Google und die Meinungsfreiheit

Google widersetzt sich wohl vor allem aus Geschäftsgründen den Überwachungsplänen der Bundesregierung und will bei der US-Regierung durchsetzen, Zensur im Ausland als sanktionierbare Handelsbarriere zu verstehen

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Google will wieder einmal zeigen, dass man doch irgendwie gut ist (Dick und Doof im Untersuchungsausschuss), nachdem der Suchmaschinenkonzern wegen einiger in die Privatsphäre eingreifender Projekte und der extensiven Sammlung persönlicher Daten in letzter Zeit wieder unter Kritik geraten ist. In Deutschland hat Google bereits angedroht, seinen Maildienst zu schließen, wenn die Bundesregierung von den Providern verlangen sollte, die Daten so aufzubereiten, dass die Kunden identifiziert werden können. Wenn die Internetnutzer nicht mehr Google vertrauen könnten, "dass wir mit ihren Daten sorgsam umgehen", so Peter Fleischer von Google Deutschland, so sei man "ganz schnell weg vom Fenster".

Auch in den USA will man sich nun gegen den Großen Bruder stärker profilieren und hat sich an Politiker gewandt, die sich stärker gegen die weltweit zunehmende Internetzensur einsetzen sollen. Ein Vorschlag von Google ist, dass das US-Handelsministerium Einschränkungen der freien Internetnutzung wie Handelsbarrieren behandeln sollte. Der Konzern handelt dabei keineswegs selbstlos, sondern verspricht sich vom alten Konzept des "freien Informationsflusses" bessere Geschäfte. Die sich mehrenden Zensurmaßnahmen besonders in Asien und in den muslimischen Ländern könnten nämlich die Vermarktung von Werbung behindern. "Zensur ist die primäre Handelsbarriere, mit der wir konfrontiert sind", sagte Andrew McLaughlin, bei Google zuständig für Regierungsangelegenheiten und öffentliche Politik.

Der Konzern hatte, um im Geschäft zu bleiben, beispielsweise in China die staatlich geforderte Zensur übernommen und wurde deswegen wie andere US-Unternehmen, die in China des Geldes wegen auch Überwachung und Zensur ermöglichen, von Bürgerrechtsorganisationen scharf kritisiert. Zur Rechtfertigung wurde gesagt, dass es für die Chinesen besser sei, Internetzugang zu haben, weil das auf Dauer unkontrollierbare Medium allmählich die Gesellschaften freier mache.

Gretchen Hamel, Sprecherin des Handelsministeriums, meinte eher vorsichtig, dass man dann aktiv werde, wenn Zensurmaßnahmen "Handelsbarrieren in Verletzung internationaler Handelsregeln schaffen". Sie fügte allerdings hinzu, dass Menschenrechtsfragen, wozu auch Zensur gehöre, normalerweise Angelegenheit des Außenministeriums sei.

Google bezieht sich bei der Verbindung zwischen Zensur und Handelsbarrieren, so die AP-Meldung auf Argumente von Timothy Wu, einem Rechtsprofessor der Columbia Law School, stützen. Er hat in seinem Aufsatz The World Trade Law of Internet Filtering vom Mai 2006 zu begründen versucht, warum das Herunterladen einer Webseite, die im Ausland gehostet ist, nach WTO-Prinzipien bedeuten könnte, dass man einen Informationsservice importiert. Die WTO habe durch das "Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen" (GATS) begonnen, sich zu einem Zentrum der Internetregulierung zu machen, da nun mit dem Internet praktisch jeder Benutzer zu einem "potenziellen Im- oder Exporteur von Diensten" werde.

Wenn derart Information und Medium gleichgesetzt würden, könnte eine Zensur als Handelsbarriere von "Informationsdiensten" verstanden werden und so aufgrund von WTO-Regeln Sanktionen nach sich ziehen. Nach Wu könnte eine Folge sein, dass sich Internetfirmen nicht mehr den nationalen Gesetzgebungen unterordnen, sondern Regierungen Zensurmaßnahmen als Handelsbeschränkungen rechtfertigen müssten. Allerdings wurde GATS 1994 eingeführt und berücksichtigt daher noch kaum das Internet. Das Thema könnte in Zukunft, wenn es politisch gewollt wird, an Bedeutung gewinnen, vorerst ist es nur eine theoretische Möglichkeit.

