Je mehr Online-Werbung, desto besser

Die Klickraten gehen in den Keller, eine Studie von US-Psychologen suggeriert Rettung für die Wirksamkeit von Online-Werbung

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Es wird, auch in Deutschland, mehr Online-Werbung denn je geschaltet. Gleichzeitig heißt es nach einer aktuellen Analyse von Adtech, dass die Internetbenutzer immer weniger auf die Banner reagieren und auf sie klicken. Durchschnittlich habe sich bei europäischen Internetnutzer die Klickrate auf 0,18 Prozent abgesenkt, 2004 sei sie noch bei 0,33 Prozent gelegen: "Die meisten Klicks gehen im Durchschnitt auf Video Ads (4,6 %) sowie Pop-ups und Layer mit 0,6 Prozent", so Adtech. "Die User klicken das traditionelle Fullsize-Banner (0,2%) häufiger an als die neuen großformatigen Werbeflächen wie Skyscraper (0,11 und 0,15 %) und Leaderboard (0,12%)." Dazu kommen noch die vielen Internetbenutzer, die die Online-Werbung erst gar nicht sehen, weil sie Filter benutzen.

Sollte als der Boom der Online-Werbung bald einbrechen, weil schließlich bei dieser im Unterschied zur Werbung in herkömmlichen Medien erwartet wird, dass die Betrachter auf die Website des Werbenden gelockt und dort womöglich gleich etwas bestellen? Wenn diese Erwartung nicht erfüllt wird, was sich zudem auch empirisch exakt messen lässt, könnte eine Abkehr von Online-Werbung schnell erfolgen, wenn man nicht auf dieselben diffusen Effekte wie bei der herkömmlichen Medienwerbung setzt und die Verlagerung von Werbegeldern in den Online-Bereich beibehält.

Eine Studie von Xiang Fang (Oklahoma State University), Surendra Singh (University of Kansas) und Rohini Ahluwalia (University of Minnesota) scheint da gerade zur rechten Zeit kommen. Danach scheint es nämlich eine geradezu wunderbar zu nennende Wirkung von Werbung zu geben, die aber von den meisten Werbemachern und ihren Kunden bislang eher vernachlässigt werden dürfte. Werbung wirkt offenbar nicht so stark, wenn sie direkt betrachtet, sondern wenn die Aufmerksamkeit des Lesers/Zuschauers auf einen anderen Inhalt gerichtet ist. Und dabei wirkt eine Werbung desto besser, desto öfter man ihr ausgesetzt ist.

Nach der Studie der Wissenschaftler gibt es sogar einen linearen Effekt: Je öfter Menschen nebenbei einer Werbung ausgesetzt sind, desto eher entwickeln sie eine positive Haltung gegenüber dem Produkt bzw. der Marke, auch wenn sie den Inhalt der Werbung selbst nicht erinnern: "Unabhängig von der gemessenen Klickrate kann Banner-Werbung eine positive Einstellung gegenüber der Werbung durch wiederholte Aussetzung erzeugen", schreiben die Autoren der Studie in dem Artikel An Examination of Different Explanations for the Mere Exposure Effect, der im Journal of Consumer Research erschienen ist.

Die Folge wäre dann wohl, dass möglichst viel Banner geschaltet werden sollten,die unauffällig gestaltet sein müssten, um den Inhalt viral in das Gehirn des zu verführenden Konsumenten zu schleusen. Der lineare Effekt, dass der Inhalt einer Werbung desto positiver in Erinnerung bleibt, je häufiger man sie nebenbei wahrnimmt, ohne sie bewusst zu rezipieren, könnte sich nach den Ergebnissen der Wissenschaftler schnell wieder auflösen, wenn die Werbung kritisch hinterfragt wird.

Für ihren Test ließen die Wissenschaftler Studenten einen mehrseitigen Artikel lesen und unterstellten, diese würden anschließend nach dem Inhalt befragt. Nach der Lektüre würden die Versuchspersonen jedoch nach Pretec, einem fiktiven Hersteller von Fotoapparaten, befragt. Banner-Werbung für Pretec hatte sich entweder fünfmal oder zwanzigmal oder gar nicht auf den Seiten befunden. Wurden die Studenten nach den negativen Eindrücken gegenüber der fiktiven Marke befragt, zeigten sich keine Unterschiede bei den Gruppen. Bei denjenigen, die die Werbung gesehen haben, wuchs die positive Einstellung mit der Zahl der Banner an, was auch noch bei mehr als 20 Banner fortzusetzen schien. Die Versuchspersonen sollen auch eine hohe Toleranz gegenüber der Bannerwerbung gezeigt haben, auf die ihre Aufmerksamkeit nicht gerichtet war. Selbst 20 Werbebanner hätten den Effekt nicht geschmälert.

Die positive Einstellung ist allerdings nur eine Folge der puren und daher oberflächlichen Vertrautheit. Das stellte sich bei weiteren Tests heraus. So wurden weitere Studenten nach der Lektüre befragt, wie sie zu der Marke stehen, wenn sie die Bewertung ohne Berücksichtung der Vertrautheit machen. Und schon war die positive Haltung verschwunden. In einem anderen Test wurde Musik gespielt, während die Versuchspersonen den Artikel mit der Bannerwerbung lasen. Anschließend wurde ihnen gesagt, dass die Musik ihre Einstellung gegenüber der Werbung beeinflussen könne, so dass sie eine positive Haltung entwickeln. Auch hier gab es keine positive Wirkung mehr.

Die Psychologen schreiben, dass ihre Studie "wichtige theoretische und praktische Implikationen" mit sich bringe. So könne man daraus auch Richtlinien für eine genauere Messung der Wirkung von Werbebanner entwickeln. Fragt sich nur, wie man die "spontane emotionale Reaktion", durch häufig nebenbei wahrgenommene und nicht angeklickte Werbebanner eine positive Haltung gegenüber der beworbenen Marke einzunehmen, messen mag? "Metakognitiv" würde so Häufigkeit mit Beliebtheit verbunden, die aber sofort verschwindet, wenn man näher nachdenkt – oder vielleicht auch nur die Werbung aufmerksamer betrachtet (und sie damit als lästig empfindet?). Oder würde das heißen, dass die Leser vielleicht mehr auf Banner klicken würden, wenn sie diese häufiger sehen, oder im Laden eher spontan die vertrautere Marke kaufen?