Röhrenträume zur Lösung des Wassermangels

Eine Studie des WWF analysiert Wassertransfers weltweit und spricht von "Traumgebilden" mit massiven Auswirkungen auf die Umwelt

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Gern werden Wassertransfers von einem Fluss in einen anderen als Lösung für den Wassermangel verkauft. Die Umweltorganisation WWF kritisiert die großen Eingriffe in die Natur über Teilumleitungen von Flüssen als "teure Ingenieurleistungen", die "ganze Ökosysteme unterminieren" und die Lebensräume von vor allem sehr armen Menschen zerstören. In der Studie Pipedreams? Interbasin transfers and water shortages werden sieben Projekte aus Spanien, Australien, Südafrika, Griechenland, Brasilien, Peru und China analysiert. Die Studie zeigt auf, dass die betroffenen Flüsse mit der Hypothek belegt werden, die Versorgung mit Wasser, und damit auch mit Nahrungsmitteln zu gewährleisten, während Alternativen und Einsparungen kaum berücksichtigt werden.

Cover der Studie (Alle Bilder: WWF)

In der Geschichte gab es weltweit stets Umleitungen von Wasser in einem Wassereinzugsgebiet. Doch immer stärker werde darauf gesetzt, wegen der steigenden Nachfrage an Trinkwasser, auch große Wassertransfers von einem Gebiet in ein anderes vorzunehmen, zum Teil über sehr lange Strecken. Diese Transfers sind als IBTs bekannt und sind mit dem Phänomen des steigenden Dammbaus verbunden, der seit dem 20 Jahrhundert zu beobachten ist. Die Umleitungen würden von Regierungen als "schnelle Lösungen" für die steigende Nachfrage angesehen, heißt es in der Studie.

Deshalb hat WWF sieben Projekte genauer unter die Lupe genommen. Untersucht wurde der Transfer vom Tajo in den Segura in Spanien, der aus fünf Staudämmen gespeist wird und über den Wasser über fast 300 Kilometer in den spanischen Süden geleitet wird. Relativ gering fällt dagegen die Umleitung des Snowy River in Australien aus, der nur knapp 100 Kilometer lang ist, allerdings wird das System schon von 16 Dämmen gespeist. Zwischen diesen beiden Transfers liegt das Lesotho Highlands Water Projekt, in fünf Staudämmen gesammelt, wird Wasser über eine Länge von 200 Kilometern umgeleitet.

Fragmentierung and Regulierung von großen Flusssystemen

Diese bestehenden Transfers in andere Wassereinzugsgebiete wurden untersucht, um Kriterien zur Beurteilung von Projekten zu erhalten, die sich noch im Bau befinden. Und schon bei diesen drei Projekten fällt auf, dass es etliche Übereinstimmungen bei den negativen Folgen gibt. In allen drei Fällen sei im Vorfeld keine ernsthafte Analyse der Wassernachfrage in der Empfängerregion gemacht worden. Der Mangel dort führe nicht zu einem sinnvollen Umgang, sondern über die Transfers werde vielmehr die massive Verschwendung garantiert. Deshalb steige die Abhängigkeit von Transfers.

Das führte zum Beispiel im vergangenen Dürrejahr zu ernsthaften Problemen bei der Wasserversorgung in Murcia. Weil der Transfer aus dem Tajo in den Segura eingestellt werden musste, weil die Mindestmengen in den Staudämmen unterschritten wurde, musste in Murcia auf Notreserven zurückgegriffen werden (Wasserhahn für spanischen Süden abgedreht). Der Transfer in den spanischen Süden führt inzwischen auch zu Konflikten mit Portugal, weil Spanien sich immer weniger an die Wasserabkommen hält und vereinbarte Wassermengen nicht mehr ins Nachbarland fließen lässt (Iberische Flüsse in Not).

