Standort statt Internationalismus

Rechtsradikale Globalisierungsgegner mobilisieren gegen G8-Gipfel

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„Dem Kapital die Zähne zeigen, Maul aufmachen, niemals beugen“, tönte es Ende Mai durch einige ostdeutsche Kleinstädte. Aber auch im westfälischen Lengerich und in Coesfeld waren solche Parolen auf Flugblättern zu lesen. In einigen größeren Städten wie Halle an der Saale oder Bocholt versuchten eine besondere Sorte Globalisierungsgegner, Passanten in Fußgängerzonen für ihre Sache zu gewinnen. Aber einige Antifaschisten bereitete diesen Aktionen ein schnelles Ende.

Am 19.Mai hatten die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) und so genannte Freie Kameradschaften bundesweit zu einem Aktionstag gegen den G8-Gipfel aufgerufen. Als Bindeglied zwischen beiden gilt die Jugendorganisation der NPD, die Jungen Nationaldemokraten, die auch gerne die Symbole linker Protestkultur aufgreift.

Beim dem zur Schau getragenen Antikapitalismus der NPD und ihrer Anhänger handelt es sich nicht um ein neues Phänomen. Schon in den 90er Jahren versuchte die NPD, ihr Image als NS-Traditionalistenpartei loszuwerden. Im Gegensatz zu den Republikanern, die heute keine Rolle mehr spielen, vermied es die NPD, Erwerbslose als „Sozialschmarotzer“ zu bezeichnen und sprach stattdessen lieber von der, „volksfeindlichen Politik des transnationalen Kapitals und der ihr dienenden Bundesregierung“ – eine antisemitische Chiffre, die bei den Rechtsradikalen für das sogenannte „jüdische Kapital der US-amerikanischen Ostküste“ steht.

Spätestens seit 2004, als Hartz IV überall in Deutschland zu Protesten führte, versucht sich die NPD als Anwalt der kleinen Leute zu profilieren. Mit Erfolg vor allem in Ostdeutschland, wo die Erwerbslosenquote überdurchschnittlich hoch ist: Dort sitzt sie mittlerweile in Fraktionsstärke in zwei Landtagen: In Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern, dem Bundesland, das auch den G8-Gipfel in Heiligendamm beherbergen wird. In der Landeshauptstadt Schwerin organisiert die NPD, parallel zu der Großdemonstration der Globalisierungskritiker am 2.Juni in Rostock, eine eigene Demonstration unter dem Motto „Sozial statt global – es gibt keine gerechte Globalisierung“, zu der sie 2000 Teilnehmer erwartet.

Gerüchte, Neonazis, NPD und ihre Anhänger könnten erfolgreich versuchen, sich den Globalisierungskritikern anzuschließen, sind mittlerweile vom Tisch. Die politisch heterogenen Demonstranten in Rostock, bestehend aus Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaftsgliederungen, Linksradikalen, sozialen Bewegungen und Mitgliedern der Linkspartei, sind sich trotz aller Differenzen einig: Rassisten und Antisemiten haben nichts bei ihrer Großdemonstration verloren.

Die NPDler behaupten von sich, „die einzige authentische Anti-Globalisierungspartei zu sein“. Hinter ihren Parolen steckt allerdings kein Antikapitalismus, sondern völkischer Staatskapitalismus. Sie fordern die Regulierung der Wirtschaft, wollen hohe Zollschranken, um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu schützen. Den starken Staat sehen sie als Gegenmittel zur Globalisierung. Wenn sie von Solidarität reden, meinen sie die sogenannte Volksgemeinschaft. Jede Form der Migration lehnen sie ab. Die NPD, so heißt es in ihrem G8-Propagandablatt, strebe nicht wie die Globalisierungskritiker von Attac eine „andere Globalisierung“ an, sondern „den Erhalt der bewährten, historisch gewachsenen, nationalstaatlichen Ordnung.“ Für die NPD sei es ein Widerspruch, gleichzeitig Globalisierungsgegner und Internationalist zu sein.

Attac hat ihrerseits Argumente gegen die rechte Globalisierungskritik zusammengestellt. „Zwar werden soziale Standards überall durch Druck der Konzerne runtergeschraubt. Falls ihnen die Sozialkosten zu hoch sind, produzieren sie einfach woanders. Dieses Streben der Konzerne nach Profitmaximierung kann aber kein Nationalstaat aufhalten. Die Regulierung der Märkte können nur internationale Institutionen übernehmen, weil Konzerne eben schon international agieren.“

Wer im Parteiprogramm der NPD nachliest, wird kein einziges Mal das Wort Kapitalismus oder Antikapitalismus finden. Eine Wirtschaftspolitik, die deutschen Unternehmen auf den Weltmärkten Vorteile verschafft, stellt die NPD selbstredend nicht in Frage. Jürgen Gansel, Abgeordneter der NPD im sächsischen Landtag, spricht sogar von „natürlichen sozioökonomischen Ungleichheiten zwischen Kontinenten und Nationen“. Die zerstörerische Politik deutscher Konzerne überall auf der Welt ist aber sehr wohl Thema bei den Globalisierungskritikern, die sich am 2.Juni zur Großdemonstration in Rostock treffen. Und die meisten Globalisierungskritiker weisen die Vorstellung zurück, dass ein protektionistischer Nationalstaat eine Lösung darstellen könnte. Argumentative Schnittmengen des NPD-Populismus gibt es also weniger mit denjenigen, die für eine „andere Welt“ und „transnationale soziale Rechte“ streiten, als vielmehr mit denjenigen, die die Floskel vom Standort Deutschland bemühen, wenn sie die Interessen der deutschen Wirtschaft gefährdet sehen.