Die Vereinten Nationen warnen vor exzessivem Einsatz von Biosprit

Bioenergie biete Möglichkeiten zur Entwicklung und zur Reduzierung von Treibhausgasen, kann aber auch zur Entwaldung, Hunger und Vertreibung von Kleinbauern führen

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UN-Energy) hat die bisher umfassendste Studie zur Bioenergie vorgestellt. Darin beschreiben die Vereinten Nationen die Entwicklungschancen die für abgelegene Gebiete in der Nutzung der Bioenergie liegen und die großen Gefahren die vom exzessiven Einsatz von Nahrungsmittelpflanzen zur Erzeugung von Biosprit ausgehen. Zwar könnte damit der Ausstoß von Treibhausgasen reduziert werden, aber dafür gäbe es große Gefahren: Abholzung der Regenwälder, Rückgang der Artenvielfalt, Auslaugung und Erosion der Böden, Hungersnöte wegen steigender Grundnahrungsmittelpreise und die Vertreibung von Kleinbauern. Allerdings, so die UN-Experten, könne bei verantwortlichen Einsatz in armen ländlichen Zonen billig Energie bereitgestellt, die lokale Landwirtschaft gestärkt und Arbeitsplätze geschaffen werden.

Nun hat sich auch die UNO teilweise in die breite Front eingereiht, die den massiven Anbau von Nahrungsmitteln zur Erzeugung von sogenannten Biokraftstoffen kritisieren (Biosprit und die Angst vor steigenden Bierpreisen) oder dessen Umweltfreundlichkeit bezweifeln (Krank durch Biosprit). In der Studie mit dem Titel Sustainabel Bioenergy: A Framework for decision makers untersuchten die UN-Experten auf 64 Seiten die Auswirkungen, die der stärkere Einsatz von Bioenergie haben kann.

Der Bericht widmet sich besonders den Biokraftstoffen, einem Markt, der wie kein anderer in den letzten Jahren gewachsen ist: "Die globale Produktion von Biokraftstoffen wurde in den letzten fünf Jahren verdoppelt und sie wird sich in den nächsten vier Jahren erneut fast verdoppeln". Verantwortlich sei dafür, dass neben Brasilien, den USA und China, den bisher größten Biospritherstellern, viele weitere Länder Initiativen zum Einsatz und Produktion von Biokraftstoffe gestartet hätten.

Der Bericht sieht darin auch eine Chance für die Entwicklung unterentwickelter Länder, die nun zudem stark unter den hohen Ölpreisen zu leiden hätten. Der bewegt sich seit Jahren auf einem hohen Niveau. Zitiert wird der senegalesische Präsident Abdoulaye Wade, der die afrikanische Ölkrise als "Katastrophe" bezeichnet, "welche die Bemühungen zur Bekämpfung von Armut und die Förderung einer ökonomischen Entwicklung um Jahre zurückwerfen kann". Zum Teil wendeten arme Länder nun sechsmal soviel Geld für die Einfuhr von Öl auf, als sie für ihr Gesundheitssystem ausgeben, stellt der Bericht fest.

Bioenergie ist eine Möglichkeit, die Abhängigkeit vom Öl auch in Entwicklungsländern zu verringern

Hier biete die Bioenergie eine Chance, um die Abhängigkeit von Öl zu verringern und gleichzeitig den Ölpreis zu stabilisieren oder zu senken. Viele der armen Länder lägen zudem in tropischen Zonen, in denen der Anbau von Pflanzen zur Erzeugung von Bioethanol oder Biodiesel sehr günstig ist. Die landwirtschaftliche Tätigkeit könne so angeregt werden und damit ginge einher, dass Geld, das bisher zum Kauf von Treibstoff ins Ausland floss, nun der lokalen Landwirtschaft und Manufaktur zu gute kommen können. Das stärke allgemein die Ökonomie und schaffe Arbeitsplätze.

Die Produktion von Biokraftstoffen biete die Möglichkeit einer Energieerzeugung in kleinen und mittleren Einheiten und auf der Ebene von Dörfern. Die Entwicklung einer neuen Bioenergie-Industrie könne somit 1,6 Milliarden Menschen elektrischen Strom bringen und für 2,4 Milliarden dazu beitragen, dass sie nicht allein auf Holz, Mist oder Stroh als Brennstoff angewiesen sind. Damit könne auch dem "Küchen-Killer" begegnet werden. Eingeamteter Rauch beim Kochen auf offenen Feuerstellen im Haus sei eine der häufigsten Gründe für Krankheit und Tod von Frauen in Entwicklungsländern. Millionen Menschen könnten eine saubere Energie erhalten, die bisher von der Energieversorgung abgeschnitten seien.

"Die moderne Bioenergie erlaubt es, billigere und mehr Energie für abgelegene Zonen zu bieten und somit kann sie helfen die Produktivität der Landwirtschaft und die anderer Sektoren zu steigern, was zu positiven Implikationen beim Zugang zu Nahrungsmitteln führen kann", sagte der Präsident von UN-Energie Mats Karlsson bei der Vorstellung des Berichts. Gesetzt wird auf eine hohe Einbindung der lokalen Produzenten: "Eine Sache ist klar: Umso mehr Bauern in die Produktion, die Verarbeitung und die Nutzung von Biokraftstoffen eingebunden sind, umso größere sind die Möglichkeiten für die Verteilung der Gewinne", heißt es in der Studie.

