Schavans zweites Gesicht

Stipendienvergabe statt BAföG zur Eliteförderung?

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Vor und bei Einführung von Studiengebühren hatte die Politik angekündigt, ein umfassendes Stipendiensystem aufzubauen und argumentiert, hierdurch würden soziale Härten abgefedert und eine Abschreckung finanziell benachteiligter Studieninteressierter vermieden werden können.

Die heutige Bildungsministerin Schavan erklärte der Öffentlichkeit 2002, über Studiengebühren rede sie „ausschließlich im Zusammenhang mit einem umfassenden Bildungsfinanzierungskonzept, das auch z.B. Stipendien vorsieht.“ Ein solches Konzept ist die Politik jedoch bis heute schuldig geblieben. Ja, ein solches – „umfassendes“ – schien nicht einmal je angedacht gewesen zu sein.

Deutlich machen dies andere Aussagen von Frau Schavan. Beispielsweise, wenn sie attestiert, „die Zukunft“ läge „nicht beim BAföG, sie liegt in mehr Möglichkeiten für unsere Hochschulen, neue eigene Einnahmen zu haben und dauerhaft zu einer Verbindung von Stipendien, Darlehen und Studiengebühren zu kommen“. Und auf der anderen Seite ergänzte sie, „die Zukunft unseres Landes“ hänge in starkem Maße davon ab, wie gut es uns gelänge, mittels Vergabe öffentlicher Stipendien „eine Leistungselite aufzubauen".

Konkret bedeutet das: Der Auf- und nicht etwa behauptete Abbau von Ungleichheit ist gegenwärtig Methode der Wahl deutscher Bildungspolitik. Ihre Ziel sind ein Mehr an „Elite“ sowie Wettbewerb, Liberalisierung und folglich Privatisierungen im Bildungssystem. Es geht um Markt und nicht soziale Gerechtigkeit. Es geht um Gebühren fürs Studieren und privatwirtschaftliche Kredite für die Gebühren – und somit folgelogisch um eine mittelfristige Abschaffung des BAföG und unmittelbar immer weiterreichende Übertragung von Bildungskosten und Lebensrisiken auf die Schultern jedes Einzelnen.

Das Ziel der Stipendienvergabe ist dabei nicht etwa Sozialausgleich oder soziale Gerechtigkeit. Es ist Elitenförderung auf Kosten der nicht Geförderten (siehe dazu auch: "Nicht Lösung, sondern Teil des Problems"). Denn selbst wenn die Bildungsministerin die geplante Quote von einem Prozent öffentlicher Stipendien für die 2 Millionen deutschen Studierenden erreichen würde, bedeutete dies doch den staatlichen Rückzug aus der sozialen Verantwortung für die restlichen 99 Prozent.

Das sind etwa 1,98 Millionen junger Menschen, welche die Politik dann - frei nach dem Motto „Wettbewerbspolitik ist die beste Bildungspolitik“ - dem Bildungsmarkt, auf welchem alsbald sicher flächendeckend Studiengebühren zu erwarten und zahlen sind, überlässt. Und eben das, das sollte man wissen, findet rot-schwarze Politik heute „gerecht“.