf der der Medien. Hier sind die Aufständischen und Terroristen, die sich als Befreier und Unterlegene ausgeben können, im Vorteil. Sie können auch die eigene Gewalt und Grausamkeit zeigen, die sich gegen die überlegenen und unrechtmäßigen Besatzer richtet, weil sie einen Bonus reklamieren können. Die Besatzer oder Befreier müssen hingegen möglichst vermeiden, dass Gewalt, vor allem die selbst ausgeübte, in die Öffentlichkeit dringt. Brauchen die einen blutigen Krieg, so muss er für die anderen sauber sein.

A beautiful video with a happy ending. I love it!!!

GREAT JOB MEN -- KEEP UP THE GOOD WORK!!!!!!!!!!!!!!

GOD BLESS AMERICA!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Wie dieser Kommentar zeigt, gibt es auch Erfolge an der Heimatfront zu melden

Mit dem Internet funktioniert die bislang von der asymmetrisch überlegenen Macht vollzogene Säuberung der Medien nicht mehr so gut wie früher. Aber in den Medienkrieg mit denselben Mitteln einzusteigen und dieselben Ausblendungen vorzunehmen, kann auch nicht funktionieren. Das beweist die YouTube-Seite des Pentagon. Was die politisch und vor allem moralisch überlegene Macht demonstrieren müsste, wäre eine ehrliche Aufklärung und vor allem ein deutliches und klares Eingeständnis, wenn Fehler begangen wurden und unschuldige Menschen leiden mussten. Davon ist das Pentagon noch weit entfernt, das immer noch altmodisch auf Propaganda, statt auf Transparenz setzt. Die Strategie, nur den Kampf gegen das Böse darzustellen, und reflexhaft zu verleugnen, dass – wie jetzt gerade in Afghanistan - immer wieder Zivilisten zum Opfer werden, wird auch durch einen YouTube-Channel nicht für eine bessere Akzeptanz sorgen.