Akustischer Stechschritt

Von der abschreckenden Wirkung gut aufeinander abgestimmter Vogelgesänge

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Vogelpaare, die im Gleichklang singen, stellen für ihre Konkurrenten offenbar eine größere Bedrohung dar als Paare, die musikalisch weniger talentiert sind. Das ergab die Studie von Michelle Hall vom Max Planck Institut für Ornithologie an der Australian National University in Canberra, die soeben in der Fachzeitschrift Current Biology veröffentlicht wurde.

Die Botschaft eines gelungenen Duetts an die Artgenossen ist vermutlich recht simpel: wir halten zusammen, also haut besser gleich ab. Verstärkt wird die Drohung durch eine passende Choreografie. Natürlich findet man diese Strategie nicht nur in der Vogelwelt, sondern auch bei Primaten und nicht zuletzt beim Eurovision Song Contest.

Die volle Punktzahl fürs Duett gibt es natürlich nur, wenn auch die Choreografie stimmt. Bild: Current Biology

Je besser das Duett, desto schlechter die Stimmung bei den Nachbarn

Verhaltensforscher wissen schon lange, dass stimmgewaltige Gesänge ein probates Mittel der Abschreckung sind und dass die Adressaten dieser Schallattacken sehr genau abschätzen können, wie stark die gegnerische Gruppe ist. Bislang fehlten jedoch Untersuchungen, die sich mit der Qualität der Lautäußerungen beziehungsweise mit der abschreckenden Wirkung von qualitativ hochwertigem Gesang beschäftigten.

Genau aus diesem Grund richteten Michelle Hall und ihre Kollegen ihr Augenmerk auf die in Australien weit verbreiteten Drosselstelze (Grallina cyanoleuca). Sie ist auffällig schwarz-weiß gefärbt, in etwa so groß wie eine Amsel – und lebt paarweise. Die Forscher überprüften die Alltagstauglichkeit ihrer Hypothese von der abschreckenden Wirkung eines Duetts auf Artgenossen, indem sie zwölf Drosselstelzenpaare mit mehr oder weniger fein aufeinander abgestimmten Paargesängen beschallten. Und siehe da: je besser das Duett, desto schlechter die Stimmung nebenan. Am empfindlichsten reagierten männliche Artgenossen auf das einträchtige Gesinge ihrer vermeintlich neu zugezogenen Nachbarn.

Duett australischer Elstern. Bild: Current Biology

Die meisten Vögel singen solo

Damit sind Duette eine effektive und kräfteschonende Art der Abgrenzung. Dennoch sind Vogelduette gar nicht so häufig. Jedenfalls singen nur rund drei Prozent aller bekannten Vogelarten im Duett. Und es gibt bislang nur einen dokumentierten Vogelchor. Der große Rest singt solo.

Ganz besonders selten sind Duettgesänge in unseren gemäßigten Breiten. Möglicherweise liegt es daran, dass die Vögel hier oft nur eine Brutsaison lang ein Paar bilden. Da bleibt kaum Zeit zum Üben. Außerdem ist lautstarke Revierverteidigung in unserer Region meist Männersache. In den Tropen dagegen verteidigen bei vielen Vogelarten auch die Weibchen lautstark ihr Territorium, außerdem gibt es mehr langjährige Vogelbeziehungen - und eben auch besser abgestimmte Duette. Wobei die Forscher nicht genau wissen, ob eine langjährige Vogelehe Ursache oder Folge des gemeinsamen Singens ist. Beim Menschen zumindest ist perfektes Timing beim Duett nicht unbedingt ein Indikator für eine perfekte Beziehung. Man denke nur an den Song "Jackson" vom legendären Duo Nancy Sinatra und Lee Hazlewood (das jenseits der Bühne laut Hazlewood nie ein Liebespaar war): da geht es um nichts anderes als Ehebruch im großen Stil.