Neue russische Raketen gegen US-Raketenabwehrsystem

Die russischen Raketentests vor dem G8-Gipfel zeigen, dass der Rüstungswettlauf längst schon begonnen hat

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In einer wahrscheinlich auch mit Absicht vor dem G8-Gipfel ausgeführten Demonstration hat die russische Regierung am Dienstag zwei neue Raketentypen getestet. Gezeigt werden soll damit, dass Russland militärtechnisch das amerikanische Raketenabwehrsystem ins Leere laufen lassen kann. Gleichzeitig weist Russland darauf hin, dass es in der Lage und willens ist, erneut in einen Rüstungswettlauf wie im Kalten Krieg einzutreten – und nicht zuletzt auch auf dem profitablen Rüstungsmarkt ebenfalls mit den USA konkurrieren kann (Wie Phönix aus der Asche). Der russische Präsident Putin warnt ständig vor dem Beginn eines neuen Rüstungswettlaufs, sollten die USA tatsächlich die Stützpunkte einrichten und wird sicherlich dazu auch den G8-Gipfel nutzen.

Die Bush-Regierung wollte ebenfalls vor einigen Tagen zeigen, dass das umstrittene Raketenabwehrsystem zumindest technisch funktioniert. Der auch innenpolitisch wichtige Test musste aber abgebrochen werden (Politisch wichtiger Test des Raketenabwehrsystems gescheitert). Das wird es auch für die Regierungen in Polen und der Tschechischen Republik nicht einfacher machen, die geplanten Stützpunkte des Raketenabwehrschilds in ihren Ländern durchsetzen zu können.

Test der RS-24. Bild: lenta.ru

Die jetzt erfolgreichen Tests der Russen dürften zudem auch in den USA die Diskussion über den Sinn des teuren Rüstungsprojekts, das in einen neuen Rüstungswettlauf führt, anstatt mehr Sicherheit zu schaffen, stärker entfachen. Schließlich ist das Raketenabwehrsystem nicht nur politisch fragwürdig, sondern auch technisch, was der Test mit der neuen Interkontinentalrakete RS-24 vor Augen geführt hat.

Die RS-24 wurde von einer mobilen Rampe vom Stützpunkt Plessetzk abgefeuert und ging angeblich planmäßig nach einem Flug von 6.500 km eine Stunde später auf der Halbinsel Kamutschka nieder. Die Nachfolgerakete für die RS-18 (Stiletto) und die RS-20 (Satan. Im Unterschied zur Interkontinentalrakete Topol-M, die bislang nur mit einem Sprengkopf ausgestattet ist, kann die RS-24 bis zu zehn Sprengköpfe mit sich führen, die unterschiedliche Ziele ansteuern können. Damit wird das amerikanische Raketenabwehrsystem, das mit dem "kill vehicle" kinetisch nur einen Sprengkopf zerstören kann, praktisch weitgehend ausgeschaltet, falls dieses tatsächlich unter realistischen Bedingungen überhaupt zielgenau treffen kann. Allerdings ist geplant, auch die Topol-M, die von mobilen Rampen abgefeuert wird und die das Raketenabwehrsystem mit der vertikalen und horizontalen Manövrierbarkeit durch Hilfstriebwerke und einem Digitalleitsystem austrickst, mit mehreren Sprengköpfen auszustatten.

Test der Iskandar-K. Bild: lenta.ru

Neben der neuen Langstreckenrakete wurde auch der neue Typus einer Kurzstreckenrakete auf dem Übungsgelände Kapustin Jar getestet. Die Flügelrakete Iskander-K, die in geringer Höhe und damit schwer angreifbar mit einer Geschwindigkeit von 257 m/sec bis zu 500 km fliegt, soll mit hoher Genauigkeit Raketen- und Flugabwehrabwehrsysteme zerstören. Damit wollte man wohl demonstrieren, dass die Stützpunkte des US-Raketenabwehrsystems in Polen, der Tschechischen Republik oder auch in Georgien schnell außer Gefecht gesetzt werden könnten. Trotz mehrerer Änderungen der Flugbahn und starkem Wind habe die Abweichung vom geplanten Ziel nur 30 m betragen, berichtet Itar-Tass.

Verteidigungsminister Sergej Iwanow erklärte in einem Pressegespräch auf dem Übungsgelände Kapustin Jar, dass Russland mit den Raketen neue operativ-taktische und strategische Systeme besitze:

Diese Systeme können alle bereits bestehenden und möglicherweise erst zu entwickelnden Raketenabwehrsysteme überwinden. Daher können die Russen, vom Standpunkt der Verteidigungssicherheit gesehen, ganz ruhig in die Zukunft schauen.

Der russische Präsident Putin machte beim Treffen mit dem portugiesischen Ministerpräsidenten Jose Socrates in Moskau erneut deutlich, dass er weiterhin auch politisch offensiv agieren will, auch wenn erneut international Kritik am harten Vorgehen gegen schwule Demonstranten in Moskau geäußert wurde und gerade der Kongress des Internationalen Journalistenverbandes IFJ in Moskau stattfindet, der auf die Bedrohung der Journalisten und der Pressefreiheit hinweist. Putin erklärte, dass die Beziehung zwischen der EU und Russland partnerschaftlich sein und sich auf gemeinsame Werte gründen müsse.

Mit einem Gegenangriff wie schon beim Besuch von Bundeskanzlerin Merkel versuchte er, die Einseitigkeit der europäischen Kritik herauszustreichen:

Wie ist es um die Todesstrafe in einigen westlichen Ländern bestellt? Ich werde auf niemanden mit dem Finger zeigen. Oder Geheimgefängnisse und Folterungen, Probleme mit Massenmedien in einzelnen Ländern wie auch die Migrationsgesetzgebung in einigen Ländern Europas - das alles steht nicht mit den demokratischen Normen im Einklang… Wollen wir miteinander offen und partnerschaftlich reden.

Und natürlich nutzte Putin die Gelegenheit, auf die Folgen hinzuweisen, die das US-Raketenabwehrsystem mit sich bringen wird.