Allerdings wäre dieses Konzept prädestiniert für Willkürlichkeit bei der Auslegung, wann Zensurmaßnahmen als Handelsbarrieren behandelt werden sollen. Das könnte, so Wu, die Blockade von Angeboten wie Nazi-Devotionalien auf Auktionsseiten (Fall Yahoo in Frankreich), wie Skype durch die mexikanische Telekom Telmex, wie Glücksspiele in den USA oder wie Nachrichten von manchen ausländischen Medien wie in China betreffen, also ganz unterschiedliche Dinge. Eine Barriere könnte zwar bereits die Blockierung von Inhalten darstellen, vor allem aber die von ganzen Websites wie Skype oder YouTube. Die Staaten haben allerdings gerade bei Inhalten nach GATS die Möglichkeit, mehr oder weniger beliebig zu zensieren, da vorgesehene Ausnahmen etwa der Schutz der öffentlichen Moral und Ordnung oder der der nationalen Sicherheit.

Google zensiert nicht nur in China, sondern beispielsweise auch gerne in Deutschland, worüber man sich aber noch nicht beschwert hat. Hier werden bestimmte Suchergebnisse gleichfalls ausgeblendet, immerhin mit dem Hinweis: "Aus Rechtsgründen hat Google (soundsoviele) Ergebnis(se) von dieser Seite entfernt." Auch das müsste eigentlich das Problem der Handelsbarrieren auslösen, es sei denn man, man macht ideologische Unterschiede zwischen Gesetzen des einen Staates und denen eines anderen. So wird aus Gründen der "Transparenz" beispielsweise der Hinweis gegeben, dass man aufgrund eines offenbar privaten Hinweises am 12. Januar 2007 eine nicht genannte Website zensiert:

Google wurde über eine Website mit angeblich rechtswidrigen Inhalten gemäß § 86 StGB (Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen) benachrichtigt. Demzufolge haben wir die Website aus den Suchergebnissen unter Google.de entfernt.

Offenbar geht man bei Google auf sicher, beruft sich auf ein "angeblich" und gibt weder Website noch einen näher spezifizierten an. Die Meldung hätte man sich auch sparen können, weil sie einzig die Information enthält, dass Google nach unterschiedlichen nationalen Gesetzen zensiert. Google drückt das prägnant so aus: "At times, search engines remove different results from country-specific searches."

Danny O'Brien von der Electronic Frontier Foundation nimmt Google jedenfalls ab, Zensur bekämpfen zu wollen, vor allem weil sich damit unmittelbar Profitinteressen verbinden lassen. Freie Meinungsäußerung sei für Firmen wie Google ein entscheidendes Geschäftsargument, während Zensur und Filterung "den Wert ihres Produkts heruntersetzen".

Wie ernst es dem Konzern jedoch wirklich damit ist, bleibt abzuwarten. Ende 2006 hatten Anteilseigner von Yahoo! und Google, der New York City Pension Fund, eine Resolution vorgeschlagen, nach der "Technikfirmen aus den USA wie Google, die in Ländern mit autoritären Regierungen operieren, die Verpflichtung haben, den Prinzipien der UN-Menschenrechtserklärung zu gehorchen". Genannt wurden als Länder mit autoritären Regierungen u.a. Weißrussland, Burma, China, Kuba, Ägypten, Iran, Nordkorea, Saudi-Arabien oder Tunesien. Google sollte nach der Resolution keine Benutzerdaten in Ländern speichern, in denen Meinungsfreiheit verfolgt wird, sich nicht an Zensurmaßnahmen beteiligen, nur Zensur ausüben, wenn dies nach rechtlich notwendig ist, die Benutzer über Zensur informieren, die Kunden über die Speicherung von persönlichen Daten informieren und alle rechtlichen Zensuranforderungen zu veröffentlichen, denen der Konzern gefolgt ist.

Googles Vorstand, in dem neben CEO Eric Schmidt auch die beiden Gründer Larry Page und Sergey Brin sitzen, hatte die Resolution vor der jährlichen Hauptversammlung zurückgewiesen, da sie mehr schaden als nutzen würde. Schmidt erklärte, dass etwa in China nur ein Prozent der Suchergebnisse blockiert würde, weswegen die chinesischen Internetnutzer insgesamt mehr Informationen zur Verfügung hätten, wenn Google weiterhin seinen Dienst anbiete, als wenn man sich aus dem Land wegen der Zensur zurückziehe. Anfang Mai wurde auf der Hauptversammlung die Resolution denn auch abgelehnt. Die Mehrheit der Aktien hält die Troika Brin, Page und Schmidt.