Die "Gay Bomb" und der asymmetrische Krieg

Die Diskussion über eine Bombe, die feindliche Truppen schwul machen soll, ist wieder entbrannt

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Erst tauchte die bereits vor Jahren vom Sunshine Project und der BBC aufgebrachte Nachricht bei CBS wieder auf, dann fand sie ihren Weg in die Blogs: Die "Schwule Bombe", die Soldaten wehrlos machen soll, indem sie sie mittels eines starken Aphrodisiakums dazu bringt, übereinander herzufallen.

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Bereits 1994 hatten Mitarbeiter des Wright Laboratory auf der Patterson Air Force Base in Dayton, Ohio die Idee im Rahmen eines Bündels von Konzepten für nicht-tödliche Chemiewaffen aufgebracht. Das Labor hatte 7,5 Millionen Dollar für die Entwicklung der Waffe beantragt. Die Wissenschaftler wollten sich auf körpereigene Substanzen konzentrieren, die, künstlich hergestellt und über die Atemwege oder die Haut aufgenommen, die Soldaten in sexuelle Raserei versetzen sollten. Wörtlich heißt es in dem Papier:

"One distasteful but completely non-lethal example would be strong aphrodisiacs, especially if the chemical also caused homosexual behavior."

Allerdings ging die weitere wissenschaftliche Forschung nicht unbedingt gnädig mit der Idee um. Vor allem wurde bezweifelt, dass sich das sexuelle Interesse durch eine "extreme Triebsteigerung" auch auf Personen gleichen Geschlechts legen würde. Handlungen in Gefängnissen oder auf Schiffen haben häufig mehr mit Hierarchieritualen als mit einer durch Triebstau herbeigeführten Homosexualität zu tun. Mehr Wirkung hätte das in dem Konzept angedachte extrem starke Aphrodisiakum deshalb eventuell auf geschlechtlich gemischte Armeen - wie etwa die amerikanische oder die israelische. Diese wären dann kampftechnisch unter Umständen im Nachteil.

Abschreckungswaffe gegen homophobe Guerilla

Vertreter amerikanischer Schwulenverbände wie Geoff Kors von Equality California machten sich dementsprechend eher über das Konzept der Bombe lustig, als sich empört zu zeigen - auch deshalb, weil Homosexualität in der Militärgeschichte durchaus häufig vorkam, ohne dass die Kampfkraft von Soldaten Schaden genommen hätte - beim Heer Alexanders angefangen.

Das Pentagon verlautbarte auf eine Anfrage nach dem aktuellen Stand des Projekts gegenüber CBS offiziell unverbindlich: "The Department of Defense is committed to identifying, researching and developing non-lethal weapons that will support our men and women in uniform" - deutete dem Fernsehsender aber gleichzeitig an, dass man die Pläne nicht mehr weiter verfolge. Tatsächlich unterschrieben die USA 1997 eine Chemiewaffenkonvention, die den Bau solch einer Waffe eigentlich verbietet. Allerdings forscht das amerikanische Militär zur Zeit verstärkt an so genannten nicht-tödlichen-Waffen, zu denen auch eine "Gay Bomb" beziehungsweise ein "Gay Spray" zählen würden.

Das Sunshine Project hatte die Akten über das Projekt bereits vor längerer Zeit öffentlich zugänglich gemacht. Dies war möglich, weil sie vom Militär als "nicht mehr geheim" im Sinne des Freedom of Information Act freigegeben wurden. Die bereitwillige Freigabe könnte allerdings zweierlei Ursachen haben: Entweder forscht das Militär tatsächlich nicht mehr an einem solchen Projekt und billigt ihm auch keine Zukunftsaussichten zu - oder es hat Interesse an Gerüchten über eine Waffe, deren technische Verwirklichung nur wenig wahrscheinlich ist. Denn vielleicht sind Gerüchte über diese Waffe ja erfolgversprechender als die Waffe selbst.

Während das postulierte Konzept vorsah, dass die Soldaten durch ihre Wollust kampfunfähig gemacht und dann überwältigt werden sollten, könnte der Vormarsch der asymmetrischen Kriege eine ganz neue Dimension der Waffe in den Vordergrund rücken: Die Abschreckung. Die Waffe würde sich nämlich perfekt zur Verunsicherung stark homophober Kämpfer eignen: Mit ihr könnte dem feindlichen Kombattanten in seiner eigenen Vorstellung nicht das Paradies mit Jungfrauen blühen, sondern etwas, vor dem er potentiell mehr Angst hat, als vor dem Tod (Vgl. "Yallah, Nasrallah" und Junge britische Muslime wenden sich verstärkt dem Islam zu). Auch gegenüber christlichen Fundamentalisten in den USA, die sich vor der Steuerbehörde verschanzen oder Regierungsgebäude in die Luft sprengen hätten Gerüchte vom Einsatz solch einer Waffe wahrscheinlich durchaus Drohpotential.



Edward Hammond vom Sunshine Project fand in den Akten noch einige Pläne für andere bizarre Waffen. Eine davon, die "Who?-Me?-Bombe", sollte derart unangenehme Körpergerüche erzeugen, dass sie die Kampfkraft von Soldaten schwächt. Das Konzept wurde wieder aufgegeben, weil die Bombe bei den amerikanischen Truppen möglicherweise wesentlich stärker gewirkt hätte, als bei potentiellen Feinden: in den dazu freigegebenen Dokumenten heißt es wörtlich "that people in many areas of the world do not find faecal odour offensive since they smell it on a regular basis".