Wie geht Copyright?

Beruhigend zu wissen, dass es internationale Wirtschaftsexperten auch nicht wissen

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Auf einer Konferenz der Society for Econnomic Research in Copyright Issues trafen sich vergangene Woche Wirtschaftsexperten aus aller Welt. Sie debattierten unter anderem über die optimale Dauer des Urheberrechts, die offenbar zwischen 2,82 Jahren und ewig schwankt.

Die SERCI wurde vor sechs Jahren gegründet, um die wirtschaftliche Bedeutung des Urheberrechts und anderer Formen von „geistigen Eigentums an kulturellen Gütern“ zu erforschen. Zu diesem Zweck gibt der internationale Zusammenschluss von Ökonomen (mit einem starken angloamerikanischen Einschlag) eine Halbjahreszeitschrift heraus und organisiert einmal im Jahr eine Konferenz. Die diesjährige fand vergangene Woche in der ehrwürdigen Berliner Humboldt-Universität statt.

Während es draußen nicht zu regnen aufhörte, tröpfelten auch drinnen die Vorträge auf die Zuhörer herunter. Sicher ist die Erforschung der wirtschaftlichen Bedeutung des so genannten geistigen Eigentums eine wichtige Aufgabe; immer wieder werden ebenso unbewiesene wie steile Behauptungen in die Debatte geworfen. Wie wichtig ist das Patentrecht wirklich für Wissenschaft und Forschung? Werden Erfinder aufhören zu erfinden, wenn sie ihre Entdeckungen nicht mehr exklusiv verwerten dürfen? Tun sie es denn heute? Und wer profitiert vom Urheberrecht?

Spannende Fragen, allerdings näherten sich die Vortragenden in Berlin dem Problem streng wirtschaftswissenschaftlich, was heute bekanntlich neoklassisch beziehungsweise neoliberal bedeutet. Praktisch bedeutete das, dass sie in der Regel quasi-mathematische hochkomplexe Modelle vorstellten, die in ihrer Mehrzahl auf Kosten-Nutzen-Rechnungen hinausliefen. Die Grundannahmen dieser Modelle wiederum waren in der Regel weder sozial-, noch kulturwissenschaftlich fundiert. Überdeutlich wurde das, als sich am zweiten Tag eine Kontroverse darüber entspann, ob der durchschnittliche Internetnutzer beim illegalen Download Unrechtsbewusstsein verspürt oder nicht. Offenbar ist diese Form der ökonomischen Forschung immer noch ziemlich selbstgenügsam, so als gäbe es keine Publikumsforschung, und ihr Scharfsinn im Detail steht scharfem Widerspruch zu völlig spekulativen Grundannahmen.

Leider war auf dieser Konferenz nichts über die so genannte Kulturflatrate oder Open Access Publishing nichts zu hören. Natürlich erwartet niemand auf einer Veranstaltung, die unter anderem von Microsoft und einem Verband der deutschen Musikindustrie unterstützt wird, radikal kritische Beiträge. Umso erstaunlicher, dass die anwesenden Wirtschaftswissenschaftler den Nutzen des Urheberrechts durchaus zwiespältig sahen. Dass jedes von einem P2P-Netzwerk erworbene Musikstück einen Verkauf weniger bedeutet, glaubte jedenfalls keiner der Diskutanten. Sogar ob es diesen Zusammenhang überhaupt gibt, ist umstritten, und die bisherigen Studien haben ergeben, dass wegen der Downloads zwischen 0 und 13 Prozent CDs weniger verkauft wurden.

Das Urheberrecht ist nicht nur politisch, sondern auch unter Wissenschaftlern umstritten. Ökonomisch formuliert lautet das Problem ungefähr so: „Urheberschutz wägt die Kosten, die entstehen, indem man den Zugang zu einem Werk beschränkt, gegen den Nutzen ab, der durch den Anreiz entsteht, das Werk überhaupt herzustellen. Das wesentliche Problem des Urheberrechts ist es, die richtige Balance zwischen Zugänglichkeit und Anreiz zu finden.“

Optimal 14 Jahre Urheberrechtsschutz?

