Autobomben als billige Massenvernichtungswaffen

Von Bagdad nach London: Das urbane Leben und die Mobilität sind die Ziele des Terrorismus und der Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen

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In Großbritannien wird, kurz vor dem zweiten Jahrestag der Terroranschläge auf die U-Bahn, erneut die Angst vor den Autobomben wach, nachdem die Polizei in London zwei im "irakischen Stil" fabrizierte Autobomben, die in der Nähe von Nachtclubs platziert waren, entschärfen konnte und gestern ein Jeep in den Haupteingang des Flughafens von Glasgow von zwei Männern asiatischen Aussehens gefahren wurde. Die nicht erst seit dem 11.9., sondern schon zu Zeiten des IRA-Terrors eingeführten Sicherheitsmaßnahmen ("ring of steel") aus Sperren und Überwachungskameras werden weiterhin mit neuen Techniken forciert. Tatsächlich werden die Menschen in allen größeren Städten damit rechnen müssen, dass Autobomben zu Mitteln werden, die sich Terroristen ganz unterschiedlicher Provenienz aneignen, um Angst zu schüren und die Wirkungslosigkeit der Sicherheitsmaßnahmen vorzuführen, womit die wechselseitige Aufrüstung, die wir schon seit Jahren erleben, nur desto geschmierter läuft. Stadt und Mobilität stehen im Zentrum

1992 explodierte in London die erste, gewaltige Autobombe der IRA an einem Freitagabend in der City. Drei Menschen starben, Dutzende wurden verletzt und viele Gebäude zerstört. Die IRA entschuldigte sich und sagte, sie habe nicht damit gerechnet, dass zu dieser Zeit noch Menschen im Geschäftsviertel seien. Auch die nächste Bombe forderte ihre Opfer, obwohl die IRA ihre Anschläge in aller Regel aber zuvor ankündigte, um die jederzeit mögliche Gefährdung der urbanen Zentren und die Machtlosigkeit der Sicherheitskräfte und ihrer Maßnahmen zu demonstrieren, aber um gleichzeitig zu vermeiden, dass zufällige Anwesende als Kollaterschalschaden getötet oder verletzt werden.

Solche Überlegungen bewegen islamistische Terroristen offenbar nicht mehr. Sie wollen, eigentlich ganz westlich, maximale Wirkung der eingesetzten Technik. Die Drohung reicht nicht mehr, wer zufällig vor Ort ist, ist selbst schuld. Nur möglichst viele Opfer bringen Schlagzeilen. Dazu passt, dass Videos im Netz verbreitet werden, die vielleicht mit einigen Rechtfertigungen und gerne mit religiösen Wortfetzen und martialischen, einlullenden Liedern eine Montage der Vernichtung inszenieren. Schlag um Schlag fliegen Fahrzeuge in die Luft oder werden Menschen von Scharfschützen erschossen: Eine ästhetisch aufbereitete Serie von Mord und Zerstörung, die sich selbst zu genügen scheint, die den Terror feiert. Noch werden in aller Regel nur Videos über Angriffe auf militärische Ziele verbreitet, man wird nicht lange darauf warten müssen, bis es auch Bilder in Echtzeit gibt, die zeigen, wie es ist, wenn Bomben auf Marktplätzen oder belebten Straßen explodieren.

Gegen die Waffe der Autobomben, die zeitgesteuert, über Handys oder andere Mechanismen ferngesteuert oder von Selbstmordattentätern am Ziel oder möglichst nah am Ziel zur Explosion gebracht werden und mit einfachen, billigen Mitteln (Benzin, Gas, Nägel und Metallteile) großes Unheil und schreckliche Verwundungen verursachen können, gibt es noch keinen wirklichen Schutz. Es findet ein asymmetrisches Wettrüsten statt, bei dem immer neue Varianten entwickelt werden, um Schutz- und Präventionsmaßnehmen zu umgehen. Obgleich Autobomben als Fluch der individuellen Mobilität und als "banale" Massenvernichtungswaffen, die in allen Belangen weit hinter den gerne und viel beschworenen Möglichkeiten der biologischen, chemischen und nuklearen Massenvernichtungswaffen zurückliegen, schon seit Jahrzehnten eingesetzt wurden, scheinen gegenwärtig Afghanistan und der Irak die Orte zu sein, in denen das Wettrüsten am schnellsten abläuft, aber auf die deren Einsatz nicht beschränkt ist.