An den drei Projekten konnten auch ernsthafte ökologische Probleme in den Gebergebieten festgestellt werden, weil die eigentliche Fließmenge der Flüsse reduziert wurde und ökologisch bedeutsame Flächen geflutet wurden. In allen Fällen waren die Folgekosten der IBTs, sozial und ökologisch, sehr hoch. Die Empfängerregionen haben letztlich ihre ökonomischen Vorteile aus den ökonomischen Nachteilen der Geberregionen gezogen. In zwei von drei Fällen reicht die Umleitung zur Bedarfsdeckung längst nicht mehr aus, weshalb auf Grundwasser, teure Entsalzung und auf Wiederverwertung zurückgegriffen werden muss. In zwei von drei analysierten Projekten bestehen starke soziale Konflikte zwischen den verarmenden Geberregionen und den reicher werdenden Empfängerregionen.

Der WWF stellt fest, dass weltweit derzeit zahlreiche Wassertransfers in Planung sind. Zum Teil wolle man "Wasser über tausende Kilometer" und sogar "über mehrere Einzugsgebiete hinweg" transferieren. Hier steche Australien hervor, wo geplant werde, Wasser aus dem tropischen Norden bis in den trockenen Süden umzuleiten. Festzustellen sei auch, dass über viele Pläne keine Informationen vorlägen.

Tagus-Segura, Spanien

In der Studie hat die Umweltorganisation vier Projekte untersucht, die sich gerade in der Durchführungsphase befinden: Das Acheloos-Projekt in Griechenland, das Sao Francisco-Projekt in Brasilien, das Olmos-Projekt in Peru und das Süd-Nord Wassertransfer-Projekt in China. Hier sollen große Wassermengen von 20 Kilometern (Peru), 174 Kilometern (Griechenland), 720 Kilometern (Brasilien) und über 1156 Kilometern in China von einem Wassereinzugsgebiet in ein anderes transferiert werden.

Überall werden die Projekte mit größter Zerstörungswut vorangetrieben, auch wenn sie, wie im Fall Griechenlands von höchsten Gerichten als illegal deklariert wurden. Unter dem Stichwort "nationales Interesse", wird dort das mit bis zu vier Milliarden Euro teure Projekt von der Regierung vorangetrieben, auch wenn es gegen nationale Gesetze und gegen EU-Normen verstößt. Das ist insgesamt auffällig bei solchen Projekten, die gegen alle Widerstände vorangetrieben werden, wie der Staudamm von Itoiz in Spanien, der einst das Kernstück des "Nationalen Wasserplans" mit gigantischen Umleitungen über Hunderte Kilometer sein sollte. Doch trotz des offiziellen Endes des Plans wurde der Damm gegen alle Erschütterungen gebaut (Staudamm verursacht Erdbeben).

Traditionelle Holzbrücke am Acheloos Fluss, Griechenland

Abgelehnt von regionalen Stellen wurde auch das brasilianische Projekt. Es wird schon realisiert, obwohl es noch von Umweltministerium analysiert wird. Wegen des Wahlkampfs wurde das heftig umstrittene Projekt von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva 2006 zunächst auf Eis gelegt, wird nun nach der Widerwahl Lulas aber verstärkt vorangetrieben. Angeblich sollen die ökologischen Auswirkungen des Projekts gering sein, allerdings ist erstaunlich, dass dieses Projekt kaum der armen Bevölkerung zu Gute kommt, obwohl Lula sich die Armutsbekämpfung auf die Fahnen schreibt. Vor allem Großgrundbesitzer würden von dem Wasser profitieren, das mit einem Aufwand von etwa zwei Milliarden Euro herbeigeschafft werden soll. Es ist davon auszugehen, dass damit auch Monokulturen für die Produktion von Bioethanol auf 330.000 Quadratkilometern vorangetrieben werden soll (Biosprit und die Angst vor steigenden Bierpreisen).

Dagegen nimmt sich das peruanische Projekt relativ klein und billig aus, doch ist es deshalb nicht sinnvoller. Vor allem werden hier die kollektiven Landnutzungsrechte der indigenen Bevölkerung angegriffen und 200 Menschen müssen umgesiedelt werden. Dabei gäbe es einfache Alternativen, wie die Umstellung der Landwirtschaft auf einheimische Kulturpflanzen die weniger Wasser benötigen, als der Einsatz von Saatgut des Agro-Business. Das hätte auch zur Folge, dass die Biodiversität in beiden Gebieten stabil bleibt und nicht durch Flutung und Monokulturen beeinträchtigt würden.

