"Aber wie aggressiv diese dreckige Zigeunerin war!"

Ein Präsident, ein konfisziertes Handy und ein unbedachtes Gespräch

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Die rumänische Politik kommt nicht zur Ruhe: Unmittelbar nach dem Referendum sorgt ein Mobiltelefonmittschnitt für Turbulenzen.

Andreea Pana

Am Samstag, den 19. Mai fand in Rumänien das Referendum zum Amtsenthebungsverfahren des rumänischen Präsidenten Traian Basescu statt. Die Vorgeschichte ist schnell erklärt: Es scheint, als hätte der Burgfrieden innerhalb der Regierungskoalition genau solange funktioniert, bis der EU-Beitritt wie geplant zum 1.1.2007 erfolgt war. Unmittelbar darauf traten die Spannungen zwischen den verschiedenen Parteien offen zu Tage, die schließlich darin gipfelten, dass Basescus Gegenspieler, der Premierminister Calin Popescu-Tariceanu, alle Minister der Basescu-Partei PD entließ. Gleichzeitig ermittelte ein Untersuchungsausschuss angebliche Verfassungsverstöße des Präsidenten, womit ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet wurde, das - über eine Zwischenstation beim Verfassungsgericht - in einem Volksentscheid kulminierte. Diesen Volksentscheid gewann Basescu mit erstaunlichem Erfolg. Nicht nur, dass 74,32% der abgegebenen Stimmen gegen seine Entlassung waren; fast noch eindrucksvoller ist, dass Basescu rund 850.000 Stimmen mehr erhielt als bei seiner Wahl im Jahr 2004. Dieser Erfolg dürfte darauf zurückzuführen sein, dass für viele Rumänen Basescu das Gesicht ist, das sie mit dem EU-Beitritt und dem Anbruch einer neuen Zeit verbinden.

Allerdings erhielt dieses Image ausgerechnet am Tag des Referendums ganz massive Kratzer. Nachdem Basescu am Samstag seine Stimme abgegeben hatte, ging er mit seiner Frau einkaufen - verfolgt von Reportern. Es gelang den Reportern nicht, dem Präsidenten einen O-Ton zu entlocken, auch nicht mit eher dümmlichen Fragen ("Sind all diese Einkäufe für Sie? Das sind ganz schön viele ..."). Ausgerechnet aber bei einer eher berechtigten Frage einer Reporterin namens Andreea Pana platzt dem Präsidenten der Kragen:

Pana: Welche Prozentzahl erwarten Sie für heute abend, für morgen? Basescu: Hör mal, du komischer Vogel, hast du heute nichts zu tun? Pana: Bei der Auszählung der Stimmen, was denken Sie, dass sein wird ...?

An dieser Stelle entreißt der Präsident der Journalistin ihr Mobiltelefon, das diese zum Aufnehmen benutzt. Etwas später, vor dem Supermarkt, versucht die Journalistin das Gerät zurückzubekommen, und zwar vor den laufenden Kameras ihres Fernsehsenders:

Pana: Herr Präsident, geben Sie mir mein Handy zurück? Basescu: Nein, du warst aggressiv. Pana: Nein, ich war nicht aggressiv. Ich habe Sie gefragt, ob Sie eine Prozentzahl für mich haben. Basescu: Komm’ am Montag wegen dem Telefon. [...] Pana: Aber das ist mein Privathandy, und ich betrachte es als gestohlen. Basescu: Nein, ich hab’s nur genommen. Such’ mich am Montag auf. Pana: Sie haben es mir gestohlen, und ich kann bei der Polizei Anzeige erstatten, weil mir Herr Präsident Traian Basescu das Mobiltelefon gestohlen hat. Basescu: Aaaa, dann erstatte mal Anzeige bei der Polizei.

Der interessante Teil beginnt erst jetzt. Denn Präsident Basescu lässt auch die Aufzeichnungsfunktion des mitgenommenen Telefons laufen - das dann doch noch am selben Tag sein Sprecher zurückgeben wird. Vor der Rückgabe wurde versucht, die Aufzeichnung zu löschen – was aber nicht für die Aufnahmen auf der Speicherkarte glückte. Und so gelangte die folgende Unterhaltung zwischen Rumäniens First Lady und dem Präsidenten an die Öffentlichkeit:

Maria Basescu: Gibst du’s ihr wieder? Traian Basescu: Ja... Aber wie aggressiv diese dreckige [wörtlich: "angefaulte"] Zigeunerin war! [...] Ich weiß nicht, Maria, aber irgendwann musste ihr das passieren.

Der Nationalrat zur Diskriminierungsbekämpfung kündigte nach dem Vorfall an, den Präsidenten vorzuladen. Währenddessen versandte Basescus Sprecher eine Pressemitteilung in der es heißt, dass der Präsident diesen „unpassenden Ausdruck“ bedauere. Er bitte Andreea Pana darum, seine Entschuldigung anzunehmen. Außerdem wies der Sprecher darauf hin, dass dies nicht die Haltung des Präsidenten gegen über der Volksgruppe der Roma sei, deren Identität Basescu respektiere und deren Beitrag für das demokratische Leben der rumänischen Gesellschaft er schätze.

Wie sich die Episode auf den innerrumänischen Machtkampf auswirken wird, bleibt unklar. Nach dem Referendum schien es so, als wäre der Kampf entschieden. Nun dürfte das Spiel von vorne losgehen, und es scheint gewiss, dass diese leichtfertige Episode Basescu viel Zustimmung kosten wird.