Wem gehören Kultur und Wissenschaft?

Open Access: Viele Initiativen, aber wenig Konkretes

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Anläßlich der aktuellen Entscheidung des Bundesrates gegen Open Access stellt sich erneut die Frage: Wer hat wann und mit welchen Kosten verbunden ein Recht auf den Zugriff auf Kulturgüter und wissenschaftliche Forschungsergebnisse?

Dass man im Internet mit Hilfe der von vielen Bibliotheken angebotenen OPACs Bücher recherchieren kann, dürfte wohl jedem, der gelegentlich mal ein oder mehrere Bücher zwecks Arbeit oder Muße benötigt, schon lange klar sein. Und es wird wohl auch jeder zustimmen, daß es durchaus praktischer wäre, wenn man auf diese Weise nicht nur den Standort des Buches und im schlechtesten Falle auch erfahren würde, dass das Buch bereits ausgeliehen und nur mit (gegebenenfalls kostenpflichtiger) Vormerkung in - sagen wir: ca. 3 Wochen zu erhalten ist (immer vorausgesetzt, daß es auch rechtzeitig zurückgebracht wird,) sondern wenn man sich den Weg zur Bibliothek sparen und online auf das Buch zugreifen könnte.

Bücher und Zeitschriften

Elektronische Zeitschriften z. B gibt es in der Elektronischen Zeitschriftenbibliothek (EZB) und der Zeitschriftendatenbank (ZDB). Auch ein zentrales Verzeichnis Digitalisierter Drucke befindet sich im Aufbau bzw. Ausbau. Und auch eine ganze Menge an Büchern ist bereits im Netz angekommen.

So ist Google bekanntlich bereits seit Jahren fleißig damit beschäftigt, die lizenzfreien Bestände großer Bibliotheken einzuscannen, um sie (bislang gebührenfrei) online verfügbar zu machen. Zuerst waren es amerikanische und englische Bibliotheken, die mit Google kooperierten, dann große Bibliotheken in Madrid und Barcelona und in Deutschland hat mittlerweile die Bayrische Staatsbibliothek ihre urheberrechtsfreien Bestände Google zum Einscannen zur Verfügung gestellt (vgl. "Da kann ich Sie beruhigen").

Nun ist Google ein Konzern und selbstverständlich keine gemeinnützige Organisation. Und egal, ob Google nun Bücher einscannt, oder Bill Gates Bildrechte einsammeln läßt, es gibt in Europa Menschen, die der Ansicht sind, die europäischen Kulturgüter und auch sämtliche Rechte daran, gehörten den europäischen Staaten, bzw. der europäischen Bevölkerung, schon weil deren Erhaltung, Erforschung und Präsentation zum größten Teil durch öffentliche Mittel subventioniert werden. Und eben diese Kulturgüter sowie auch die wissenschaftliche Forschung daran sollten der Bevölkerung wenigstens in digitalisierter Form im Internet frei zur Verfügung gestellt werden.

Die Lösung heißt bekanntlich auch in Deutschland Open Access und die gleichnamige Informationsplattform hat sich denn auch zum Ziel gesetzt „den steigenden Informationsbedarf zum Thema Open Access zu decken. Sie bündelt bislang verstreute Informationen und bereitet diese für verschiedene Zielgruppen und Szenarien spezifisch auf.“

Auch das Aktionsbündnis "Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft" setzt sich für Open Access ein:

In einer digitalisierten und vernetzten Informationsgesellschaft muss der Zugang zur weltweiten Information für jedermann zu jeder Zeit von jedem Ort für Zwecke der Bildung und Wissenschaft sichergestellt werden!

Längst laufen auch die EU-Programme zur Förderung digitaler Dienstleistungen. So soll bis 2010 soll eine Europäische Digitale Bibliothek zur Verfügung stehen, angedacht ist auch eine Deutsche Digitale Bibliothek, allerdings existiert hier bisher noch nicht viel Konkretes.

Und das, obwohl sich einige der engagiertesten Vertreter des Open Access in Deutschland gerade unter den Mitarbeitern wissenschaftlicher Bibliotheken finden. Zum einen ist die Digitalisierung der Bestände dort schon seit langem Thema, 2006 wurde z. B. der Sammelauftrag der Deutschen Nationalbibliothek um Netzpublikationen erweitert. Vor allem aber müssen gerade hier immer geringer werdende Etats mit steigenden Lizenzgebühren überein gebracht werden. Und nicht zuletzt geht es natürlich auch um die Sicherung und Schonung der teilweise hochempfindlichen Dokumente und Bücher.

