Feindbild Islam

Kommentar zur Verleihung des Ludwig-Börne-Preises an Henryk M. Broder

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Der Publizist Henryk M. Broder bekam am 24. Juni in der Frankfurter Paulskirche den mit 20.000 Euro höchstdotierten deutschen Literaturpreis, den Ludwig-Börne-Preis, zugesprochen, von einer Jury, die einzig und allein aus Focus-Chefredakteur Helmut Markwort bestand. Der Preis wird für herausragende Leistungen im Bereich Essay, Kritik und Reportage verliehen. Stellt sich die Frage, ob einseitige Meinungsmache eine herausragende Leistung ist.

Als „Ludwig Börne von heute“ bezeichnet Markwort den Einundsechzigjährigen in seiner Begründung. Und es verwundert auch nicht weiter, dass der Spiegel seinen Hausautor in einer Lobrede gegen alle Kritiker verteidigt, der „immer wieder für Aufregung und Klarheit sorgt“.

Man steht ein wenig ratlos da angesichts solch einer Entscheidung. Noch Ende 2006 konnte man Broder in einer ungewöhnlichen Rolle sehen. Da wurde im Zuge der Rolf-Dieter-Brinkmann-Ausstellung am Kölner Rheinufer in einer Installation ein Video präsentiert, auf dem eben jener Broder zu sehen war, irgendwo in den Tiefen der Siebziger während einer Buchmesse, mit langem schwarzen Bart und strubbeliger Frisur, wie er sich hochlobend über Jörg Schröders Ambitionen mit dem März-Verlag äußert. Aha, ein Linker, ein Sympathisant der Underground-Literatur. Ein Jahrzehnt später, 1986 um genau zu sein, tat er sich dann öffentlich hervor, indem er meinte, der Linken „antisemitische Tendenzen“ nachweisen zu können. Dieser Grundtenor sollte bis heute erhalten bleiben.

In seinem jüngsten Buch „Hurra, wir kapitulieren!“, das in den Medien kontrovers diskutiert wurde, perfektioniert er genau das, was der jüdische Politikwissenschaftler Norman G. Finkelstein in seinem Buch „Antisemitismus als politische Waffe“ (München, 2006) zu diskreditieren versucht: Die Manifestation des Islam als universelles Feindbild „des Westens“, der der fundamentalistischen Übermacht nichts mehr entgegenzusetzen habe. Die Begründung, die Broder immer wieder herbeizerrt, ist der Antisemitismus. Und wer ihm widerspricht, der gerät in den Verdacht, eben jenen zu fördern. Broder fabriziert eine 180seitige Glosse, deren Quintessenz es ist, dass wir alle vor dem großen bösen Islam kapituliert haben, was er mit allerhand Beispielen, deren Quellen er durchweg schuldig bleibt, belegt.

Dass Ayaan Hirsi-Ali, ganz im Gegensatz zu Broder, trotz ihrer teils harten Kritik ein sehr differenziertes Islambild hat, scheint für ihn keine Rolle zu spielen. Wenig überrascht es da, wenn Broder besonders heraushebt, dass die gebürtige Somalierin nach den Querelen um die Ermordung des holländischen Filmemachers Theo Van Gogh, mit dem zusammen sie den islamkritischen Kurzfilm „Submission“ inszeniert hatte, heute in den USA, genauer gesagt in der Sonnenstadt Malibu, Zuflucht gefunden hat. Denn Broder macht keinen Hehl daraus, dass er nicht nur US-Präsident George W. Bush, sondern auch von Anfang an dessen Angriffskrieg gegen den Irak unterstützt hat. Der Spiegel gab ihm dabei reichlich Platz, seine mehr als subjektive Perspektive zu verbreiten. Der Westen mache sich zum Affen, wenn er den Islam gewähren lasse, urteilt Broder.

Wenn Broder über den Islam schreibt – und das tut er oft – dann entsteht das Bild einer lebensfeindlichen Fanatikerreligion, die nichts anderes im Sinn hat, als die Weltmacht zu übernehmen. Und die westlichen Alliierten sind natürlich bloß die Verteidiger der Freiheit. O-Ton Broder: „Ich kämpfe gegen 1,5 Milliarden Moslems, in aller Welt, die chronisch zum Beleidigtsein und unvorhersehbaren Reaktionen neigen.“ Das soll herausragende publizistische Leistung sein?

Der Spiegel bringt es in seiner hausinternen Laudatio auf den Punkt: „In dem 'zunehmend mit einer Stimme sprechenden Medienkomplex' habe Broder sich 'als eigene, unverkennbare Stimme' behauptet, schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung.“ Nur wie geriert sich denn Broders so unverkennbare Stimme? Ist es nicht genau der Tenor der Massemedien, den er bedient, der Tenor der Oberflächlichkeit, der Begünstigung von Ressentiments und schnellem, pauschalem und undifferenziertem Urteilen?