Noch weiß man nicht, wer hinter den Autobomben in London wirklich steckt und was die Täter damit bezweckt haben könnten. Es liegt nahe, an islamistische Täter zu denken, die kurz vor dem Jahrestag der Anschläge vom 7. Juli 2005 und kurz nach der Amtsübernahme des neuen Premiers Gordon Brown die zeitliche und politische Gelegenheit nutzen wollten, um Angst und Schrecken zu verbreiten und Aufmerksamkeit auf die Kriege, auf die "politischen" Ziele der Islamisten und nicht zuletzt auf sich selbst zu lenken. Genauso gut denkbar wäre allerdings auch, dass nun Kriminelle sich der terroristischen Methoden bedienen, um Machtkämpfe auszufechten.

Terrorist attacks in the UK are a real and present danger. Crowded places, including bars, pubs and nightclubs may feature in the attack plans of terrorist organisations as they are usually locations with limited protective security measures and therefore afford the potential for mass fatalities and casualties.

Warnung des britischen National Counter Terrorism Security Office vor zwei Wochen

Die Stadt der Sicherheit und die Kontrolle der Geschwindigkeit

Der Moderne ist ein Imperativ mit vielen Aspekten eingeschrieben. Als Aufbruch aus einem verkrusteten, fixierten und traditionsorientierten System, das als eine Art Gefängnis empfunden wird und Stillstand verheißt, wurden Fortschritt, Wachstum und Beschleunigung zu unabdingbaren, aus der urbanen Erfahrung und Dynamik gebildeten Grundlagen der Gesellschaft und des persönlichen Lebens. Dem haben Romantik, Konservatismus, alle Spielarten des religiösen Fundamentalismus oder Postmoderne nichts anhaben können, zudem haben auch sie den destruktiven Charakter der Moderne beibehalten, nämlich den Angriff auf die festgezurrte Gegenwart, selbst wenn dieser letztlich mit Vorstellungen einer alten, geschlossenen und fest gefügten Welt lockt.

Fortschritt, Wachstum und Beschleunigung sind allerdings im Unterschied zur Neuzeit keine utopischen Erwartungen oder kritische Forderungen mehr, sie sind in das Herz des Systems eingezogen und haben sich in der Technik verkörpert, die primär Beschleunigungsmaschinen herstellt. Schließlich ist auch die Erhöhung der Leistung eine Vergrößerung der Geschwindigkeit, mit der etwas gemacht wird – gleichzeitig nimmt, auch wenn die Geräte und Maschinen schrumpfen und sie weniger Energie benötigen, der Verbrauch durch größere Verbreitung zu. Wenn aber die kontinuierliche Beschleunigung erlischt, droht selbst bei rasendem Stillstand eine Katastrophe und letztlich der Tod. Das ist den Wirtschaftstheorien ebenso eingeschrieben wie der Evolutions- und Geschichtstheorie oder in den Bildern vom persönlichen Glück. Kaum vorstellbar und emotional besetzbar mehr ist daher gesellschaftlich wie persönlich das alte Glück, sich ein für alle Mal niederzulassen und in den Zustand des Angekommenseins überzugehen. Allerdings scheint die Dynamik heute auch mit der weiterhin explodierenden Urbanisierung des Lebens an eine Grenze zu stoßen.

Durch die Mobilität im realen und virtuellen Raum wachsen die urbanen Regionen der Welt, zumindest die Teile, in denen die mobilen Menschen der Elite, aber auch die Migranten wohnen und arbeiten, zu einer globalen Metropole zusammen. In vielen Industriestaaten leben bereits 80 Prozent und mehr der Menschen in Städten, neue Urbanisierungsschübe vollziehen sich hier jetzt an touristisch und für den Ruhestand attraktiven Zonen wie entlang der gesamten Mittelmeerküste oder in den Emiraten. Bis 2030 sind zwei Drittel aller Menschen Stadtbewohner. Noch immer wandert jeden Tag eine Million Menschen in die Städte – oder in die urbanen Regionen. Jedes Jahr wächst so die urbane Bevölkerung hinsichtlich der Bevölkerungszahl um ein Land wie Frankreich oder in einer Größenordnung von mehreren Megacities an. Das Ende einer der wichtigsten Migrationsbewegungen, nämlich die vom Land in die Stadt, ist allerdings absehbar, zumal sich auch Verschiebungen zwischen urbanen Regionen ergeben, die, zusammenhängend natürlich auch mit wirtschaftlichen Gegebenheiten und der demografischen Entwicklung, neben wuchernden urbanen Regionen und gigantischen Mega-Cities zum Phänomen der schrumpfenden Städte führen. Das allmähliche Erlahmen der vom Land in die Stadt führenden Mobilität, die in eine zirkuläre Bewegung in und zwischen urbanen Regionen übergeht, lässt auch eine hinter religiösen und politischen Motiven verborgene Revolte mit den Mitteln einer destruktiven Mobilität gegen die Stadt aufkommen.