So gehörte auch der Deutsche Bibliotheksverband zu den ersten Unterzeichnern der sog. Berliner Erklärung im Jahr 2003 (vgl. Schöne neue Welt des Open Access)). Die besondere Betonung liegt hier beim freien und kostenlosen Zugang zum „kulturellen Erbe, also des in Archiven, Bibliotheken und Museen verwahrten Kulturguts“. Des weiteren werden umfassende Nutzungs- und Kopierrechte eingeräumt, das korrekte Zitieren der Quelle natürlich immer vorausgesetzt.

Zu den weiteren Unterzeichnern gehören die Max-Planck-Gesellschaft, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Hochschulrektorenkonferenz, der Wissenschaftsrat, der Deutsche Bibliotheksverband, die Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz, die Helmholtz-Gemeinschaft, die Fraunhofer-Gesellschaft und und und (die vollständige Liste der Unterzeichner gibt es hier.

Maßgeblich an dieser Berliner Erklärung beiteiligt ist auch das EU-Projekt European Cultural Heritage Online, ECHO, das ebenfalls zum Ziel hat, das europäische Kulturerbe im Internet frei zugänglich zu machen und zusätzlich eine Plattform für kulturellen Austausch zu sein sowie Materialien für Schulung und Ausbildung zur Verfügung zu stellen.

Andere Kulturgüter

Denn obwohl die EU-Gelder bislang noch zum größten Teil in die Digitalisierung von Bibliotheken fließen, geht es längst nicht mehr ausschließlich um Schriftstücke, sondern eben auch um die Digitalisierung und Bereitstellung der Kulturgüter in Museen und Archiven.

Auch hierzu gibt es bereits unterschiedliche Ansätze:

In Frankreich z.B. hat das Kulturministerium das Projekt „Atlas de l'architecture et du patrimoine“ iniziiert. Dort sollen Informationen über Archäologie, Architektur, Städte und Landschaften Frankreichs im Internet zugänglich gemacht werden. Andere sind da schon weiter: z.B. Portugal oder Flandern.

Die internationale Zusammenarbeit von Kultureinrichtungen im Netz wird z. B. von MICHAEL - Multilingual Inventory of Cultural Heritage in Europe angestrebt. Unter diesem Namen hatten sich französische, englische und italienische Kulturinstitute mit dem Ziel zusammengetan, einen „digitalen Zugang zu Europas Kulturerbe“ zu schaffen. Mittlerweile heißt das von der EU geförderte Projekt MICHAELPlus und wurde um 11 weitere Länder, u.a. Deutschland, erweitert. Wie genau diese Zusammenarbeit aussehen wird, und was die einzelnen Länder an Inhalten bereit stellen werden, ist allerdings noch offen.

Auch deutsche Museen sind stellen z.B. ihre Objektdatenbanken gebührenfrei ins Netz: z. B. das Deutsche Historische Museum in Berlin, die Museen von Schleswig-Holstein oder auch die niedersächsischen Museen und Bibliotheken.

Zusätzlich gibt es in Deutschland das von der DFG geförderte Portal der Bibliotheken, Archive und Museen BAM. Die an diesem Projekt beteiligten Institute stellen ihre Archive und Sammlungen wenigstens zur Recherche zur Verfügung.

Doch so ganz durchdrungen von der Idee des Open Access scheinen noch lange nicht alle deutschen Kulturinstitute zu sein. Die SMPK in Berlin z.B., die einerseits maßgeblich am BAM-Portal beteiligt ist, baut gleichzeitig gerade ihren kostenpflichtigen Webshop des Bildarchivs Preußischer Kulturbesitz aus. Recherche also kostenlos, Verwertung nur gegen Gebühren.

Womit wir wieder bei der Frage vom Anfang angekommen wären: wer hat wann und mit welchen Kosten verbunden ein Recht auf den Zugriff auf Kulturgüter und wissenschaftliche Forschungsergebnisse? Wäre noch hinzuzufügen: Und warum ist das so?