Bilder, die erschrecken

Burundi, ein deutschsprachiges Weblog aus dem Herzen Afrikas

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Dank des G8-Gipfels haben unsere Medien Afrika als Thema entdeckt – mit leider oft zweifelhaftem Erfolg. Aber man kann sich auch außerhalb des etablierten Medienzirkus über Afrika informieren. Beispielsweise über den Staat Burundi und mit Hilfe des Weblogs Burundi - Tagebuch aus dem Herzen. Geführt wird es von Philipp Milan Ziser, der seit September 2006 zusammen mit drei anderen jungen Leuten ein soziales Jahr in Afrika absolviert und in diesem Land für burundikids arbeitet. Einem Verein, der sich besonders um die Kinder des Landes kümmert, um ihnen, wie Ziser schreibt, „wenigstens eine kleine Perspektive für das weitere Leben zu geben“.

Burundi selbst ist zwar einer der kleinsten Staaten Afrikas, aber sehr dicht besiedelt. Das Land grenzt im Norden an Ruanda, im Osten an Tansania und im Westen an die Demokratische Republik Kongo. Auch in Burundi gibt es schon seit Jahrzehnten einen Bürgerkrieg, in dem seit 1993 schätzungsweise 250.000 Menschen umgekommen sein sollen. Und außerdem sollen bis zu 1,3 Millionen Menschen intern vertrieben worden oder ins Ausland geflohen sein.

Philipp Ziser lebt und arbeitet in Bujumbura, der Hauptstadt Burundis. Und das Aufgabengebiet der Mitarbeiter von burundikids umfasst die tägliche Versorgung der Kinder im Waisen- und Halbwaisenheim, im Straßenjungenheim, dem Heim für junge Mütter und der neu gebauten Schule. Zudem gibt es weitere Hilfsprojekten im Landesinneren und im Norden Burundis. Und Eindrücke dieser Arbeit schildert er dann natürlich in seinem Weblog.

Ungewöhnlich und auffallend viele Mädchen sehe ich auch in der Schule in der Kommune Buhinyuza, in der Provinz Muyinga, wo die Fondation Stamm eine Schulspeisung durchführt. Finanziert von der Deutschen Botschaft. Die Kinder - in dieser Schule sind es 1.700, die uns sofort umringen - kommen zum Lernen. Und zwar der größte Teil nur, weil sie etwas zu Essen bekommen können.

Bisweilen betreut Ziser auch TV-Teams, die über Burundi berichten wollen - auch und gerade im Vorfeld des G8-Gipfels. Und die begleitet er dann beispielsweise zu einer Ernährungsstation nach Muyinga. Die Bilder, die dort zu sehen sind, schreibt er, „sind so erschreckend wie das vergangene Mal. Sie beschäftigen. (...) Die Bilder verfolgen einen.“ Und dennoch versucht er diese Bilder zu beschreiben, vermutlich für ihn auch der Versuch, diese Eindrücke zu verarbeiten:

Ein Baby auf dem Arm seiner Mutter. Vier Monate soll es sein und es ist vielleicht gerade mal die Hälfte eines „normal gewachsenen" Babys in diesem Alter. Es sieht verformt aus, nur Knochen, die Augen sehen aus, als wären sie viel zu groß für den kleinen, schwachen Kopf. Die Mutter holt ihre Brust aus dem Tuch, um das Kind zu stillen. Die Brust erinnert in keiner Weise an eine weibliche Form. Ausgetrocknet, leer, unterernährt. Die Mutter ein Gerippe. Steht man vor so einem Menschen, würde man am liebsten die Augen schließen und nur noch weg rennen. Aber wohin?

Aber es gibt in diesem Weblog auch schwarzhumorige Beschreibungen. Dazu zählt ein Bericht über eine Geberkonferenz für Burundi, an der die „halbe Welt vertreten war, Konsuln, Botschafter, allerlei wichtige Leute“. Und als Leser des Blogs kann man nun einen natürlich persönlich gefärbten Blick hinter die Kulissen einer solchen Tagung werfen. Eine Gelegenheit, die man ja nicht allzu oft hat.

Während dessen hat der italienische Vertreter, der in seinem Stuhl ziemlich weit nach hinten unten gesunken ist, Probleme damit, seine Augen offen zu halten. Dass es nicht gleich jeder sieht, hat er die Hände vor dem Gesicht gefaltet. Vielleicht will er Glauben machen, dass er gerade so mit dem Vatikan kommuniziert. Wer weiß? Er sieht zumindest sehr in ein Gebet vertieft aus. „Bitte hol mich hier raus", oder so ähnlich. Kanada blättert derzeit in einer Zeitschrift. Und die Schweiz gähnt permanent. Ich stutze, als der Vertreter aus Sudan anfängt, ziemlich nervös auf seinem Stuhl hin und her zu rutschen und sich umzusehen, als ich ihn fotografiere. Der Sudan auf einer Geberkonferenz? Ja. Petrol kommt da her. Und Waffen. Und Kooperation in Rebellenausbildung. Ich lasse ihn wieder in Ruhe, bevor er das Schwitzen anfängt.

Und vermutlich sind dies Szenen, die sich so oder so ähnlich in den kommenden Tagen auch hinter dem Zaun in Heiligendamm abspielen werden. Bloß die Konsequenzen dieser Tagung sind vermutlich – auch für die Kinder in Burundi - alles andere als lustig