Umschichtungen im Pentagon-Haushalt

Der demokratisch dominierte Streitkräfteausschuss des US-Repräsentantenhauses setzt andere Prioritäten, etwa beim Raketenabwehrsystem

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Die Bush-Regierung drängt weiterhin, ihr umstrittenes Lieblingsprojekt, das teure Raketenabwehrsystem, auch im Ausland gegen alle Bedenken und um den Preis eines beschleunigten Rüstungswettlaufs zu installieren, um es so möglichst irreversibel zu machen und andere Nationen politisch, militärstrategisch und finanziell zu binden. Russland nimmt das angeblich gegen den Iran gerichtete Raketenabwehrsystem, das in Polen und der Tschechischen Republik mit vorerst 10 Abfangraketen und einer Radarstation eingerichtet werden soll, zum Anlass, sich vom Westen abzukoppeln, geopolitisch und die Rüstungsmaschinerie dank der sprudelnden Ölgelder hochzufahren.

Bild: MDA

Die US-Regierung hat die ersten Verhandlungen mit der tschechischen Regierung über die geplante Radarstation geführt. Während sich die tschechische Regierung dafür ausgesprochen hat, ist ein Großteil der Bevölkerung dagegen. Auch die Opposition lehnt die Anlage ab. Unklar ist bislang, ob das Radarsystem zum Bestandteil der Nato zählen soll, wofür sich Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer stark macht. US-Außenministerin Rice will am Montag nach Moskau fliegen, um die Russen zu besänftigen. Schwierigkeiten dürfte sie aber weiter haben, die Russen am Raketenabwehrschild zu beteiligen oder die Gründe darzulegen, wie Raketen im Norden Polens Europa oder gar die USA vor künftig möglichen iranischen Langstreckenraketen schützen können oder warum Iran europäische Länder angreifen sollte.

Das Raketenabwehrsystem ist auch in den USA umstritten. Das Lieblingsprojekt republikanischer Politiker wurde während der Clinton-Präsidentschaft nur zögerlich vorangetrieben. Erst mit dem Amtsantritt von Buch wurde, nachdem Donald Rumsfeld zunächst als Leiter einer Kommission zur US-Verteidigungsstrategie im Weltraum den Boden dafür bereitet hat, die Entwicklung des Systems massiv mit vielen Milliarden Dollar gefördert. Kritiker lehnten das System wegen technischer Mängel ab, aber auch deswegen, weil es Abrüstungsverträge nichtig macht und eben das Wettrüsten befördert, das bereits eingetreten ist. Nachdem nun die Demokraten eine Mehrheit im Kongress erlangt haben, werden die Gelder, die unter republikanischer Mehrheit auch zuletzt bereits zurückgefahren wurden, weiter beschnitten.

Im Streitkräfteausschuss des Repräsentantenhauses wurde gerade das Haushaltsgesetz des Pentagon (Militär und Sicherheit haben höchste Priorität) diskutiert und einstimmig beschlossen, von den für das Raketenabwehrsystem gewünschten 10 Milliarden Dollar 760 Millionen oder 9 Prozent zu streichen. Das Gesetz muss allerdings noch vom Repräsentantenhaus und vom Senat angenommen werden, so dass sich durchaus noch Änderungen ergeben können.

Allein von den verlangten 310 Millionen Dollar für die Einrichtungen des Abwehrsystems in Polen und der Tschechischen Republik sollen 160 Millionen gestrichen werden, was vor allem den Raketenstützpunkt in Polen betrifft. Falls das Einverständnis der polnischen Regierung vorliege, könne aber die Bush-.Regierung noch einmal einen Antrag auf Bewilligung der Gelder stellen. Allerdings müsste zunächst zunächst eine unabhängige und umfassende Studie über die "politischen, technischen, operativen und finanziellen Aspekte" der Basen in Europa vorgelegt worden sein.

Man wünsche überdies, so Ellen Tauscher, die demokratische Abgeordnete und Leiterin des Unterausschusses für die strategischen Streitkräfte, eine weitere unabhängige Überprüfung der Bedeutung und der Rolle der für das Raketenabwehrsystem zuständigen Missile Defense Agency. Das landgestützte Raketenabwehrsystem GMD soll 2,3 Milliarden Dollar zur Weiterentwicklung erhalten, das seegestützte, in den Tests erfolgreichere Aegis-System soll mit 1,1 Milliarden etwas mehr als angefordert erhalten.

