Zwei Spam-Betrüger verlagern ihren Standort

Die Amsterdamer Polizei kam den Nigerianern auf die Spur, weil sie ihre Beute zu auffällig verprassten

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Am Samstag setzte die niederländische Polizei bei einer Razzia 111 Personen fest - die meisten davon Nigerianer. Aber nicht alle 111 werden - wie etwa Spiegel Online und Yahoo News meldeten - des Email-Betruges verdächtigt. Nach Informationen der holländischen Anti-Betrugs-Gruppe Ultrascan befinden sich lediglich drei Scammer unter den Festgenommenen. Den anderen werden Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht vorgeworfen. Die meisten davon wurden bald wieder entlassen - zehn blieben wegen falscher Papiere in Haft.

Scam-Mails sind in gewisser Weise die Vorwegnahme der Konvergenz von Internet und Fernsehen: die Angebote lesen sich ähnlich abwechslungsreich wie Degeto-Drehbücher - und das dahinter stehende Geschäftsmodell ist der Fernsehwerbung für bestimmte technische Dienstleistungen strukturell verwandt. Klassische Topoi sind Konten gestürzter Despoten, angebliche Erbschaften und Schürflizenzen. Trotzdem (oder vielleicht gerade deshalb) fallen immer wieder Menschen auf solche Angebote herein - unter anderem der Kämmerer einer westdeutschen Stadt, der dafür öffentliche Mittel in beträchtlicher Höhe veruntreute. Es gibt allerdings auch originellere Plots: Das BKA berichtet beispielsweise von Treffen, bei denen bei der Geldübergabe Koffer mit angeblich schwarz eingefärbten "Dollarnoten" präsentiert wurden, zu deren Entfärbung das Opfer Geld für eine teure Chemikalie auslegen sollte

Das nach einem Paragraphen im nigerianischen Strafgesetzbuch auch als "419-Scam" bekannte Geschäftsmodell ist seit dem 16. Jahrhundert nachgewiesen, wurde aber erst mit dem Aufkommen von Faxgeräten zu einem Massenphänomen. Weil die variablen Kosten durch die Verbreitung von Email auf annähernd Null gesenkt werden konnten, boomt das Geschäft seit den 1990ern. Gaben die Mails anfangs noch Nigeria als Standort an, fanden sich später auch Orte in Asien, Osteuropa und Südafrika, in denen die Absender angeblich wohnten. Tatsächlich wird mittlerweile ein gehöriger Teil der Scam-Mails von Europa aus versandt.

Siegesfeiern im Nachtclub

Von den drei jetzt festgenommenen Betrügern sollen zwei sofort abgeschoben werden, ohne dass in den Niederlanden Anklage wegen der Betrügereien erhoben wird. Ob dieses Vorgehen hilft, die Flut von Scam-Mails einzudämmen, ist allerdings fraglich: auch in Nigeria gibt es Internet-Cafés. Der dritte Verdächtige wurde wieder auf freiem Fuß gesetzt, weil er über eine gültige Aufenthaltserlaubnis verfügte. Den Verhaftungen ging eine siebenmonatige Beobachtung voraus. Auf die Spur kam die Polizei den Betrügern nicht etwa durch aufwändige elektronische Überwachung, wie sie in Deutschland häufig erfolglos eingesetzt wird, sondern über die Beobachtung des Nachtclubs "Het Vervolg", in dem die Betrüger ihre Beute in auffälliger Weise verprassten. Im Schnitt soll einmal wöchentlich solch eine Siegesfeier in dem Club im Amsterdamer Südosten stattgefunden haben.

Auf das tägliche Scam-Spam-Aufkommen hatten die Festnahmen bisher noch keine merklichen Auswirkungen - allerdings vermutet die holländische Polizei allein in den Niederlanden noch mindestens 2000 solcher Betrüger auf freiem Fuß. Auch von Deutschland aus operieren Scammer. Dort werden sie jedoch weit weniger effektiv bekämpft als in den Niederlanden - weshalb es auch weniger Schlagzeilen gibt. Seit Oktober 2006 gibt es in den Niederlanden die Spezialeinheit Apollo, die mittlerweile 80 Verhaftungen von Nigeria-Betrügern vorweisen kann. Insgesamt ermittelte Apollo gegen mehr als 200 Verdächtige.

Osoufias und Mugus

Durch die erheblichen Gewinne, die die Betrugsmodelle bisher erzeugten, erlangten die Scammer in nigerianischen Großstadtsubkulturen teilweise eine Position, die der von bewunderten Zuhältern, Drogenhändlern und Gewalttätern im Gangsterrap ähnelt. Der nigerianische "Osuofia" Nkem Owoh, landete mit einem Preisgesang auf das Betrugsmodell sogar einen landesweiten Hit.

Die Opfer dieser Scams werden von den Tätern mit dem Yoruba-Wort "Mugu" ("Trottel") bedacht. Im Februar 2003 erschoss solch ein "Mugu", der tschechische Rentner Jiri Pasovsky, der bei einem Betrug seine gesamten Ersparnisse verloren hatte, den nigerianischen Botschafter in Prag. Tatsächlich gibt es Anhaltspunkte, dass nigerianischer Behörden in die 419-Netzwerke verstrickt sind - auch aufgrund des Zugangs der Scammer zu amtlichen Dokumenten und Siegeln, die genutzt wurden, um bei den Opfern Vertrauen zu erwecken.

Weniger illegale Reaktionen auf Scam-Mails als die des tschechischen Rentners finden sich in zahlreichen Websites wie 419eater, wo amüsiert davon berichtet wird, wie man nigerianische Scammer dazu bringt, das handgeschnitzte Modell eines C 64 nach Europa zu schicken. Ein anderer Scam-Baiting-Klassiker ist, den Betrügern Beweise ihrer Ernsthaftigkeit abzunötigen, für die sie sich in Fotos oder YouTube-Videos zum Affen machen müssen.