Bananen gegen Gewehre

Das Unternehmen Chiquita Brands hat über Jahre hinweg rechte Paramilitärs in Kolumbien finanziert. Im Land haben dieser und andere Fälle bislang keine Konsequenzen

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Über mehrere Jahre hinweg hat der US-amerikanische Lebensmittelkonzern Chiquita Brands eine Untergruppierung des terroristischen Paramilitärverbandes "Vereinigte Selbstverteidigung Kolumbiens" (AUC) mit Millionenmitteln unterstützt. Das gaben Vertreter des Unternehmens Mitte März im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens in den USA zu. Von 1997 bis 2004 hat der Bananen-Produzent demnach 1,7 Millionen US-Dollar (1,3 Millionen Euro) an die "Bäuerliche Selbstverteidigung von Córdoba und Urabá" (ACCU) gezahlt. In den USA soll der Konzern deswegen nun 25 Millionen Dollar (18,9 Millionen Euro) Strafe zahlen. Angehörige der Opfer des paramilitärischen Terrors haben vor US-Gerichten Klage gegen das Agrarunternehmen eingereicht. So wollen sie verhindern, dass das Verfahren eingestellt wird.

Zum Geständnis haben sich die Chiquita-Manager erst entschlossen, als keine laufenden Geschäfte mehr gefährdet waren. Die Tochtergesellschaft Banadex S.A., die damals für die Kontakte zu den Terrorgruppen verantwortlich war, wurde bereits 2004 verkauft. Zudem versuchen Unternehmensvertreter die Zahlungen als "Schutzgelder" zu deklarieren. Man habe bezahlt, um die Sicherheit der eigenen Mitarbeiter nicht zu gefährden. Doch der kolumbianische Generalstaatsanwalt Mario Iguarán sieht das anders. Chiquita habe über Jahre hinweg eine "kriminelle Beziehung" mit den Paramilitärs unterhalten: "Geld und Waffen gegen die blutige Befriedung von Urabá" - in dieser Region hatten sich Chiquita-Plantagen befunden. Doch entgegen Gewerkschaften, Juristen- und Menschenrechtsgruppen will Iguarán die Verantwortlichen nicht in Kolumbien vor Gericht stellen, sondern abschieben. Dies sei eine "angemessene Reaktion".

Systematische Gewalt

Die Betroffenen des Terrors sehen das anders. Sie wollen keine Abschiebung, sondern ein Strafverfahren. Auch deswegen haben sie in den USA geklagt. "Das Verhalten der multinationalen Unternehmen in ihren Herkunftsländern unterscheidet sich von ihrem Vorgehen in Entwicklungsstaaten", beklagte der kolumbianische Gewerkschaftsdachverband CUT in einer Stellungnahme Ende März. Obwohl der Verband in der Vergangenheit wiederholt auf die Einhaltung der Richtlinien der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) gedrängt habe, "sind Gewerkschaften in Kolumbien Opfer systematischer Gewalt".

Edgar Páez von der Nahrungsmittelgewerkschaft SINALTRAINAL verweist darauf, dass Chiquitas Vorgängerkonzern in eines der schlimmsten Massaker in der jüngeren Geschichte Kolumbiens verwickelt war. Am 6. Dezember 1928 wurden in dem Ort Cienaga Magdalena 3000 Menschen ermordet, weil sie einen Arbeitskampf gegen die "United Fruit Company" führten. Die Bluttat wurde von der kolumbianischen Armee begangen, um den US-Konzern zu schützen - und sie ist bis heute eines der größten Traumata des südamerikanischen Landes. Die Parallele zur aktuellen Situation liegt nahe. Trotz einer vermeintlichen Demilitarisierung der rechten Milizen kämpfen Paramilitärs und Armee in Kolumbien auch weiterhin gegen Guerillagruppen, die Großgrundbesitzer bedrohen.

Dass sich der Krieg der Paramilitärs aber nicht nur gegen die Guerilleros richtet, belegt eine Zahl des Gewerkschaftsdachverbandes. Von 1991 bis 2006 sind nach CUT-Angaben 2245 organisierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ermordet worden. Im Schnitt sind das 140 tote Gewerkschafter im Jahr; alle zweieinhalb Tage ein Opfer. Die Morde dauern auch nach der Demobilisierung der "Autodefensas" im vergangenen Jahr an - was die These von Menschenrechtsorganisationen im Land stützt, die Paramilitärs seien nur umstrukturiert worden, um auf die Indizierung in den USA und der EU als terroristische Organisation zu reagieren.

Kolumbianische Menschenrechtsaktivisten sind sich deswegen darin sicher, dass sich die Beziehung zwischen multinationalen Unternehmen und rechten Paramilitärs nicht nur auf "Schutzgeldzahlungen" beschränkt. Im vergangenen Jahr hatten sich mehrere Organisationen zu einer ständigen Arbeitsgruppe zusammengeschlossen, um die Verstricklungen zu untersuchen. Ihr Urteil:

Im Fall des transnationalen Unternehmens Chiquita Brands ist die Beziehung zu Paramilitärs offensichtlich. Es liegen nicht nur Beweise über Zahlungen in erheblicher Höhe vor; im Jahr 2001 hat der Konzern zudem 3000 Schnellfeuergewehre AK-47 und fünf Millionen Schuss an Paramilitärs in Córdoba und Urabá geliefert, die für zahlreiche Verbrechen in der Region verantwortlich sind. Alle diese Verbrechen sind bislang straflos geblieben.

Bericht des Tribunals der Völker

Im Laufe der Ermittlungen hatten Chiquita-Vertreter auch angegeben, Schutzgelder an die FARC-Guerilla bezahlt zu haben. Doch gibt es im Vergleich zu den Zahlungen an die Paramilitärs einen wichtigen Unterschied. Während an die Guerilla gezahlt werden musste, lassen die bisherigen Erkenntnisse im Falle der Paramilitärs eine Kooperation vermuten.

Urteile gegen Verantwortliche gefordert

Arbeitgeber- und Juristenverbände protestieren in Kolumbien nun gegen die Haltung der Justiz, die sich mit einer Geldstrafe gegen Chiquita in den USA voraussichtlich zufrieden geben wird. Das Anwaltskollektiv José Alvear Restrepo bezeichnet es in einer Stellungnahme als "paradox", dass der Chiquita-Konzern in staatsanwaltlichen Ermittlungen bislang nur als "bedrohtes" Unternehmen auftaucht. Dabei seien die Verbindungen zu Paramilitärs schon seit Mitte 2004 bekannt. Auch habe der ehemalige kolumbianische Präsident César Gaviria als Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten ein Ermittlungsverfahren in der Sache eröffnet.

Allein die Generalstaatsanwaltschaft ist für die Tatenlosigkeit verantwortlich, weil dadurch nicht nur eine Aufklärung der historischen Vergehen unmöglich gemacht wird. Verhindert wird auch die Verurteilung der Führungspersönlichkeiten des transnationalen Unternehmens, die der staatlichen Funktionäre, die ihnen beigestanden haben, und die Gerechtigkeit für die Opfer und ihrer Familien.

Anwaltskollektiv José Alvear Restrepo

Ob die Forderungen Wirkung zeigen, ist fraglich. In Kolumbien ist bislang weder den Verbindungen des Coca-Cola-Konzerns noch anderer Unternehmen (Profitable Konzerngewalt in Kolumbien) zu Paramilitärs nachgegangen worden. Gegen das Bergbauunternehmen Drummond läuft wegen der Mittäterschaft bei der Ermordung dreier Gewerkschaftsaktivisten im Jahr 2001 ein Ermittlungsverfahren - ebenfalls in den USA.