Am 11.9. wurde mit den Angriffen der zu Bomben umfunktionierten Passagierflugzeuge auf städtische Gebäude nicht nur Amerika, sondern der Stadt und der urbanen Architektur der Krieg erklärt, nachdem in der westlichen Welt der Krieg als Phänomen der Urbanität in weite Ferne gerückt ist. Allerdings hätte man schon lange auf die neue Dimension des urbanen Kriegs als Krieg in und gegen die Städte aufmerksam werden können: das zerstörte Kabul, gefolgt von Grosny und schließlich Sarajewo haben deutlich gemacht, dass die Städte wieder ins Visier geraten. Der Irak-Krieg als Folge des 11.9. hat schließlich die Städte eines ganzen Landes zur Kampfzone werden lassen. Die irakischen Städte, womöglich Vorschein der urbanen Zukunft, sind zu wilden, nicht mehr kontrollierbaren Orten geworden, in denen der „asymmetrische“ Konflikt zwischen Militärs, staatlichen Sicherheitskräften, Milizen, Terroristen und Kriminellen wütet. Wie in Bagdad mit der Green Zone werden Festungsanlagen mit Mauern, Betonklötzen, Überwachungssystemen, Panzern und hochbewaffneten Wachposten gebaut, während der Rest der Stadt zur Red Zone wird, in die nur noch Patrouillen gemacht werden. Andere Städte wie Mogadischu sind vollends wild geworden, ansonsten werden mehr oder weniger sichere Siedlungen – gated communities – gebaut, während allgemein Mauern oder Hightech-Zäune als Hemmschwellen und Kontrollpunkte der Mobilität am Boden eine neue Konjunktur erleben: Grenzbefestigungen zwischen Israel und Palästina, Indien und Bangladesch/Pakistan, USA und Mexiko sowie um die Festung Europa … Städte wie Melilla oder Ceuta werden mit Grenzanlagen im „internationalen Stil“ – Drahtzäune, Stacheldrahtverhau, Patrouillen, Überwachungskameras, Richtmikrofone, Bewegungsmelder etc. - als Inseln abgedichtet, während andere Städte oder Stadtteile wie im Irak zuletzt in Bagdad mit Mauern eingeschlossen werden.

Einst waren Städte immer auch unter dem Aspekt des Krieges gebaut worden. Sie waren einerseits wegen der Konzentration von Macht, Reichtum und Wissen attraktive Ziele, aber andererseits boten sie auch besseren Schutz vor Angriffen als kleinere Siedlungen. Die Menschen versammelten sich an gut zu verteidigenden Orten, wurden schon durch die Masse stärker und sicherten sich durch Befestigungsanlagen, die immer raffinierter und massiver wurden. Mit dem Aufkommen der weitreichenden Kanonen wurden die in der Neuzeit perfektionierten Verteidigungsanlagen für die Städte und Festungen allerdings bereits buchstäblich übergangen und zum Relikt. Und mit dem Luftangriff gerieten die Städte zu den Geiseln der neuen Kriegsführung, des totalen Kriegs, für den die dicht bebauten, wirtschaftlich bedeutsamen städtischen Gebiete mit ihrer Konzentration an Menschen, Behörden, Organisationen, Fabriken, Garnisonen, Universitäten, Medien und Infrastruktur zu einem strategischen Ziel wurden. Auch wenn mit dem Zweiten Weltkrieg die Zerstörung der Städte aus der Luft nicht endete, so war nach den massiven Bombardierungen der deutschen Städte der Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki 1945 der traurige Höhepunkt des modernen Stadtkampfes. Die Möglichkeit der weitgehenden Verwüstung der Städte ließ diese endgültig zu einer Falle werden – im Auftakt zu einer Welt, deren Urbanisierung stetig weiter zunahm und in der immer neue Megacities entstanden.

Iraqi insurgents have turned their country's roads into every shifting minefields. They move their roadside bombs daily, even hourly, stalking U.S. troops. The U.S. Army is vehicle-dependent in Iraq. In the lattice of the canals and farmland of the Tigris-Euphrates river valley, off-road movement is nearly impossible. Because heavily armored Army vehicles are forced onto predictable routes, the insurgents know where to place their homemade munitions to cause the greatest carnage.

