Die ewige Pubertät

Wir gratulieren Star Wars zum 30. und waten knietief in Phallussymbolen

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Die Star Wars Filme waren ein Gruppenvergnügen: Kaum jemand sah sie sich alleine an. Es ging auch weniger um Spannung, sondern – wie bei einem Märchen oder einem Mythos – um die Wiederholung des Immergleichen, um anthropologische Konstanten

Teil 1 (respektive IV): Star Wars

Der im Mai 1977 uraufgeführte "erste Teil", Star Wars, fängt mittendrin an präsentiert sich als Episode IV "A NEW HOPE". Mittels Zeit wird Raum dargestellt: In einer langen Einstellung sieht man das Raumschiff Darth Vaders von unten vorbeifahren. Der eigentliche Establishing Shot verweist ebenfalls in die Vergangenheit: Nicht in der Zukunft sondern "a long time ago in a galaxy far, far away".

Phallisches Objekt

Die ersten Menschen, die dem Zuschauer präsentiert werden, sind keine, sondern drei Roboter. Nachdem die Droiden auf den Planeten Tatooine fliehen können, lernt der Zuschauer über den Kauf der beiden vorher von kuttenbekleideten Zwergen gefangenen Roboter Luke Skywalker und seinen Onkel kennen.

Luke lebt nicht bei seinen Eltern, sondern bei Onkel und Tante auf einer Farm. Mit der Einführung des Onkel/Tante-Elternpaares öffnet sich eine Leerstelle für ein weiteres Elternpaar Luke Skywalkers. Dieses in der Populärkultur häufig, z.B. bei Superman und den Ducks vorkommende Motiv kann verschiedenen Zwecken dienen. In der Psychologie spricht man von einer Spaltung der Elternimagines in Gut und Böse, die es ermöglicht, eine Idealisierung aufrechterhalten zu können. So wächst in der griechischen Mythologie Ödipus nicht bei den leiblichen Eltern auf, weil sein (schlechter) Vater Laios ihn aussetzt. Auch in Star Wars dient es der Schaffung einer zweiten Elternebene, der dann vom Kind negative Gefühle, die sonst mit dem Vierten Gebot kollidieren würden, entgegengebracht werden können: Was in Wizard of Oz die böse Hexe ist, die Dorothy das Erwachen ihres Begehrens (die roten Schuhe) verweigert, ist in Star Wars Darth Vader, der ebenfalls schwarz gekleidete Superschurke.1

Wie in fast allen Coming-Of-Age-Erzählungen verläuft auch bei George Lucas das Erwachsenwerden nicht unproblematisch: Luke wird von seinem Onkel gegängelt, er hält ihn ständig zur Arbeit auf der Farm an und verweigert ihm den Gang zur Raumfahrakademie. Ein Schritt, den die Altersgenossen Lukes, wie wir von der Mutter/Tante erfahren, längst getan haben. Luke aber gehorcht seinem Onkel (dem Vater erster Ordnung), widerspricht nur in angemessenem Rahmen. Erst die Flucht R2D2s zur Ausführung seines Auftrags zwingt ihn zur Suche und damit zum unfreiwilligen Ungehorsam. Und als er zurückkommt, hat das Imperium die heimatliche Farm mitsamt Onkel und Tante (Eltern erster Ordnung) schon ausgelöscht. Der Weg ist frei für Lukes Reaktion an die Eltern (zweiter Ordnung) - an das Imperium, verkörpert durch seinen (wie sich später herausstellt) echten Vater Darth Vader.

Die erste Szene auf der heimatlichen Farm zeigt Luke beim Spielen mit einem Miniaturraumschiff. Danach wendet er sich der Pflege des kleinen Roboters R2D2 zu. Beim Putzen, beim Reiben des Roboters mit seinen Händen entspringt dem phallischen Objekt zur Überraschung Lukes plötzlich etwas: das Bild (Hologramm) einer Frau. Luke hat die Pubertät erreicht. Doch der Junge hat keine Gewalt über das Bild: Die Botschaft darf nur Obi-Wan Kenobi, der, wie sich kurz danach herausstellt, Hüter von Lukes Laserschwert/Phallus ist, vorgespielt werden.

Nach dem Essen mit seinen Eltern blickt Luke in den Sonnenuntergang. Doch statt dem beruhigenden Blick auf ein zentrales Objekt erleben wir ein ungewohntes Bild: Der Planet hat zwei Sonnen, eine davon rot am Horizont, die andere hell leuchtend. Was Hollywood traditionell mit dem Blick auf stürmische Meeresoberflächen (innere Verwirrung) einerseits und auf den Nachthimmel (Fernweh) andererseits vermittelt, zeigt Lucas in einer Szene. Eine Sonne (die Kindheit) geht unter, und eine andere (die Mannheit) geht auf.

Das Bild der Frau ist für Luke kein unproblematisches. Erst will der kleine Roboterphallus das ganze Vergnügen, auf das Luke mit großen Augen wartet, nur dem Hüter des Phallus, Obi-Wan Kenobi, gönnen. Und als dieser dann Luke endlich mit dem Laserschwert ausgestattet hat und er Leia als Storm Trooper verkleidet befreien kann, ist deren erste Reaktion beim Aufbrechen der Tür nur "a little short for a Storm Trooper". Ihr Begehren wendet sie lieber Han Solo, dem Schmuggler zu, der sich ständig über ihren Titel lustig macht, was den beiden ein Verhältnis wie in einer Screwball-Comedy gibt (allerdings ohne wirklich witzige Dialoge).