Bild: MDA

Deutlich begrenzt wurden in dem Rekordhaushalt von 504 Milliarden Dollar (dazu kommen die Sonderausgaben in Höhe von 142 Milliarden Dollar für die Einsätze im Irak und Afghanistan) zunächst auch Rüstungsvorhaben, die zu einer Militarisierung des Weltraums führen können, beispielsweise eine in Flugzeugen installierte Laserkanone (ABL), die Entwicklung von Systemen zur Verfolgung und Beobachtung von Objekten im Weltraum, einer Trägerrakete mit mehreren kleineren Abfangraketen Multiple Kill Vehicles) und das Missile Defense Space Test Bed, dessen Zweck darin bestünde, ein Raketenabwehrsystem im Weltraum installieren zu können. Weniger Geld soll in die Weiterentwicklung neuer Atomsprengköpfe und den Bau einer neuen Anlage zur Herstellung von neuen Plunoium-Pits für Nuklearsprengköpfe gehen. Allerdings sollen weiter 9,5 Milliarden Dollar in das gesamte Spektrum des Raketenabwehrsystems, 9,3 Milliarden für militärische Weltraumprogramme und 14 Milliarden für Atomwaffen investiert werden, wozu aber auch Milliarden in die Entsorgung von Nuklearmaterial gehen. So wird auch die weitere Modernisierung des GPS-System weiter kräftig gefördert.

Offenbar aber gab es starken Druck seitens des Pentagon, so dass der Unterausschuss wieder einige Budgets erhöhen musste. Vor allem soll nun die flugzeugbasierte Laserkanone doch wieder mehr Geld erhalten. Sie hat offenbar große Priorität in der MDA und wird als strategisch wichtig angesehen. Zudem hatten die drei großen Rüstungskonzerne Boeing, Northrop Grumman und Lockheed Martin dagegen Protest eingelegt und versprochen, dass die Laserwaffe – die als "revolutionäres Kampfmittel" bezeichnet wird - 2009 ihre Zerstörungskraft demonstrieren werde. Der Unterausschuss wollte die verlangte halbe Milliarde um 400 Millionen kürzen, legte aber nun doch wieder weitere 150 Millionen drauf. Die in umgebauten Boeing 747-Flugzeugen installierte Laserkanone soll in der Lage sein, Mittel- oder Langstreckenraketen bereits in der Aufstiegsphase mit Lichtgeschwindigkeit zu zerstören. Die Abfangraketen des wasser- oder landgestützten Raketenabwehrsystems sind natürlich mit etwa 25.000 km/h wesentlich langsamer und könnten Raketen nur in der Flugphase zerstören.

Allerdings werden, sieht man von den Versuchen der Demokraten ab, die Gelder für den Irak-Einsatz zu beschneiden und nur jeweils für kurze Zeit zu gewähren, die meisten Rüstungswünsche des Pentagon vom Streitkräfteausschuss des Repräsentantenhauses erfüllt, beispielsweise einen Personalausbau der Army um 36.000 Soldaten, 13,6 Milliarden Dollar für Wiederbeschaffung von Waffen und Rüstungssystemen für die Army und 8,4 Milliarden für die Marine, 4,6 Milliarden für Munition, 4 Milliarden für die Entwicklung von Fahrzeugen, die gegen Straßenbomben geschützt sind, mehrere Milliarden für die Panzerung weiterer Fahrzeuge und die Ausstattung mit besserem Körperschutz oder 1,5 Milliarden für den Kauf weiterer Stryker-Radpanzer oder zu deren besseren Panzerung. Milliarden gibt es für weitere nuklearbetriebene U-Boote und Kampfflugzeuge. Weniger Geld soll hingegen in das Futur Combat System fließen, gekürzt wurden auch massiv Gelder für die Entwicklung weiterer Netzwerke wie das satellitenbasierte Kommunikationsnetz Joint Network Node oder das Warfigher Information Network. Die Darpa, die Forschungsbehörde des Pentagon, die auch gut für exotische Projekte ist, erhält mit 3,1 Milliarden Dollar etwas mehr als beantragt.

Der Streitkräfteausschuss verlangt, dass sowohl für Afghanistan als auch für den Irak Berichte über den Stand der Dinge und der Strategie vorgelegt werden. Im Hinblick auf Afghanistan werden die Nato-Partner gebeten, einen größeren Einsatz zu leisten. Da die primäre Aufgabe nun im Wiederaufbau gesehen wird, soll jeweils der Posten eines Generalinspekteurs für den Wiederaufbau eingerichtet werden. Erst nach Vorlegen des Berichts sollen im Irak weitere Gelder fließen, bewilligt werden. Neu ist auch die Berücksichtung von erneuerbaren Energien und die Forderung, dass das Pentagon die Auswirkungen der Klimaerwärmung in seien Planungen mit berücksichtigen müsse. Und es heißt, Guantanamo soll verschwinden. Das Problem sei nur, wohin mit den Gefangenen, die keiner haben will.