Hamburg: G-8-Saison ist eröffnet

Das ASEM-Treffen am Pfingstmontag war ein Probelauf für die Proteste kommendes Wochenende in Heiligendamm - für Polizei und Globalisierungsgegner gleichermaßen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Am Pfingstmontag begann in der Hansestadt das zweitägige ASEM-Treffen, eine Zusammenkunft der Außenminister von 27 EU- und 16 asiatischen Staaten. Zum Auftakt traf der bundesdeutsche Außenminister Frank Walter Steinmeier mit seinem chinesischen Amtskollegen Yang Jiechi zusammen. Auf der Tagesordnung der Konferenz, die Steinmeier als "eines der größten Ereignisse der deutschen EU-Präsidentschaft" bezeichnete, stehen Themen wie Klimaschutz, Energieprobleme, die Lage in Nahost sowie Fragen des globalen Handels.

Bild: Birgit Gärtner

Obwohl etwa 500 Journalistinnen und Journalisten akkreditiert sind, drang bis Montagabend wenig darüber an die Öffentlichkeit, worüber bisher konkret gesprochen wurde. Der Experte für europäisch-asiatische Beziehungen Franco Algieri, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Centrum für angewandte Politikforschung (CAP) an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, sagte in einem Interview mit der Deutschen Welle, er halte es für falsch, „ASEM zu überschätzen“. Es sei 1996 als informelles Treffen eingeführt worden und bis heute ein solches geblieben, es würden keine bindenden Beschlüsse gefasst. Das sei aufgrund der Größe der Teilnehmerzahl gar nicht möglich, so Algieri.

Verschiedene Anti-Globalisierungsgruppen hatten zu einer Protestdemonstration anlässlich des ASEM-Treffens aufgerufen, etwa 6 - 7.000 Menschen waren diesem Aufruf gefolgt. Für viele von ihnen war das der Auftakt für die Anti-G-8-Proteste, die am kommenden Samstag mit einer Großdemonstration in Rostock beginnen. Außerdem hatten sich entlang der Strecke am Hamburger Hafen Tausende Schaulustige eingefunden. „Das ist, als käme die Queen Mary“, kommentierte der Anwalt Manfred Getzmann das gegenüber Telepolis.

Die Behörden hatten diverse Auflagen erlassen, so durften z. B. die Stangen für die Transparente nicht länger als 1,50 m sein, die Höchstlänge von Transparenten war genau festgelegt, ebenso der Abstand zwischen den Teilnehmern, und vieles mehr. Da nach Ansicht der Polizei nicht alle Auflagen vorschriftsmäßig erfüllt waren, begann die Demonstration mit eineinhalb Stunden Verspätung.

Mehrere Tausend Polizeibeamte aus verschiedenen Bundesländern waren im Einsatz sowie eine Armada von Wasserwerfern, Räum- und Abbruchsfahrzeugen. Unterwegs kam es immer wieder zu Störungen durch die Polizei. So behinderten beispielsweise Wasserwerfer völlig grundlos die vorgeschriebene Route. Die ständigen Unterbrechungen führten dazu, dass die friedliche Demonstration vorzeitig aufgelöst wurde.

Die Polizeiführung reagierte darauf mit einer Eskalationsstrategie, die ehemaligen Versammlungsteilnehmer wurden aufgefordert, sich in Richtung St. Pauli zu bewegen. Um dieser Ansage Nachdruck zu verleihen, wurden Einheiten eingesetzt, um die Teilnehmer in die entsprechende Richtung zu schieben. Andere Einheiten versperrten indes den Weg, so dass es zu Stauungen kam. Darauf reagierten die Uniformierten mit brachialer Gewalt. Ein Radfahrer, der durch die Beamten zu Fall gebracht worden war, wurde von einem halben Dutzend Uniformierter mit Gummiknüppeln traktiert. Aufgrund massiver Proteste der Umstehenden konnten die Prügelei gestoppt werden.

Schon während der Demonstration wurde die Stimmung unter den Teilnehmern durch die ständigen Polizeiprovokationen angeheizt, die schärfere Gangart der Staatsgewalt nach dem offiziellen Ende des Protestmarsches ließen die Situation komplett eskalieren. Viele Teilnehmer machten sich auf den Weg in den Stadtteil Sternschanze, gefolgt von motorisierten Hundertschaften. Kurze Zeit später glich der Stadtteil einem Bürgerkriegsgebiet. Der Verkehr wurde behindert, kleinere Brände wurden gelegt, Flaschen flogen. Die Polizei setzte Wasserwerfer ein und an vielen Punkten wurden Polizeisperren eingerichtet.

Bild: Birgit Gärtner

Rigoros wurden Personen in Polizeigewahrsam genommen und mit Bussen des öffentlichen Nahverkehrs in das zur Fußball-WM errichtete Sondergefängnis gebracht. Christian Arndt, Pastor im Ruhestand, der den Polizeiaufmarsch vom Bahnsteig der S-Bahn mit seiner Videokamera filmen wollte, wurde ein Aufenthaltsverbot am S-Bahnhof erteilt und unter Anwendung körperlicher Gewalt von den Angestellten des privaten S-Bahn-Wachdienstes im Auftrag der Polizei entfernt. „Ich werde juristisch dagegen vorgehen“, erläuterte Arndt gegenüber Telepolis. „Mir wurde gesagt, es sei verboten, Polizeibeamte zu filmen und fotografieren, aber das stimmt nicht, es gibt entsprechende Urteile.“

Die Auseinandersetzungen zwischen einem kleinen Teil der Demonstranten und der Polizei dauerten in den Abendstunden des Pfingstmontags noch an. Bis dahin gab es keine genauen Informationen über die Zahl der Festgenommenen und Verletzten. In ersten, bislang nur mündlichen Einschätzungen, gehen die Globalisierungsgegner davon aus, „dass die Staatsmacht auch in Heiligendamm von ihrem Gewaltmonopol rücksichtslos Gebrauch machen wird“, wie Peter Maier vom Anti-G-8-Bündnis Hamburg gegenüber Telepolis sagte.