Even with the help of hundreds of electronic eyes - aerial drones, fast-moving jets with camera pods and cameras affixed to blimps or tall metal towers - very rarely do American troops catch insurgents in the act of placing bombs. It's too quick and easy. A car pulls over to the side of the road to change the oil or fix a flat, or simply slows down, and an insurgent kicks a bomb out the door. Cars with holes cut in the floor allow bombers to drop devices onto roads while stuck in traffic. Insurgents can walk out the front doors of their houses, drop a bomb on the roadside and go back inside. In thinly patrolled rural areas, they can bury massive bombs in dirt roads.

Improvised explosive devices account for more than 70 percent of American casualties in Iraq, according to Defense Department casualty figures. During the past three years, the number of daily bomb attacks in Iraq has increased by as much as a factor of six, says Robin Keese, deputy director of the Joint Improvised Explosive Device Defeat Organization. While he declined to provide a precise number of daily attacks, other military sources say roadside bomb attacks currently are running at 100 per day. They are increasing even though over the past four years the U.S. military has killed or captured 70,000 insurgents in Iraq, according to an analysis by RAND, a think tank headquartered in Santa Monica, Calif. A recently declassified Government Accountability Office report says insurgent attacks of all types, including bombings and sniper shootings, have risen from 76 a day in January 2006 to an average of 164 a day in the past three months.

Homemade Bombs, High-Tech Response

Panoptische Städte

Wie Mauern und Firewalls, Green Zones oder gated communities zeigen, wird virtuelle und reale Mobilität zum Risiko, zumindest zu einem Unsicherheitsfaktor. Unscheinbar verpackt in anderen Daten, aber vor allem in Fahrzeugen oder unter der Kleidung von Boten gelangen die zerstörerischen Botschaften direkt an den Ort des Geschehens. Noch findet die Kultur des virtuellen Anschlags, trotz mancher spektakulären Viren- und Wurmepidemien und DDoS-Angriffen mit Zombie-Heeren, die mit Trojanern gekapert wurden, noch kein so großes Aufsehen, weil die Folgen gegenüber Bombenexplosionen mit vielen Toten und großen Schäden bislang weitaus weniger eindrucksvoll sind. Aber das könnte anders werden, wenn die virtuellen Attacken tatsächlich reale Folgen haben, also beispielsweise wichtige Infrastrukturen lahm legen.

Autos (oder Flugzeuge), die in Bomben umfunktioniert wurden und von Selbstmordattentätern gesteuert werden, weisen aber bereits auf das Zusammengehen von virtuellen und realen Anschlagsformen hin: auf Anschläge mit Boden-, Luft- oder Wasserfahrzeugen, die aus der Ferne gesteuert werden, auf Selbstmordattentäter verzichten können, beladen sind mit Explosivstoffen oder mit chemischen, biologischen, nuklearen oder „schmutzigen“ Waffen und praktisch überall zum Einsatz kommen können, ohne dass die herkömmlichen Vorkehrungen wie beispielsweise Stahlpoller, Abstand zur Straße, Überwachungssysteme, verstärkte Mauern und Fundamente oder gar das teure Raketenabwehrschild des Pentagon solche Angriffe noch abwehren könnten. Ziele der zu erwartenden Massenvernichtungsanschläge sind weiterhin die Städte und hier die Orte, deren räumliche Verdichtung den größten oder spektakulärsten Schaden entstehen lässt.

Als Gegenmaßnahme gegen den allgegenwärtigen Zustand der Unsicherheit wird die Überwachung der Mobilität in den Datennetzen, auf den Straßen und in den Gebäuden mit dem Ziel forciert, alles, vor allem alles, was sich bewegt und sich auffällig verhält, zu erfassen und zu kontrollieren. Die Städte sollen möglichst zu einem neuen Panoptikon werden. Neben Personen und Fahrzeugen, die sich durch die Stadt bewegen und durch Überwachungskameras, auch hochgerüstet mit Gesichts- und Verhaltenserkennung oder Nummernschilderfassung, GPS-Sendern, RFID-Chips und eine Vielzahl möglicher Sensoren identifiziert und lückenlos verfolgt werden, will man auch Menschenmengen schnell überprüfen und aus der Entfernung erkennen, ob Personen Waffen mit sich führen oder verdächtiges Verhalten zeigen. Fahrzeuge, Container etc. müssen mit neuen Scan-Verfahren transparent werden. Aber auf der der Wunschliste der Überwacher stehen auch bessere Techniken ("Through-the-wall-Surveillance"), mit denen sich Personen in ganz unterschiedlichen Gebäuden und hinter sehr unterschiedlichen Wänden oder Mauern lokalisieren oder verfolgen lassen. „Intelligente“ Gebäude oder Wohnanlagen setzen die Überwachung lückenlos nach innen fort, auch wenn sie neben Schutzmaßnahmen zunächst nur der Steuerung von Funktionen durch die Erkennung der Personen und ihres Aufenthaltsorts dienen mögen.

