Erhöhte Gefährdung für die USA

Der Geheimdienstbericht über die Bedrohung der USA durch Terroranschläge laviert zwischen der Behauptung, dass die USA sicherer und gleichzeitig wieder gefährdeter geworden sei

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Ob Osama in Laden noch lebt, ist auch nach der letzten Videobotschaft nicht klar, in der zum Heiligen Krieg gegen die pakistanische Regierung wegen der Erstürmung der Roten Moschee aufgerufen wurde. Im Gegensatz zu Sawahiri ist schon lange keine aktuelle Botschaft vom islamistischen Terrormeister mehr aufgetaucht. Aber der Mann, der seit 2001 untergetaucht ist und zum großen ideologischen Gegenspieler der USA aufgebaut wurde, ist, gleich ob tot oder lebendig, ein Phantom. Selbst wenn Bin Laden gefangen genommen werden oder man ihn, wie Bundesinnenminister Schäuble kürzlich sinnierte, töten würde, dürfte das nicht wirklich etwas ändern. Trotzdem wurde das Preisgeld für Bin Laden auf 50 Millionen US-Dollar erhöht, was vor allem den symbolischen und medienökonomischen Wert dieses Widersachers illustriert, der trotz aller Geheimdienste mit ihren Satelliten und sonstigen Überwachungsmitteln nicht aufzufinden ist.

Die Bush-Regierung hat, wohl mehr als jede andere, stets versucht, die Medien und die Öffentlichkeit zu ködern. Die Erhöhung des Preisgelds geht nun mit einem Stakkato von Berichten über das Wiedererstarken von al-Qaida und die Bedrohung der USA einher, während gleichzeitig im Kongress über die Truppenpräsenz im Irak oder einen Rückzug diskutiert wird, man sich im Senat auf eine hitzige Debatte vorbereitet und einfach keine guten Nachrichten aus dem Land kommen, in dem die blanke Gewalt herrscht und man sich nur noch mit der Errichtung von Festungen wie der Green Zone oder dem Bau von Mauern um Städte oder um Stadtteile zu helfen weiß.

Vorläufiger Höhepunkt ist neben der Meldung, dass das FBI Informationen über eine Bande überprüfe, die von Mexiko Iraker und andere Menschen aus dem Nahen Osten für 20-25.000 Dollar in die USA schmuggeln soll, die Veröffentlichung von Teilen des Berichts des National Intelligence Estimate. Für den Bericht werden Erkenntnisse der 16 amerikanischen Geheimdienste zusammen gestellt. Gewarnt wird, was Mike McConnell, der Direktor der obersten Geheimdienstehörde DNI betont, vor einer "andauernden und wachsenden Gefahr" von terroristischen Anschlägen in den USA. Zwar hätte die internationale Zusammenarbeit während der letzten 5 Jahre den islamistischen Terrorgruppen gezeigt, dass die USA seit dem 11.9. schwerer anzugreifen sind, zudem seien dadurch einige Anschlagspläne vereitelt worden. Nun aber könne diese Zusammenarbeit schwinden, warnt der Bericht, weil die Anschläge vom 11.9. zu einer weit entfernten Erinnerung werden.

Al-Qaida gilt – neben der Hisbollah und anderen islamistischen Gruppen - weiterhin als die größte Gefahr für die USA, die Führung plane weiterhin Anschläge und rege extremistische Sunniten an, solche auszuführen. Al-Qaida habe wieder wichtige Kapazitäten entwickelt, um Anschläge in den USA vornehmen zu können. Dazu gehört das Rückzugsgebiet an der pakistanisch-afghanischen Grenze, die Existenz von einsatzfähigen Führern, der Einflussbereich im Irak und das Vorhandensein einer obersten Führung. Man hält weiterhin am pakistanischen Präsidenten Musharraf fest, aber stellt auch deutlich heraus, dass unter seiner Regierung al-Qaida florieren konnte. Offenbar geht man trotz aller Rede von netzwerkförmigen Gruppierungen von einer hierarchischen Organisation aus und glaubt, dass al-Qaida die Bemühungen verstärken wird, Terroristen in die USA einzuschleusen:

As a result, we judge that the United States currently is in a heightened threat environment.

Im Sinne der US-Regierung ist der Bericht politisch korrekt, wie der Heimatschutzberater des Weißen Hauses, Frances Townsend, erklärte. Die US-Regierung war danach durchaus erfolgreich, die Gefahr zurückzudrängen und al-Qaida zu schwächen, gleichzeitig aber wächst die Gefahr, vornehmlich durch die Situation im Irak, woran man offensichtlich nicht beteiligt war. Kurz, wie das Weiße Haus sagt, und dabei neue Überwachungskompetenzen einfordert:

Wir sind seit dem 11.9. sicherer geworden, aber noch nicht sicher genug.

Man glaubt, wozu allerdings keine Experten notwendig gewesen wären, dass mögliche Terroristen spektakuläre Anschläge mit vielen Opfern, großen wirtschaftlichem Schaden und Angsterzeugung in den USA planen. "Innovativ" sei al-Qaida darin, dass die vermeintliche Gruppe weiterhin chemische, biologische, radiologische oder nukleare Massenvernichtungsmittel erwerben und einsetzen will. Belege scheint es dafür aber nicht zu geben (möglicherweise, aber unwahrscheinlich finden sie sich im geheimen Teil des Berichts, der aber offensichtlich weniger an Aufklärung orientiert zu sein scheint, als den politischen Interessen der Regierung dienen zu wollen).

Ganz allgemein, es geht auch um die Bedrohungslage für die USA, scheint man ohne wirkliche Beweise zu haben, den Bericht so angelegt zu haben, die abstrakte Bedrohung, wie man in Deutschland sagen würde, zu einer konkreten zu stilisieren. Es scheint so zu sein, dass Muslime in westlichen Ländern und in den USA sich radikalisieren. Allerdings wird auch gesagt, dass nicht-muslinische Gruppen, die durch ein Ziel motiviert sind, in den nächsten Jahren Anschläge ausführen könnten, allerdings sei das Risiko hier klein. Dann aber kommt, was wohl nicht politisch opportun, aber realistisch ist, nämlich dass Anschläge mehr und mehr von Kleinstgruppen und Einzelnen ausgehen können, die ohne jede Eingebundenheit in Organisationen, mit den zur Verfügung stehenden Mitteln aus Wut Anschläge (oder Amokläufe) begehen werden:

We assess that globalization trends and recent technological advances will continue to enable even small numbers of alienated people to find and connect with one another, justify and intensify their anger, and mobilize resources to attack—all without requiring a centralized terrorist organization, training camp, or leader.