Geradezu "penetrant" wird Lucas' Symbolik, als es heißt: "a small one-man fighter should be able to penetrate the death-star." Luke Skywalker, seinen Roboterphallus vorne am Raumschiff, schafft diese Aufgabe indem er sich ganz gehen lässt, ganz von der "Force" treiben lässt, was schließlich in einem orgiastischen Explodieren des Todessterns mündet.

Penetrante Symbolik

Teil 2 (respektive V): The Empire Strikes Back

Wo der erste Teil nur Andeutungen macht, wird der zweite Teil explizit: Vader ist, wie sich herausstellt, der biologische Vater von Luke. Auffälligstes Zeichen Vaders ist neben seiner vollständig schwarzen glänzenden Rüstung mit der an die Wehrmachts- und SS-Helme im Zweiten Weltkrieg gemahnenden Kopfbedeckung, die das Gesicht völlig einschließt, sein Stöhnen. Vader, der (wie der Zuschauer allerdings erst im dritten Teil erfährt) mehr Maschine als Mensch ist, scheint entweder nicht genug Luft durch seinen Helm zu bekommen oder auf lebensverlängernde technische Hilfsmittel zum Atmen angewiesen zu sein. Alle anderen Soldaten des Imperiums sind geräuschlos. Nur bei Darth Vader ist etwas zuviel.

Obwohl die Filmreihe im dritten Teil der zweiten Erklärung zu folgen scheint, steckt hinter dem auffällig platzierten Stöhnen (Vader stöhnt auch wenn er nicht spricht) eine weitere Konnotation, die Mad Magazine 1983 parodistisch ausschlachtete: Mit der Behauptung Pornos für den Schurken zu kaufen, damit dieser "wieder was zum Keuchen hat", schmuggeln sich die Rebellen am Todesstern vorbei. Tatsächlich suggeriert Vader mit seinem ständigen Keuchen auch ein übermäßiges, monopolisiertes Begehren. Er hat, wie die keuchende Figur im Film The Exorcist, ein "obszönes reales Mehr an Leben."

Leia gesteht Han ihre Liebe und im Gegensatz zu Ödipus, der erst von seinem Vater erfährt, als er ihn schon umgebracht hat, erfährt Luke schon vorher von der Problematik und muss sich deshalb in einem inneren Konflikt mühen, der erst gelöst wird, als der Vater nach einem Kampf im Dritten Teil das obszöne monopolisierte Begehren, den Helm und damit auch das Keuchen, freiwillig abgibt und stirbt. Wir haben es hier mit einer amerikanisch umgedeuteten Variante des Ödipus-Komplexes zu tun: Der Vater besetzt das Begehren zu Unrecht, der Sohn hat damit zwar ein Problem, aber auch ein Recht auf den Vatermord. Zur Übung darf Luke in Yodas Schamanenhöhle seinen inneren Darth Vader töten, im realen Gegenüber verliert er dagegen erst einmal eine Hand, die dann durch eine künstliche ersetzt wird. Die Verstümmelung des Helden (Luke) ist eine symbolisch versuchte und dadurch überwundene Kastration, wie sie in vielen Initiationsriten in Form der Beschneidung vorkommt.2

Luke, wie frisch aus dem Geburtskanal

Teil 3 (respektive VI): Return of the Jedi

Auch der dritte Teil expliziert in bewährter Weise den Plot der ersten beiden Teile: Han und Leia finden zusammen, Yoda sagt Luke, dass dieser erst gegen seinen Vater kämpfen muss, um zum Jedi zu werden, und Luke hat ein Problem damit ("I can't kill my own father"). Dem Begehren Lukes gegenüber Leia wird ein Inzesttabu vorgeschoben: Leia ist zwar nicht Lukes Mutter, die er, der klassischen ödipalen Struktur gemäß, nach dem Tod seines Vaters begehren müsste, aber, wie sich herausstellt, seine Zwillingsschwester. Die Geschwister wurden nach ihrer Geburt vor Vader versteckt, da beide von ihm die außergewöhnlich große Konzentration der "Macht" (Force) geerbt hatten: Vader würde erkennen, dass durch diese Konzentration der "Macht" eine Gefahr für ihn ausgehen würde und könnte versuchen, seine Nachkommen zu beseitigen.

Die Problematik des geforderten Vatermordes löst Lucas durch ein spätes Einsehen Vaders: Erst lässt dieser Zweifel an seiner Zurechnungsfähigkeit aufkommen ("you don't know the power of the dark side - I must obey my master"), dann gibt er die zentrale Bosheit an den Imperator ab ("the emperor will show you the true nature of the force - he is your master now"), was Luke den Vatermord über ein Rekurrieren auf den Persönlichkeitswandel Vaders ("then my father is truly dead") moralisch vertretbar macht. Luke kann nun Vader im Schwertkampf besiegen, tötet ihn aber nicht. Als der Imperator, Vaders Meister, Luke daraufhin töten will, wirft Vader den Imperator in ein Loch. Der Vater selbst führt den Vatermord aus und bestraft sich sogleich selbst, indem er sein Extra-Begehren, seinen Helm und damit sein Keuchen, freiwillig aufgibt und stirbt. Am Schluss des Films verbrennt Luke den Körper Vaders rituell, worauf die durchscheinenden Körpers einer Ahnenlinie von Jedi-Rittern erscheint: Yoda, Kenobi, und Anakin Skywalker.