Umsetzen lassen sich die neuen Möglichkeiten der Lokalisierung etwa in Stadtkarten oder Satellitenbildern, die jeweils aktuell zeigen, wo beispielsweise am meisten Menschen, deren Handys eingeschaltet sind, sich bewegen oder wo welche Strafanzeigen bzw. Polizeieinsätze gemacht wurden, um bestimmte Orte zu meiden oder aufzusuchen, sich dort eine Wohnung oder ein Geschäft zu suchen oder lieber umzuziehen. Privatpersonen können sich über GPS oder Handys lokalisieren oder verfolgen. In London werden demnächst in einem „Modellprojekt“ die Bewohner eines Stadtviertels dieses an ihrem Fernseher anhand eines Netzes mit Überwachungskameras selbst unter Dauerbeobachtung stellen können. Und es gibt erste interessante Modelle von P2P-Anwendungen wie im „Bio Mapping Project“, bei dem sich Menschen mit einem GPS-Gerät durch eine Stadt bewegen und versucht wird, mit der kontinuierlichen Abnahme ihres Hautwiderstands ihren emotionalen Zustand (Ruhe, Angst, Erregung, Freude etc.) an einem Ort zu erfassen. Diese interpretierten Zustände lassen sich dann zeitverschoben oder in Echtzeit auf Satellitenkarten abbilden, die über das Internet auch anderen zugänglich gemacht werden können. Ergänzt mit weiteren Sensoren und kontinuierlich ausgeführt von einer großen Zahl von Personen würde man so auf eine ganz neue Art Städte und ihre Dynamik kartieren können. So würde man neben den attraktiven Orten auch die Gegenden erfassen können, die Unsicherheit oder Risiko ausstrahlen.

Revival der Autobomben

Auch architektonisch versucht man seit geraumer Zeit, nicht nur Terroranschlägen durch eine Sicherheitsarchitektur entgegenzukommen, die sich mittlerweile über alles zu legen scheint. CPTED (crime prevention through environmental design) ist Ausdruck für die neue Wagenburgmentalität, die gegen die Mobilität neue, ausgeklügelte Festungen erbaut. Nach Definition ist CPTRD „das eigentümliche Design und die effiziente Nutzung der gebauten Umwelt, die zu einer Reduzierung der Angst und der Kriminalität sowie zu einer Verbesserung der Lebensqualität führt.“ Auch wenn am 11.9 die Angriffe aus der Luft und die Anschläge in Madrid und London durch Bomben in Nahverkehrszügen oder U-Bahnen erfolgten, ist derzeit wohl neben den Selbstmordattentätern, die einen Sprenggürtel mit sich tragen, die Autobombe, das leicht und billig zu besorgende Amalgam von motorisiertem Transport auf dem Boden und Waffe, oft auch verschärft mit einem Selbstmordattentäter, der das Fahrzeug ins Ziel lenkt, zur hauptsächlichen urbanen Bedrohung geworden.

1920 explodierte vermutlich die erste Bombe, die in einem Fahrzeug angebracht wurde, in einer Stadt (vgl. dazu die Geschichte der Autobombe von Mike Davis). Die anarchistische „Propaganda der Tat“ ging mit dem Pferdefuhrwerk, das Mario Buda in New York vor dem Gebäude von J. P. Morgan abstellte, um gegen die Inhaftierung der Anarchisten Sacco und Vanzetti zu protestieren, über in die mittlerweile bekannte Form des Terroranschlags, der mit dem Tod von zufällig anwesenden Passanten in einer Stadt für ein weitaus größeres Spektakel als die bisher meist üblichen Attentate bewirkte. Das mit Dynamit beladene Fuhrwerk riss, als es in die Luft ging, 40 Menschen mit in den Tod. Die Stadt war zum Schauplatz der „asymmetrischen“ Konflikte geworden, die heute in vielen Ländern vorherrschen und die als globale Konflikte auch auf Städte in den Staaten übergreifen, die sich weit entfernt vom primären Konfliktfeld befinden.

