Bandsalat für Fortgeschrittene

Die Wahrheit über das deutsche Geheimdienstmilieu und seine traurigen Datensicherungsroboter

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Lange hatte man nichts von Marvin, dem extrem traurigen Roboter aus Douglas Adams' "Per Anhalter durch die Galaxis" gehört. Angeblich war er ja in "Mach's gut und Danke für den Fisch" gestorben. Jetzt ist er wieder aufgetaucht, um bei der Bundeswehr Bandsalat hervorzurufen.

Die Geschichte wird so gegangen sein. Marvin, der von Adams schonmal dazu verurteilt wurde, mehrere Millionen Jahre auf einem Parkdeck für Raumschiffe zu verwarten, versank nach dem Tod seines Schöpfers in noch tieferer Depression als üblich. Auf der Suche nach einer Möglichkeit zu weiterer Selbsterniedrigung fiel ihm - man weiß nicht wie - eine Stellenanzeige für den mutmaßlich dümmsten Job des Universums in die Hände, nämlich als Datensicherungsroboter bei der Bundeswehr.

Marvin sah seine Chance sofort: Das war eine Gelegenheit, seine Schaltkreise endlich einmal auf atomarem Level in Grund und Boden zu langweilen, der Sinnlosigkeit schlechthin so nah zu sein wie noch nie. Also übernahm er die Daten von einem überlasteten System namens "Jasmin" und machte sich ans Werk. Die Strukturen waren genauso primitiv und sturzlangweilig, wie er das erwartet hatte. Jasmin konnte im Vergleich zu ihm kaum bis drei zählen, sinnvolle Unterhaltungen über moderne Astrophysik waren mit ihr einfach nicht möglich.

Die Tätigkeit selbst war noch stupider als gedacht: Schon nach einem Jahr litt Marvin an einem schädelspaltenden, langeweileinduzierten Dauerkopfweh. Schließlich ging es ihm wirklich so schlecht wie noch nie. An den Grenzen des Erträglichen angekommen, schaltete er sich selbst zeitweise ab und löschte dabei gleich die Bänder, die er gerade hatte sichern sollen - das waren nun einmal zufälligerweise gerade die, auf denen sich die relevanten Daten zum Fall Kurnaz befanden.

Eine hanebüchene Geschichte? Im Vergleich zu der Räuberpistole, die einem die Verantwortlichen erzählen wollen (vgl. Bundeslöschtage bei der Bundeswehr?), ist sie so wahrscheinlich wie die Wahrheit selbst. Aber verlassen wir doch einmal den Bereich von Wahrheit und Wahrscheinlichkeit. Werfen wir den unendlichen Unwahrscheinlichkeitsdrive an, jenes Triebwerk im "Anhalter", das gerade die verrücktesten Verrücktheiten wahr macht.

Stellen wir uns für einen Augenblick vor, dass wir auf eine besonders dumme Art veralbert werden. Dass die Bänder sehr wohl existieren, der fragliche Roboter fehlerfrei gearbeitet hat und die Öffentlichkeit ein Lügenmärchen zu hören bekommt, nicht einmal plausibel genug, um Schulkinder zu täuschen, geschweige denn Leute, die etwas davon verstehen.

Was haben wir dann hier? Den Normalzustand eines Landes, das sich anschickt, "Mittelmacht" zu werden, mehr Einfluss in der Welt wahrzunehmen und dabei schon im Ansatz reproduziert, was man bis vor kurzem nur bei dem bösen großen Bruder USA und seinen bösen kleinen Brüdern verortet hat: Folter, Entführungen resp. die Beihilfe dazu, das Verschwindenlassen von Personen, militärische Einsätze zu Vorbereitung kommender militärischer Einsätze (vgl. Darf's ein bisschen mehr sein?), Geheimdienste und Sonderkommandos ohne jede demokratische Kontrolle sowie die Skandale und Skandälchen, die aufbrechen, wenn ein Zipfel von all dem Dreck unter dem Teppich hervorschaut: das ganze, hässliche Programm.

Wenn man sich mit der absolut unwahrscheinlichen Prämisse auch nur eine Minute beschäftigen würde, dass der Datenverlust eben nicht von Marvin herbeigeführt wurde, sondern gar nicht stattgefunden hat, dann könnte man dem Publikum zurufen: Ihr wollt ein wenig in die Glaskugel sehen? Ihr wollt sehen, wie der innenpolitische Fallout der außenpolitischen Streberei Deutschlands in Zukunft aussieht?

Stellt euch einfach diesen Unfug im Profimaßstab vor, dann kommt ihr ungefähr hin. Denkt an fortschreitenden Bandsalat, Untersuchungsausschüsse ohne Ende, denkt an massenweise fabelhafte Stoffe für Politthriller: das ganze, hässliche Programm. Und die außenpolitischen Folgen dieser Außenpolitik? Man muss nicht die geringsten Sympathien für die Bartträgerphilosophie von Herrn Kurnaz haben oder für die islamistischen Freunde von Herrn Masri, um zu fürchten, worauf das hinausläuft.

Es wird nicht nur um Islamismus gehen. Stimmt, momentan heißt Geopolitik für die deutschen Eliten, bei aller Liebe zum "arabischen Raum" den Terror, den seine Ideologie konsistent verspricht, in geordneten Bahnen zu halten. Aber das muss ja nicht so bleiben. Stell dir also, liebes Publikum, vor allem Krieg vor. Viele tote Soldaten und noch mehr tote Zivilisten. Eine kerngesunde Rüstungswirtschaft, Ehrenmale, Traumakliniken.

Ganz, ganz viel Verantwortung für Deutschland. Eine schöne runde Medaille, deren zwei Seiten der Bandsalat im Inland und der Krieg im Ausland sind.

Zum Glück müssen wir uns das alles nicht vorstellen, denn wir kennen die Wahrheit: Marvin war's. Und das ist, bei allem Erschrecken über die Unzuverlässigkeit der Technik - selbst der zukünftigen - doch einigermaßen beruhigend.