Preise für Grundnahrungsmittel können steigen

Allerdings warnt Gustavo Brest, Vizepräsident von UN-Energy und Koordinator für Energie der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO), dass die exzessive Gewinnung von Biosprit aus Nahrungsmittelpflanzen große Gefahren für die arme Bevölkerung berge. Die Preise für Grundnahrungsmittel werden steigen und das wird "negative ökonomische und soziale Effekte haben, besonders auf arme Menschen, die einen großen Anteil ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben". Sie könnten sogar in die Höhe schnellen, wenn massiv Anbauflächen, Wasser und andere Produktionsmittel für die Produktion von flüssigem Treibstoff verwendet werden, statt sie dem Anbau von Nahrungsmitteln zu widmen.

Ein Preisanstieg für Grundnahrungsmittel wie Zucker und Mais sei schon zu beobachten. "Das ist zwar gewinnbringend für die Hersteller, aber sehr negativ für die Konsumenten", sagte Best in einem Interview. Die Studie warnt deshalb: "Die Produktion von Biotreibstoffen könnte die Verfügbarkeit eines angemessenen Nahrungsmittelvorrats gefährden". Der Preisdruck sei eine der größten Bedrohungen im Rahmen der Biosprit-Produktion, den die Entscheidungsträger sorgfältig beachten müssten. Der hohe Maispreis habe schon zu Problemen in Mexiko und Kolumbien geführt. Die arme Bevölkerung kann sich ihre Tortilla kaum mehr leisten, weil große Mengen Mais in den USA nun zu Bioethanol verarbeitet werden (Tortilla-Krise in Mexiko). Die politischen Entscheidungsträger "müssen gewährleisten, dass die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln Priorität hat", unterstreicht das Dokument.

Biosprit und Umweltschäden

Der zunehmende Anbau von Pflanzen zur Produktion von Biokraftstoffen birgt noch weitere Gefahren. So wird erwähnt, dass in Südostasien tropische Regenwälder abgeholzt werden, um die steigende Nachfrage nach Palmöl zu befriedigen. Monokulturen statt Regenwälder führten nicht nur zu einem Rückgang der Artenvielfalt, zur Erosion und einer Auslaugung der Böden, sondern es bestehe auch die Gefahr, dass Kleinbauern zunehmend von ihren Ländereien vertrieben würden, um Großplantagen Platz zu schaffen. Der Konzentrationsprozess sei in den USA und Brasilien schon zu beobachten. Es könnte zu einem ähnlichen Prozess kommen, wie er sich im Kornhandel zeige. Nach Angaben der Studie kontrollierten Cargill und Archer Daniels Midland schon die Hälfte des weltweiten Kornhandels.

Wenn Wälder gerodet werden, die fundamental zur Aufnahme des Treibhausgases CO2 sind, damit Platz für Energiepflanzen geschaffen wird, fielen die Emissionen von Treibhausgasen Netto am Ende sogar höher aus, als bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe, wird gewarnt. In einigen Fällen überträfen die angerichteten sozialen und ökologischen Schäden die mit der Erzeugung von Biokraftstoffen verbundenen Vorteile. Das gelte sogar dann, wenn Maßnahmen zum Schutz von bedrohtem Land ergriffen würden, eine soziale Landnutzung gesichert und die Entwicklung für Bioenergie in eine nachhaltige Richtung betrieben werde, wird betont. Deshalb, so das Resümee, ist die Bioenergie "in einigen Fällen wirklich nachhaltig, während sie in anderen Fällen sehr destruktiv ist". Die ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen müssten sehr genau untersucht werden, bevor über ihre Einführung und die Geschwindigkeit ihrer Entwicklung entschieden werde, raten die Experten.

Besonders zu beachten sei auch, dass der Anbau von Pflanzen vermieden werden soll, die einen hohen Beitrag von fossiler Energie in Form von Düngemitteln, Pestiziden und Wasser benötigen. Deshalb sei der Einsatz heimischer und an die jeweiligen Umstände angepasste Pflanzen zu bevorzugen. Vermieden werden müsse auch der Anbau von Energiepflanzen auf wenig ertragreichen Böden, die zudem viel Arbeitseinsatz und damit erneut Energie benötigen. In diesem Zusammenhang wird der Abbau von Handelshemmnissen, Subventionen und Zollschranken gefordert.

Letztlich, so die Studie, kommen die aktuellen Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass nicht die Verwandlung von Energiepflanzen in Treibstoff für den Transport sinnvoll ist, sondern die Umwandlung von Biomasse zur Erzeugung von Gas, Wärme und Elektrizität. "Das ist die beste Option um die Treibhausgase in der nächsten Dekade zu verringern und zudem die billigste", fast Gustavo Best das Ergebnis der Studie zusammen. Diese Verwendung der Biomasse führe zudem dazu, dass kein Methan wie bei seiner natürlichen Kompostierung abgeben würde, ein 21fach stärkeres Treibhausgas. Erst die zweite Generation von Biotreibstoffen, welche einen höheren Einsatz an Kapital benötigten, könnte die bestehende Konkurrenz zwischen Nahrungsmitteln und Treibstoff verringern, wenn ganze Pflanzen verwertet werden und damit die Effizienz enorm gesteigert werde. Demonstrationsanlagen gäbe es für verschiedene Prozesse schon in Deutschland und Kanada. Bis 2015 sollen diese Technologien kommerziell verwertbar sein, hoffen die Forscher in der Studie.