Traumsex bei Frauen und Männern

Eine von einem kanadischen Forscher durchgeführte Befragung zeigt, dass Männer und Frauen gleichermaßen von Sex träumen

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Frauen scheinen heutzutage öfter von Sex zu träumen als vor vierzig Jahren - oder sie trauen sich eher, davon zu beichten. Das legt jedenfalls eine Studie nahe, von der der kanadische Wissenschaftler Antonio Zadra von der Fachrichtung Psychologie der Universität Montreal jetzt auf dem Jahrestreffen der Associated Professional Sleep Societies in Minneapolis nicht nur träumte, sondern auch tatsächlich berichtete. Zadra fragte bei 173 Kandidaten ab, was offensichtlich lange Zeit keinen Wissenschaftler interessiert hat: Wer wie oft und in welcher Weise von Geschlechtsverkehr und anderen Formen des menschlichen Sexuallebens träumt.

Die letzten ernstzunehmenden Arbeiten in dieser Richtung stammen noch aus den 50-er und 60-er Jahren. Damals hatte zunächst das Kinsey-Institut aufgrund von Befragungen geschätzt, dass zwei Drittel aller Frauen (aber fast alle Männer) von Sexträumen zu erzählen wissen. Die zweite derartige Befragung stammt aus dem Jahr 1966. Demnach waren acht Prozent aller Träume eindeutig sexuellen Inhalts - allerdings bei Männern weit mehr als bei Frauen. Auf diese acht Prozent kam nun auch Zadra.

Berichtenswert sind seine Erkenntnisse aber vor allem, weil sich das Geschlechterverhalten angeglichen hat. Zumindest in der Summe: Frauen träumen heute kaum seltener lustvoll als Männer. 109 Frauen und 64 Männer, jeweils im Durchschnitt rund 30 Jahre alt, hatten an der Befragung teilgenommen, wozu sie ihre Träume für zwei bis vier Wochen in Tagebüchern festhalten mussten. Die Berichte wurden dann nach verschiedenen Faktoren klassifiziert: nach Inhalt (Geschlechtsverkehr, Selbstbefriedigung, Orgasmus), nach den handelnden Charakteren (Anzahl, Geschlecht, bekannt oder unbekannt, Partner, Freund oder VIP), nach dem Typ der Interaktion (erwünscht oder unerwünscht, als Zeuge oder Mitspieler) und dem Initiator (Schläfer oder Fremder).

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Insgesamt 3564 Träume wanderten in die so erstellte Datenbank, aus der Zadra interessante Ergebnisse extrahieren konnte. 45 Prozent der Männer und 41 Prozent der Frauen erlebten in der Testzeit Träume sexuellen Inhalts, berichtete Zadra in Minneapolis - und zwar in gut acht Prozent der Traumberichte. Am häufigsten träumten die Studienteilnehmer von Geschlechtsverkehr, gefolgt von sexuellen Angeboten, Küssen und Fantasien. In sechs Prozent der Sex-Träume ging es um Selbstbefriedigung, in drei Prozent der männlichen und vier Prozent der weiblichen Träume geschlechtlichen Inhalts erlebte der Schläfer auch einen Höhepunkt. Ein Viertel der Frauen sah sich im Schlaf als die die Handlung einleitende Person - aber nur elf Prozent der Männer. Jede fünfte Frau (aber nur 14 Prozent der Männer) traf in diesem Zustand auf Partner oder Ex-Partner. Frauen beschäftigten sich in ihren Träumen auch mehr als doppelt so oft mit VIPs als Männer.

Unterschiede entdeckte Zadra auch im Verhalten studierter und nicht-studierte Befragungsteilnehmer. Frauen ohne akademische Bildung träumten zum Beispiel sieben Mal so häufig von Masturbation wie ihre Schwestern mit Studium. Bei den Männern zeigten sich demgegenüber zumindest im Schlaf die Kandidaten ohne Uni-Abschluss deutlich mutiger, sie sahen sich zweieinhalb Mal so oft als Initiatoren des Sex-Kontakts. Allerdings enthielt auch jeder zehnte ihrer Träume Elemente vom Partner unerwünschter Aktivitäten - bei den Herren mit Studium hingegen kein einziger. Absolventen wiederum fanden sich träumend öfter zu fremden Geschlechtspartnern hingezogen - vor allem zu VIPs. Studenten und Studentinnen erklärten sich auch öfter zu Zeugen von Sexakten.

Im Vergleich zur Befragung von 1966 fiel Zadra vor allem auf, dass die Geschlechtsunterschiede verwischen. Woran das liegt, kann der Psychologe nur vermuten: Entweder sind Frauen einfach freier in ihren Berichten - oder sie träumen tatsächlich öfter von Sex. Dem Wissenschaftler erscheint es deshalb auch wahrscheinlich, dass die nächtlichen Erlebnisse, wie die Kontinuitätshypothese des Träumens vermutet, die tatsächlichen Bedürfnisse des Schläfers in der Nacht vorzeichnen, dass also Traum- und Wachgedanken ineinander übergehen.