Trans-Anden-Tunnel

Besonders stechen die chinesischen Pläne hervor. Das Land braucht große Mengen Wasser für die industrielle Entwicklung und leidet zudem unter einer Dürre, weshalb auch hier Mammutprojekte vorangetrieben werden (Megatrend China: Staudammbau). 40 Prozent der kultivierten Fläche und 31 Prozent der Industrieproduktion hängen an nur 10 Prozent der chinesischen Süßwasserressourcen. Durch fallende Pegel und Grundwasserspiegel und steigende Verschmutzung wird das Wasserproblem in China zusätzlich verschärft.

Das untersuchte Projekt in China sieht vor, Wasser aus dem Yangtze-Becken über fast 1200 Kilometer in Norden zu leiten. Neben den großen Auswirkungen auf die Umwelt, braucht es für die Realisierung des Projekts drei große Staudämme, die zudem in geologisch sehr aktiven Zonen liegen. Hier werden Erdbeben bis zu einer Stärke 9 auf der Richterskala registriert, was zu der großen Gefahr eines von Menschenhand verursachten Tsunami führen kann (Tsunami in Spanien?). Außerdem muss das Wasser mit großem Energieaufwand bis zu 450 Meter nach oben gepumpt werden. Die geringere Wassermenge im Yangtze sorgt zudem für eine steigende Sedimentierung und für eine höhere Verschmutzung, weil die Schadstoffe noch weniger verdünnt werden. Zudem müssten hier erneut 10.000 Menschen umgesiedelt werden.

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass alle Projekte mit gleichen oder ähnlichen Problemen behaftet sind. Die Umleitung von Wasser über die natürlichen Einzugsgebiete sind "sehr teure Initiativen mit starken Umweltauswirkungen, die zudem die Kapazität der Flüsse in Gefahr bringen, Wasser und Nahrungsmittel zu liefern". Dazu kommt, dass stets nur mangelhaft die Auswirkungen der Projekte und Alternativen untersucht worden seien.

Letztlich, wie zum Beispiel in Spanien, würde damit eine schädliche Politik vorangetrieben. Die bestehenden und geplanten Wassertransfers dienen hier dazu umweltfeindliche Urbanisierungen und Bewässerungen voran zu treiben. Festzustellen sei auch, dass die Projekte sich jeweils durch wenig Transparenz auszeichneten und sich insgesamt eine Geheimniskrämerei um sie rankt. Hunderte Umleitungen würden weltweit geplant: "Viele werden wegen ihrem Konfliktreichtum geheim gehalten."

Für James Pittock, Direktor der internationalen Wasserkampagne von WWF "handelt es sich in vielen Fällen bei den Umleitungen um simple ‘Traumaquädukte’, um den Reflex einer simplen Denkstruktur, wonach man den Wassermangel in der einen Region durch die Umleitung aus einer lösen könnte, ohne dabei neue Probleme zu schaffen". Für den WWF liegt der Schlüssel im verantwortlichen Umgang mit der Ressource Wasser, weshalb die "Flüsse und Wasserreservoire geschützt werden müssen". Dazu müsse eine korrekte Evaluierung der Nachfrage und das Angebot sinnvoll verwaltet werden. Umleitungen könnten nur die letzte Möglichkeit sein, wenn durch Einsparung und eine gute Verwaltung die Wasserknappheit nicht zu lösen ist.

Tatsächlich zeigten die Umleitungen in Spanien aber genau das Gegenteil. Begründet würden sie mit der Versorgung der Bevölkerung. In der Realität "werden genau die Verbraucher damit beliefert, die durch das Wassergesetz als nicht bevorrechtigt bezeichnet werden. Statt die natürlichen Fließmengen der Flüsse zu garantieren, werden Golfplätze und Wohnanlagen gebaut und Bewässerungen ausgebaut". Diese Art "Qualitätstourismus" zieht weitere Umweltzerstörungen nach sich (Qualitätstourismus bedeutet Umweltzerstörung). Ohnehin zeigt sich am Beispiel Tajo-Segura in Spanien auch schon, dass kein Wasser umgeleitet werden kann, dass wegen Dürre und Klimaveränderungen immer geringer vom Himmel fällt.