Schäuble und die Schnüffelpolizei

Der Bundesinnenminister verteidigt die Abnahme von Geruchsproben, kritisiert die Aufregung und erklärt allgemein, dass die Polizei die Sicherheit schon mit "angmessenen Mitteln" gewährleiste

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Die Polizei hat bei den Razzien gegen mutmaßliche militante Gegner des G8-Gipfels auch Geruchsproben bei sechs Personen genommen (Die Bundesanwaltschaft lässt schnüffeln). Das hat in den Medien hohe Wellen geschlagen, zumal die archaische und wenig ergiebige Maßnahme ausgiebig von der Stasi praktiziert wurde und nun die Sicherheitsbehörden, allen voran die Bundesanwaltschaft, Deutschland tatsächlich zum Schnüffelstaat gemacht haben, was bislang die realisierten und geplanten Vorstöße von Otto Schily und Wolfgang Schäuble nicht erreicht haben. Deutsche Politiker zeigten sich „empört“, hieß es in vielen Medien, sie hätten sich eher belustigt zeigen sollen, schließlich ist diese Methode gegenüber DNA-Proben und Maßnahmen wie die Vorratsdatenspeicherung oder die Online-Durchsuchung eher ein Witz.

Die Bundesanwaltschaft musste selbst einräumen, dass die Beweiskraft der Identifizierung von Personen durch Hunde mit Geruchsproben eher zweifelhaft ist. Man habe sie genommen, weil sie einen Beitrag zur „Gesamtwürdigung“ leisten könnten, meinte ein Sprecher zunächst. Zu welchem Zweck die Geruchsproben genommen wurden, war zunächst unklar. Jetzt wies man Behauptungen zurück, dass mit den Geruchsproben Globalisierungsgegner während der Proteste beim g8-Gipfel hätten identifiziert werden sollen. Man habe sie genommen, um damit Spuren abzugleichen, die man an den Tatorten von Brandanschlägen und auf Bekennerbriefen gefunden habe. Besonders heiß scheinen die Spuren aber nicht gewesen zu sein, wenn man auf Geruchsproben rekurrieren musste, die allerdings einfacher zu erhalten sind als DNA-Proben.

Konrad Freiberg, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, erklärte, dass die Abnahme von Körpergeruchsproben nicht gegen rechtsstaatliche Grundsätze verstoße und nichts mit Stasi-Methoden zu tun habe: „Der Begriff ‚Stasi-Methoden’ ist nach Ansicht der GdP eindeutig auf nicht rechtsstaatliche und menschenverachtende Vorgehensweisen wie Denunziation, Erpressung und Folter zu beziehen, sicherlich nicht auf eine durch die gültige Strafprozessordung gestützte Polizei-Praxis. Wer hier von einem ‚Schnüffelstaat’ spricht, macht sich einer unverantwortlichen Polemik schuldig und legt keinesfalls ein solides Zeugnis über umfassende Rechtskenntnis und Rechtsgeschichte ab. “ Freiberg warnte in diesem Zusammenhang, dass „die Zahl der linksextremistischen Straftaten in den vergangenen Wochen deutlich zugenommen“ habe und bis zum G8-Gipfel weiter steigen werde: „Allein schon aus diesem Grund muss die Polizei alle rechtlich einwandfreien Möglichkeiten nutzen, um Gewalttaten möglichst schon im Vorfeld zu verhindern.“ In Berlin und Hamburg kam es zu mehreren Brandanschlägen auf Autos, darunter auch auf das Auto von „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann. „Zum G-8-Gipfel hin sind die Intervalle zwischen den Anschlägen kürzer geworden“, sagt Heino Vahldieck, der Leiter des Hamburger Verfassungsschutzes. Das könne bedeuten, dass die Anschläge nach dem Gipfel zurückgehen, aber sollte es zu Ausschreitungen während der Proteste mit der Polizei kommen, könnten die Anschläge auch weiter zunehmen: „Wenn es einen Märtyrer gibt, wie in Genua, sind Resonanztaten zu erwarten.“

Auch Bundesinnenminister Schäuble ist heute Morgen im Bayerischen Rundfunk der Bundesanwaltschaft zur Hilfe gekommen und hat die Entnahme von Geruchsproben verteidigt: „In bestimmten Fällen ist das ein Mittel wie das Abnahmen von Fingerabdrücken, um mögliche Tatverdächtige zu identifizieren“, sagte Schäuble, der aber betonte, dafür nicht zustädnig zu sein und eigentlich auch nichts davon zu wissen. Schäuble rügte die Medien, das „Ammenmärchen“ zu verbreiten, es würden nun allen Menschen Geruchsproben abgenommen: „Wir müssen uns auch in der Nachrichtengebung daran hindern, mit völligen Übertreibungen die Menschen in Angst und Panik zu versetzen.“ Er brachte die Maßnahme aber schließlich doch wieder mit dem Schutz des G8-Gipfels in Heiligendamm zusammen und gab der Polizei gewissermaßen einen Freibrief, dass sie schon alles richtig mache: „Es geht darum, die Sicherheit zu gewährleisten, und das macht die Polizei mit angemessenen Mitteln.“

Zuvor hatte er zum Treffen der Innen- und Justizminister der G8-Länder in München ausgeführt. Auf die Frage, wie es denn weitergehe, nachdem der Eindruck entstanden sei, dass man sich in einem „Wettlauf der Sicherheitsgesetz“ befinde, wiegelte Schäuble ab. Wenn man unterschiedliche Dinge zusammenziehem, könne bei den Bürgern ein solcher Eindruck entstehen: „Das ist natürlich falsch.“ Die Einführung von biometrischen Merkmalen in den Ausweisen sei eine Konsequenz der Globalisierung und der damit einhergehenden großen Reisebewegungen, meinte Schäuble. Diese müsse man „effizienter und schneller kontrollieren, damit die Wartezeiten an den Flugplätzen nicht so lange sind. Deswegen hat man sich europa- und weltweit auf die Einführung biometrischer Reisepässe verständigt.“ Thema des Treffens sei auch die terroristische Bedrohung, bei der Schäuble wie gewohnt das Internet ins Spiel bringt:

Wir müssen gemeinsam das Internet kontrollieren, wo immer stärker überall in der Welt die Vorbereitung von Anschlägen stattfindet.