Wie lange also sollte der Schutz der Urheberrechte am besten dauern? Für die Kulturindustrie oder auch Creative Industries liegt die Antwort natürlich nahe: für immer, abzüglich eines Tages, wie der amerikanische Hollywoodmagnat Jack Valenti es einst formulierte. Nodir Adilov von der Cornell University in Ithaca schloss sich im Großen und Ganzen dieser Ansicht an, vorausgesetzt die Inhaber der Rechte investierten weiterhin in ihr Produkt. Als Beispiel wählte er allerdings Walt Disneys Mickey Mouse, was die Mehrzahl der Anwesenden nicht überzeugte. Adilov brachte auch ein Gebührenmodell als Alternative zur heutigen Praxis ins Gespräch: Rechtlich geschützt wäre ein Werk demnach so lange, wie dessen Urheber eine Gebühr an den Staat zahlt. Immerhin hätte das den Vorzug der Einfachheit: Hört der Rechtehalter auf zu zahlen, kann sein Werk frei genutzt werden.

Rufus Pollock, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Cambridge, dagegen hält die augenblicklichen Fristen für zu lange. In seinem Vortrag (PDF) entwickelte er ein Modell, um die optimale Dauer des Copyrights zur Maximierung des gesellschaftlichen Nutzens zu berechnen. Diese liegt, je nach den gewählten Parametern, zwischen 2,82 Jahren und 51,51 Jahren. Vorsichtig legte sich Pollock schließlich auf „etwa 14 Jahre fest“.

Die ökonomischen Argumente derer, denen das Urheberschutz gar nicht lange genug dauern kann, sind seiner Ansicht falsch, weil sie nur auf die gesunkenen Kosten für nicht-autorisierte Kopien verweisen, obwohl auch die Herstellung von „Originalen“ durch die technische Entwicklung immer billiger geworden sei. Dass in den letzten fünfzehn Jahren der Zeitraum des Copyright in vielen Ländern ausgeweitet wurde, liegt seiner Ansicht nicht an einer informierten öffentlichen Debatte, sondern schlicht am erfolgreichen „Lobbying“.

Diskutiert wurde nach Pollocks Vortrag über die nötigen politischen Konsequenzen. Während Stan Liebowitz, der Präsident von SERCI, mehr Forschung forderte und von politischen Konsequenzen Abstand nehmen wollte, wandte sich Pollock gegen eine Verlängerung des Urheberrechts über fünfzig Jahre hinaus: „Es ist politisch nicht durchsetzbar, diese Frist wieder zu verkürzen, selbst wenn wir in ein paar Jahren eindeutige Belege dafür haben, dass es besser wäre“, argumentierte er.

„Schwarzmarkt“ im Internet verweist auf Marktversagen

Ebenfalls umstritten war die künftige Rolle der Verwertungsgesellschaften, von denen eine, die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten, die Konferenz auch finanziell unterstützte. Einige Experten hielten es für möglich, dass die Entwicklung von Digital Rights Management-Systemen diese Gesellschaften überflüssig machen könnte. Schließlich wird ihre Existenz (die nicht so recht in die ökonomischen neoklassischen Modelle passen will) damit gerechtfertigt, dass sie die Transaktionskosten niedrig halten. Es wäre schließlich kaum praktikabel, wenn jede Urheberin und jeder Urheber versuchen würde, seine Rechte individuell durchzusetzen. Ruth Towse betonte aber auch andere Funktionen der Verwertungsgesellschaften, die als Interessensvertretung der Kreativen beziehungsweise kulturpolische Organisationen wirken würden.

Ansonsten forderte Andrew Christie, Jurist aus Australien, das Urheberrecht zu vereinheitlichen und international zu harmonisieren. Allerdings glaubte kaum jemand an die Erfolgsaussichten dieses Projekts. Ähnlich pessimistisch wurden die wirtschaftlichen Perspektiven des Digital Rights Managements beurteilt. Georg Erber vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung argumentierte, der „Schwarzmarkt“ im Internet verweise auf ein Marktversagen; Tauschbörsen ließen auch mit noch härterer Strafverfolgung kaum erfolgreich bekämpfen.

Das wesentliche Problem von DRM sei, dass sich die Oligopole bisher nicht auf einen gemeinsamen Standard hätten einigen können. So stünden Systeme wie Helix (Real Player) und Fair Play (Apple) einander gegenüber und wären für Nutzer unattraktiv. Mit iTunes dagegen gäbe es zum ersten Mal eine „Alternative zum illegalen Download“. Erbers Ansicht nach zielt die Strategie von Apple-Chef Steve Jobs darauf ab, den Markt für Musikdateien für Mobiltelefone zu erobern – schließlich seien die heute noch nicht DRM-fähig.