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Aus der Traum: Kleinkinder lernen nicht vom Fernsehen

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Wer jemals die Verformungen gesehen hat, zu denen Babys Schlangenmenschen gleich imstande sind, um aus den schwierigsten Positionen heraus auf das Fernsehgerät zu blicken, der weiß, dass der Bildschirm ein großartiger Aufmerksamkeitsmagnet schon für 7 Monate alte Menschen ist. Viele Eltern nutzen das, um die anstrengenden Lebewesen für eine Zeitlang von sich abzulenken und endlich mal duschen zu gehen. Die wenigsten geben zu, dass sie das TV-Gerät vor allem als billigen Babysitter einsetzen und schützen Lerneffekte vor (vgl. Fitte Babys schauen fern).

Nach einer groß angelegten Studie der Kaiser Family Foundation aus dem Jahr 2006 (vgl. Babys vor die Glotze) haben 79% der unter 2-Jährigen in den USA bereits ferngesehen. Das Interesse von Babys am TV beginne „unter natürlichen Bedingungen“ etwa im 4. oder 5. Monat, so neuere Forschungsergebnisse 1: „Können sie krabbeln, versuchen sie, sich zum Fernsehgerät hinzubewegen – ähnlich wie zu einem Spielzeug.“

Babys hätten nicht nur ihre „Lieblingssendungen“, was wissenschaftlich tatsächlich untermauert wird 2, sie würden auch vom TV lernen können, behaupten Eltern (und Fernsehanstalten), die darin von der Wissenschaft nicht unterstützt werden. Doch hält sich selbst unter gut unterrichteten Menschen, die während ihrer Kindheit die Sesamstraße gesehen haben, die Annahme, dass Fernsehen beim Spracherwerb eine hilfreiche Rolle spielen könnte.

Das mag vielleicht für ältere Kinder gelten, für die Kleinen gilt das nicht, wie eine Untersuchung von Marina Krcmar, Professorin für Kommunikation an der Wake Forest University in North Carolina belegt. An der Studie, die in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Media Psychology erscheint, nahmen 48 Kleinkinder teil.

Sie demonstriert, dass Kinder zwischen 15 und 24 Monaten nicht dazu imstande waren, mit einem Wort, das sie beim Sehen von Teletubbies lernen hätten sollen, das entsprechende Objekt zu identifizieren.

Hatte ihnen jedoch ein Erwachsener das Wort erklärt, dann lernten sie es. Sie konnten es aber auch, wenn der Erwachsene ihnen das Wort in einem Video erklärt hatte: „..to some extent it does not matter as much if the adult is ‘‘live’’ or on television“ lautet ein beachtenswertes Nebenergebnis der Studie. Von der höheren Aufmerksamkeit, welche die Kleinkinder in der Untersuchung Erwachsenen und Kindersendungen gleichermaßen zukommen ließen (im Vergleich zu ablenkenden Objekten wie etwa Spielzeughunden), profitierten nur die erwachsenen Sprachlehrer:

Während der frühen Stufen des Spracherwerbs - und für Kinder, die noch ein Vokabular unter 50 Worten haben – gilt, dass Kleinkinder mehr von einem erwachsenen Sprecher lernen als von einem Programm wie Teletubbies.

Damit bestätigt diese Untersuchung Empfehlungen, die von padägogischen Institutionen immer wieder geäußert werden: Dass Kinder unter 2 Jahren nicht fernsehen sollten.

Der Gedanke, dass Fernsehen kleinen Kindern zum Erwerb des frühen Wortschatzes beitragen könnte, mag ein Traum von Eltern sein, wird aber von der Wissenschaft nicht unterstützt. Professorin Marina Krcmar

Interessant ist, dass man sich die Teletubbies ausgesucht hat. Ging man doch in den 90er Jahren - und vermutlich nicht nur in Deutschland - davon aus, dass Tinky-Winki, Po und Laa-Laa für die Sprachentwicklung eher schädlich sind. Sehr erstaunt war man, als wissenschaftliche Studien das Programm von diesen Vorwürfen freisprachen.

Die süße Truppe wurde in jüngster Zeit auch in Polen kritisiert, wo man ihr Homosexualität vorwarf. Diese bizzare Interpretation wurde erwartungsgemäß nicht bestätigt.

Wahr ist allerdings, dass die Sendungen in den neunziger Jahren in England für Quotenrekorde sorgte, weil sie sehr beruhigende Effekte haben kann – für Erwachsene, die von langen Club-Nächten zurückkehren, wie Chill-Out-Fachleute bestätigen.Für Kleinkinder kann die Sendung sehr ungesund sein.

Als sich das TV-Phänomen Teletubbies weltweit verbreitete, gab es häufiger Nachrichten von Babys, die beim Sehen der Sendung von Sofas und anderen Sitzgelegenheiten stürzten (und im Sturz das teure TV-Gerät mitnahmen).