Die ersten Selbstmordanschläge mit einer Autobombe erfolgten 1983 in Beirut – und sie waren Auftakt für eine weitere Verbreitung von Anschlägen, die von den Selbstmordattentaten der Tamil Tigers in Sri Lanka bis zu denen des Sendero Luminoso in Peru reichten. Ein von einem Hisbollah-Mitglied gelenkter, mit einer Tonne ANFO vollgepackte Lastwagen rammte im April 1983 das Tor der US-Botschaft und sprengte sie in die Luft. Kurz darauf erfolgte die angeblich größte nichtnukleare Bombenexplosion. Wieder handelte es sich um einen gestohlenen Lastwagen, der mit der tödlichen Last von sechs Tonnen Sprengstoff in das US-Militärlager am Flughafen in Beirut eindrang und mit einer gewaltigen Detonation große Zerstörungen anrichtete. Es war zugleich der erste Anschlag, der mehrere Hundert Todesopfer, genau 241 US-Soldaten, forderte.

Autobomben mit und ohne Selbstmordattentäter wurden weiter als Anschlagstechnik kultiviert, unter anderem auch im Kampf gegen die russische Besetzung Afghanistans. Hier erhielten die Gotteskämpfer Geld, Waffen und Instruktionen von der CIA und dem pakistanischen Geheimdienst, so dass nun über Afghanistan und dem Irak, aber schon zuvor durch den ersten Anschlag auf das WTC und die US-Botschaften in Afrika das exportierte Wissen auf den Versender zurückschlägt. Das geschah bereits 1993 mit dem ersten Anschlag auf das WTC durch Ramzi Yousef, der in einem pakistanischen Lager ausgebildet worden sein soll und dessen Onkel Khalid Shaikh Mohammed ist, der mutmaßliche Planer der Anschläge vom 11.9. Yousef parkte einen mit 600 kg selbstgemischten ANFO-Sprengstoff gefüllten Van in der Tiefgarage des WTC. Die Explosion sollte den Turm durch die Zerstörung tragender Teile des Fundaments an der Südwand zum Einsturz bringen, was aber nicht gelang. Allerdings wurden über vier Stöcke hinweg die Stahlbetondecken aufgerissen. Es starben 6 Menschen, 1000 wurden verletzt.

Seit Ende der 90er Jahre häufen sich die Anschläge mit perfektionierten Autobomben gegen Menschen, Architektur und Infrastruktur. Im Irak sind die Explosionen mittlerweile in ein blutiges Stakkato übergegangen und haben bereits Zigtausende Menschen getötet und noch viel mehr verletzt. Aber sie haben sich auch anderswo auf der Welt weiter in den Städten verbreitet, weil auch das Wissen um die Wirkungen und Innovationen der Technik heute schnell in den Medien, vor allem im Internet zirkuliert. Die technische Evolution oder das Wettrüsten geschieht schnell. Auch die Bomben selbst wurden im Irak immer perfider, vor allem aber haben sich die Auslösemechanismen entwickelt, weil das US-Militär natürlich alles versucht hat, sich gegen die Anschläge abzusichern und die Zündung aus der Ferne zu stören. Gegen Selbstmordattentäter gibt es jedoch kaum eine Möglichkeit, wenn man den Verkehr nicht unterbindet, weil nicht alle Gebäude, Straßen und Plätze gegen Explosionen beispielsweise durch Entfernung von der Straßen, Poller, Kontrollen oder Verstärkungen der Gebäude selbst geschützt werden können.

Und irgendwann ist damit zu rechnen, dass die Bedrohung nicht mehr von der Straße ausgeht, sondern von der Luft. Die Anschläge vom 11.9. haben dies bereits demonstriert. Aber die Entführung von Passagiermaschinen ist nicht einfach und kann nicht so ohne weiteres wiederholt werden. Die in der modernen Kriegsführung, auch wegen der Risiken durch asymmetrische Konflikte, vermehrt eingesetzten ferngesteuerten oder automatischen Fahrzeuge oder Kampfroboter werden auch in die Hände von Terroristen, Aufständischen und Kriminellen geraten und so neue Möglichkeiten bieten, wie zu Lande, zu Wasser oder aus der Luft Anschläge relativ gefahrlos für die eigene Person ausführen kann. Nur eine Verbunkerung könnte davor vielleicht einen Schutz bieten. Aber ein Leben im Bunker und Urbanität sind nicht vereinbar.